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Im Spannungsfeld des Krieges

Daniel Scheschkewitz31. März 2003

Wie berichtet man aus der Hauptstadt eines Landes, das sich im Krieg befindet? Noch dazu in einem Angriffskrieg. Es ist schon ein merkwürdiges Spannungsverhältnis, in das man da gerät.

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Natürlich wissen wir, dass Vieles von dem, was in diesen Tagen aus dem US-Verteidigungsministerium Pentagon, dem Außenministerium State Department oder dem Weißen Hause in der Öffentlichkeit verbreitet wird in den Bereich der Propaganda gehört. Die Möglichkeit, Dinge, die im Kriegsgebiet geschehen zu überprüfen, hat man von Washington ohnehin kaum. Das führt gelegentlich zu Frustrationen. Doch das ist nur die eine Seite unserer Arbeit.

Was bleibt, ist die Möglichkeit, die Behauptungen der US-Regierung auf Inkonsistenzen, Widersprüche und Lücken hin zu analysieren. Davon gibt es genug, auch wenn unter dem enormen Zeitdruck der aktuellen Berichterstattung häufig die Zeit fehlt, dies oder jenes herauszuarbeiten.

Lug und Trug?

Aber ist deshalb alles Lug und Trug, was jetzt aus Regierungskreisen in Washington verbreitet wird? Mit Sicherheit nicht. Dies ist immer noch ein demokratisches Land mit einer funktionierenden Gewaltenteilung und einer parlamentarischen Opposition. Es gibt eine unabhängige Presse mit ausgezeichneten Reportern und Zeitungsredaktionen im Rücken, um deren Ressourcen sie viele gute Zeitungen in Deutschland schlichtweg beneiden würden. Und gegenüber den meisten Pressekonferenzen, die Bush-Sprecher Ari Fleischer auch in Kriegszeiten fast täglich zu bestreiten hat, mutet eine Bundespressekonferenz in der Regel wie eine harmlose Quizbefragung an.

Unter diesen Umständen weiß man auch im Pentagon, dass man mit allzu plumpen Lügen kaum Erfolg haben würde. Auch im Golf-Krieg 1991 kam die Wahrheit in vielen Fällen später doch ans Tageslicht. Natürlich sind die "eingebetteten" Truppenkorrespondenten, die das US-Militär begleiten, eine problematische Einrichtung, aber ich habe noch von keinem gehört, der sich über eine unangemessene Zensur seiner Berichte beschwert und den Job an den Nagel gehängt hätte.

Wahrheit und Bärendienst

Im Moment hat eher das Pentagon ein Problem damit, dass die amerikanische Öffentlichkeit Bilder von zurückschießenden Irakern, von verletzten US-Soldaten und einer stecken gebliebenen Bodenoffensive zu sehen bekommt. Natürlich müssen wir Journalisten in einem Konflikt die Meldungen der Kriegsparteien miteinander vergleichen und gegenüberstellen. Aber auch für uns Journalisten gibt es so etwas wie Quellenkritik. Mohammed Sajjid El Sahhaf, dem Informationsminister einer der schlimmsten Diktaturen dieser Welt, die gleiche Glaubwürdigkeit zu unterstellen, wie einem Regierungssprecher in Washington, erscheint mir doch gewagt.

Dennoch schwingt in vielen Fragen, die uns Korrespondenten in diesen Tagen aus Deutschland gestellt werden, die unterschwellige Annahme mit, dass die Informationen, die wir hier bekommen, ohnehin nur aus Propagandalügen bestehen. Dies wäre ein verheerender Trugschluss. Im Krieg stirbt die Wahrheit zuerst, heißt es. Das entbindet uns jedoch nicht von der Pflicht, vorurteilsfrei, kritisch und genau zu berichten. Die Dinge in einen Kontext zu stellen. Kriegsberichterstattung mit moralischer Empörung gleichzusetzen hieße, der Wahrheit einen Bärendienst zu erweisen.