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Im Zweifel für die Briten

Mahmoud Tawfik27. März 2004

Mehrere Seiten erheben Vorwürfe gegen britische Truppen, im Irak Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben. Die Weigerung der britischen Regierung, die Vorwürfe unabhängig überprüfen zu lassen, nährt den Verdacht.

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Britische Gefangene im Irak: Gab es Folter und Tötungen?Bild: AP

Ende 2003 ging ein Skandal durch die britische Presse: Mitarbeiter eines Fotolabors meldeten den lokalen Behörden dubiose Negative, die ihnen zur Entwicklung gegeben wurden - von einem aus dem Irak heimgekehrten britischen Soldaten. Die Fotos zeigten unter anderem einen irakischen Kriegsgefangenen, wie er in einem Netz gefangen an einem Gabelstapler aufgehängt wurde.

Inzwischen gibt es nicht nur vermehrte Hinweise auf Menschenrechtsverletzungen im Südirak durch das britische Militär - es sind auch einige Todesfälle in Gefängnissen ans Licht gekommen. "Wir brauchen eine unabhängige und neutrale Untersuchung aller Umstände, die mit diesen Todesfällen zusammenhängen", sagt Adam Price. Der Abgeordnete der konservativen Opposition im britischen Parlament spricht von sieben Irakern, die angeblich aufgrund durch Folter ums Leben kamen.

Folter und Tod

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International spricht von vier Fällen. Mitte März 2004 hat Amnesty einen Bericht veröffentlicht, in dem sie die andauernden Menschenrechtsverletzungen im Irak scharf kritisiert, unter anderem auch die Anwendung von Folter durch amerikanische und britische Soldaten - und die daraus resultierenden Todesfälle.

Amnesty International hat den Fall eines Irakers dokumentiert, der im Mai 2003 festgenommen worden ist - anstelle seines gesuchten Sohnes. Und dieser Mann ist dann in britischem Gewahrsam gestorben Die offizielle Begründung war, er sei an einem Herzinfarkt gestorben. "Allerdings hat die Familie Amnesty gegenüber berichtet, dass er überhaupt keine Herzbeschwerden hatte", sagt Ruth Jüttner, Referentin für den Nahen Osten bei Amnesty.

Schweigen und abwehren

Ein Hinweis auf Folter und Misshandlung? Oft müssen sich Menschenrechtsorganisationen, Journalisten und Oppositionelle mit kleinsten Hinweisen zufrieden geben. Denn die britische Militärführung schweigt weitgehend über die Verhältnisse in den Gefängnissen und wehrt Vorwürfe ab. Es gibt jedoch noch weitere Indizien:"Es gibt einen weiteren Fall, von mehreren Angestellten von einem Hotel in Basra, die festgenommen wurden, weil in diesem Hotel Berichten zufolge Waffen gefunden worden sein sollen", sagt Jüttner. Einer dieser Angestellten ist dann drei Monate später in der Haft gestorben. "Die Leiche, die den Eltern übergeben worden ist, hat Folterspuren aufgezeigt."

Keiner der im Südirak stationierten britischen Soldaten wurde bis dato auf Grund der Todesfälle zur Verantwortung gezogen. Es hat zwar Untersuchungen gegeben, doch sind diese nicht wie gefordert von unabhängiger Seite durchgeführt worden, sondern vom britischen Militär selbst. Für den Parlamentsabgeordneten Adam Price ein Grund mehr, nicht nur das Verhalten von einzelnen Soldaten zu kritisieren, sondern auch höhere Ränge bis hin zur britischen Regierung zu verdächtigen. Er bezweifelt, dass die Entscheidung zu foltern von den jeweiligen Soldaten allein getroffen wurde. Die befehlshabenden Offiziere müssen seiner Meinung nach informiert gewesen sein. "Und wenn befehlshabende Offiziere informiert waren, dann müssen auch Regierungsmitglieder gewusst haben, was da vor sich geht", sagt Price.

Nur die Spitze des Eisberges?

Schwerwiegende Vorwürfe - doch es stünde auch viel auf dem Spiel, sagt Adam Price, es ginge um Verstöße gegen die Genfer Konventionen und die europäische Menschenrechtskonvention. Hinzu kommt, dass die erwähnten Todesfälle nur die Spitze des Eisberges sind. Letztendlich sind es die Schilderungen ehemals inhaftierter und überlebender Iraker, die Menschenrechtsaktivisten und Journalisten zu einem mehr oder weniger akkuraten Bild der Zustände in den Gefängnissen verhelfen können. Es gibt andere Fälle von Inhaftierten, die berichtet haben, dass sie in Haft misshandelt worden sind oder unter unmenschlichen Bedingungen festgehalten worden sind. Es gibt Amnesty zufolge Berichte, dass Gefangene gezwungen worden sind, stundenlang zu stehen, dass man ihnen den Schlaf entzogen hat, dass sie immer wieder Verhören unterzogen wurden und nicht genug Essen und Wasser bekommen haben. Amnesty International hat von ehemaligen Inhaftieren Aussagen erhalten, dass sie in der Haft geschlagen worden sind.

Eine endgültige Gewissheit über die Zustände in den Gefängnissen des Südirak kann nur die von allen Kritikern unisono geforderte unabhängige Untersuchung liefern. Diese wird aber von britischen Behörden weiterhin abgelehnt - und das wiederum scheint die Befürchtungen nur zu bestätigen, dass es im Südirak zu schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen kam - oder sogar immer noch kommt.