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Im Zeichen des Pleitegeiers

Daniel Wortmann17. Mai 2003

Erst Asien, dann Argentinien: Die Weltgemeinschaft tut sich schwer mit Finanzkrisen in ärmeren Regionen. Ein Insolvenzrecht für souveräne Staaten könnte die Aufräumarbeit erleichtern.

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Finanzkrise in Argentinien: Insolvenzrecht könnte helfenBild: AP

Die Bestrebung, die Schulden von Schwellen- und Entwicklungsländern neu zu verteilen, ist nicht neu. Schon in den letzten Jahrzehnten wurde Krisenländern immer wieder eine Verringerung oder ein Aufschub der Schuldenlast gewährt. Allerdings bezogen sich diese Verfahren ohne allgemeine rechtliche Regelung auf einzelne Problemfälle. Es bestand weder ein Anspruch auf Umschuldung oder Wegfall der Schulden, noch gab es feste Kriterien für die Anwendung dieser Konzepte.

Insolvenzrecht zur Prävention

Das allerdings widerspricht den üblichen Zielen insolvenzrechtlicher Regelungen, wie man sie für Unternehmen kennt. So fehlt ohne Rechtssicherheit der Schutz davor, dass sich einige Gläubiger einem geordneten Insolvenzverfahren widersetzen und auf die vollständige Erfüllung ihrer Forderungen zu bestehen.

Das Insolvenzrecht kann auch vorbeugend wirken. Es erleichtert dem Gläubiger die Entscheidung, ob er ein Geschäft eingeht, da es genaue Regeln für den Krisenfall definiert. Auch der Schuldner wird durch solche Regelungen ein anderes Verhalten an den Tag legen: Durch die angedrohte Strafe und den Entzug von Entscheidungsmacht, die mit einer Insolvenz verbunden sind, wird sein Interesse untermauert, diese abzuwenden.

Strafandrohung für souveräne Staaten?

Eine Übertragung dieser Kriterien auf souveräne Staaten sei jedoch schwierig, erklärt das Bundesentwicklungsministerium in einem Positionspapier. So sei fraglich, wie die nötige Rechtssicherheit garantiert werden könne. Auch die Strafandrohung erscheine problematisch. Man könne der Regierung eines Landes im Falle der Insolvenz mit Sicherheit nicht die politische Führung entziehen, schreibt das Ministerium weiter.

Beim Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington ringt man schon seit einigen Jahren um eine Lösung. Unterschiedlichste Interessen treffen hier aufeinander: Schuldner und Gläubiger, Entwicklungshelfer und Wirtschaftsvertreter.

Mehr Rechtssicherheit

Der IWF selbst fordert mehr Rechtssicherheit. Er will eine Instanz ins Leben rufen, die über die Schulden eines Staates entscheiden darf. Auch soll verhindert werden, dass eine Minderheit der Gläubiger das Verfahren verzögern oder verhindern kann. Allerdings müsste eine solche Befugnis in nationales Recht überführt werden, um durchsetzbar zu sein. Auch sei zu befürchten, dass der IWF "Richter in eigener Sache" würde, erklärt Carsten Hefeker vom Hamburgischen Weltwirtschaftsarchiv. "Da er ebenfalls in der Regel zu den Gläubigern gehört, besteht der Anreiz, sich selbst als Beteiligter bevorzugt zu behandeln."

Die USA setzen indes auf die Kräfte des Marktes. In private Schuldverträge sollen Klauseln aufgenommen werden, die eine geordnete Umstrukturierung im Fall der Insolvenz ermöglichen. Offizielle Instanzen soll es hierfür nicht geben. Damit bleibe allerdings die Unsicherheit, dass trotz der Klauseln keine einvernehmliche Lösung erzwungen werden könne, gibt Carsten Hefeker zu bedenken.

Entscheidung vertagt

Zunächst einmal haben beide Konzepte die Frühjahrstagung des IWF nicht überlebt. Ein Kompromissvorschlag scheiterte am Veto der USA und führte damit die Diskussion scheinbar in eine Sackgasse. Wie sehr die Thematik jedoch den politischen und wissenschaftlichen Diskurs für sich einnimmt, machte indes eine Veröffentlichung des Münsteraner Instituts für Christliche Sozialforschung deutlich. In einer Studie lobte man die wirtschaftsethischen Segnungen einer solchen Regelung. Während der IWF erst einmal seine Niederlage verkraften muss, schafft es also vielleicht die Theologie, der fachlichen Diskussion wieder auf die Beine zu helfen.