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Im Schlauchboot gegen die Globalisierung

30. Juli 2002

Wenn Konzerne fusionieren, ihre Produkte international vermarkten und absetzen wollen, dann kommt die Umwelt oft zu kurz. Greenpeace kritisiert deshalb die Globalisierung als umweltschädigend.

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Greenpeace-Mann Lohbeck: Wir sind keine Öko-ImperialistenBild: Greenpeace

Mit ihrer Arbeit hat die Umweltschutzorganisation Greenpeace immer wieder Umweltprobleme ins öffentliche Interesse gerückt. Spektakuläre Schlauchbootaktionen brachten ihr zahlreiche Schlagzeilen und ihren Anliegen breite Aufmerksamkeit ein.

Wolfgang Lohbeck ist Mitglied der "Entscheidergruppe", dem höchsten Entscheidungsgremium von Greenpeace in Deutschland. Zusätzlich leitet er die Abteilung Sonderprojekte. Seit Entstehen der Organisation Anfang der achtziger Jahre ist er bei Greenpeace aktiv. Oliver Schilling sprach für DW-WORLD mit ihm darüber, welche Gefahren von der Globalisierung für die Umwelt ausgehen und was Greenpeace dagegen tun will.

Herr Lohbeck, wann sind Sie das letzte Mal Schlauchboot gefahren?

Ich bin eigentlich gar kein Schlauchbootfahrer, sondern habe Schlauchboot- und viele andere Aktionen mitgeplant und organisiert. Im Prinzip sind Aktionen, bei denen Greenpeace-Aktivisten beteiligt sind, nur das letzte Mittel, um unsere Anliegen durchzubringen.

Was macht Greenpeace sonst noch?

Wir sind natürlich im Hintergrund aktiv auf Hunderten von Konferenzen. Unsere Arbeit besteht zu einem großen Teil aus Lobbying - allerdings nicht zur Profitmaximierung, wie es Wirtschaftsunternehmen tun. Wir setzen uns ein für die, die sonst keine Stimme haben, die Tierwelt, die Natur. Außerdem versuchen wir, neue Alternativen zu entwickeln und in die Diskussion zu bringen. Wir haben beispielsweise gezeigt, dass man ein Drei-Liter-Auto entwickeln kann, das auch 170 km/h fahren und ganz normal beschleunigen kann. Aber Aktionen sind ab und zu nötig, denn es gibt immer wieder verdeckte Umweltschweinereien. Wir machen auf sie aufmerksam. Die Macht des Stärkeren ist manchmal nur dadurch zu brechen, das man brachial auf sie hinweist.

Stichwort Globalisierung: Was bedeutet die Globalisierung für die Umwelt?

Im Vordergrund der Globalisierung stehen für mich die Risiken für die Umwelt. Globalisierung ist der Ausdruck einer ungebremsten Wirtschaftsmacht einer immer kleineren Anzahl von Unternehmen. Regierungen sind heutzutage fast schon der Büttel der Unternehmen, und Politik wird kaum noch staatlich gemacht. Die Agenda der Globalisierung wird von denen vorangetrieben, die nicht unsere Freunde sind.

Zum Beispiel?

Das sind großindustrielle Unternehmen wie Unilever, Monsanto, Autogiganten und natürlich Exxon, der größte und schmutzigste Ölkonzern. Sie schaffen sich Konkurrenz vom Hals und zerstören Märkte durch Übernahmen und Fusionen. Dem kann man nichts Gutes abgewinnen. Langfristig verschwinden Angebote. Und staatliche Behörden, wie die Kartellämter, werden zu zahnlosen Löwen. Wenn das so weiter geht, wird es irgendwann nur noch einen Automulti, einen Bekleidungsmulti und einen Nahrungsproduzenten geben. Das kann nicht gut sein. Irgendwann werden wir uns nach dem Tante-Emma-Laden zurücksehnen.

Was hat das mit Umweltschutz zu tun?

Eben nichts mehr. Also: Konkurrenz zwingt Produzenten, ihr Image zu pflegen. Das Stigma eines Umweltsünders kann heute noch zu erheblichen Wirtschaftseinbußen führen. Gibt es aber bald keine Konkurrenz mehr, dann ist auch die Imagepflege egal, und Umweltsünden werden vom Verbraucher nicht mehr geahndet.

Junge Menschen und auch Politiker scheinen zunehmend ein Bewusstsein für grenzüberschreitende Dimensionen der Umweltproblematik zu haben. Das ist doch sicherlich ihren Anliegen förderlich ...

Natürlich macht der Klimaschutz nicht an der deutschen Grenze halt. Das haben Politiker nun scheinbar auch verstanden. Aber leider treibt die Globalisierung nicht den Umweltschutz voran. Umweltsünder wie die USA denken an eigene Interessen und spielen ihre Stärke aus. Es gibt wenig Unrechtsbewusstsein. Und in der Politik ist es so wie im Actionfilm: Wer Stärke hat, soll sie ausspielen. Das wird sogar erwartet auf dem internationalen Parkett.

Kulturell und geschichtlich bedingt ist das Umweltverständnis in jedem Land unterschiedlich. Muss sich Greenpeace den Vorwurf des Öko-Imperialismus gefallen lassen?

Sicherlich nicht. Ich bin jemand, der sich dafür einsetzt, dass die regionalen und länderspezifischen Besonderheiten auf keinen Fall vernachlässigt werden dürfen. Denn: Gemacht wird Umweltschutz auf nationaler Ebene, auch wenn man global denken muss. Zum Beispiel hat die Auseinandersetzung mit der Autoindustrie in Deutschland einen anderen Stellenwert als in anderen Ländern – wir haben in Deutschland nunmal fünf riesige Autoproduzenten. Demgegenüber ist der Kampf zur Bewahrung der Urwälder in Malaysia und Brasilien anders zu führen als hier, wo es um die Abnehmer solcher Hölzer geht. Aber: Wir dürfen nicht vergessen, dass Deutschland für viele Länder eine Vorbildfunktion hat. Deutsche Umwelttechnik hat einen sehr guten Ruf in der Welt.

Würde es dann nicht Sinn machen, globale Umweltfragen im Zusammenhang mit anderen Politikfeldern zu erörtern?

Das ist richtig. Umweltfragen können nicht losgelöst von anderen Problemen gesehen werden. Gewaltfreiheit ist bei uns Programm. Verbraucherschutz, Gentechnik, Entwicklungspolitik – all diese Themen sind für uns wichtig. Umweltschutz kann nur gelingen, wenn er weit greift und auch andere Politikfelder einbezieht.

Herr Lohbeck, wie sehen Sie die Welt in 50 Jahren?

Man kann manchmal schon in eine sehr pessimistische Stimmung kommen ... Ich hoffe, dass die nächste Generation immer noch auf Wiesen spielen oder einen Sonntagsspaziergang im Wald machen kann.