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"Immer nur Fußball"

20. April 2011

Die Dominanz des Fußballs im Fernsehen sorgt für Ärger bei den so genannten kleinen Sportarten, die sich im Abseits sehen – schließlich ist das Medium längst der wichtigste Einnahmengarant.

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Besucher betrachten Flachbildschirme, auf denen jubelnde Fussballspieler zu sehen sind, auf der Internationalen Funkausstellung IFA in Berlin (Foto: AP)
Omnipräsent: Der Fußball dominiert das TVBild: AP

Das Fernsehen ist längst zum Lebenselixier des modernen Leistungsports geworden. Denn dort verdient man das Geld schon lange nicht mehr bloß mit der Eintrittskarte für das Stadion. Weitaus wichtiger ist der Verkauf der Fernseh-Rechte, aber natürlich auch die Erlöse aus Werbeverträgen und Merchandising, die beide so nur durch die große Verbreitung des Sports im Fernsehen möglich sind. Weil der Sport dem Fernsehen wiederum hohe Quoten und ein gutes Werbeumfeld bietet, ist diese wechselseitige Abhängigkeit ein Milliardengeschäft – vor allem für den Sport.

Der Kampf um die Sendeplätze

Bei genauerem Hinsehen fällt aber auf, dass diese Aussage nur teilweise stimmt. Denn ein Großteil der Einnahmen landet bei wenigen populären Sportarten. Die weniger publikumsträchtigen und damit weniger werberelevanten Disziplinen fühlen sich benachteiligt und müssen kämpfen: um Sendeplätze und Aufmerksamkeit.

Susanne Hahn bejubelt ihren Sieg beim Marathon in Düsseldorf 2009 (foto: dpa)
"Man sieht fast nur Fußball im TV", sagt Susanne HahnBild: picture alliance/dpa

Eine, die für ihre Sportart kämpft, ist Susanne Hahn. Sie ist eine der besten Langstreckenläuferinnen Deutschlands, ist junge Mutter und macht nebenbei noch ihren Doktor in Germanistik. Das allein würde vielen Sportlern vermutlich völlig reichen. Aber Susanne Hahn engagiert sich als Athletensprecherin für ihre Sportart Leichtathletik. Und die sieht sie im wichtigsten Medium Fernsehen unterrepräsentiert, denn dort sei derzeit nur Platz für eine Sportart: "Wenn man mal abends den Fernseher anmacht, hat man das Gefühl, dass man immer nur Fußball sieht", meint Hahn, die kritisiert, dass vor allem am Abend, wenn die höchsten Quoten erzielt werden, nur Fußball gezeigt wird. "Kaum eine andere Sportart schafft es auf diesen populären Sendeplatz."

Quotenkrösus Fußball

Das hat aus der Sicht der Fernsehsender handfeste Gründe: "Fußball erzielt eben sehr gute Reichweiten und danach müssen sich alle TV-Sender richten, auch die Öffentlich-Rechtlichen, die sich genauso an Quoten orientieren wie die Privaten", sagt Stephan Schröder, von der Marktforschungsagentur Sport + Markt. "Das führt dazu, dass ein Fußballspiel immer noch bessere Quoten bekommt, als ein Spitzenspiel aus einer anderen Sportart." Der TV-Markt sei enorm umkämpft von den Sportarten, kenne aber hierzulande wie auch in vielen anderen Ländern einen Dominator: den Fußball.

Adam Johnson feiert mit seinen Teamkollegen von Manchester City ein Tor vor einem Kameramann
Unter ständiger Beobachtung: Fußball hat in vielen Ländern ein Millionenpublikum vor den Fernsehern.Bild: picture alliance/Back Page Images

Diese Dominanz hat Folgen für den Sport: Die TV-Sender zahlen den quotenträchtigen Sportarten hohe Summen für die Rechte, während Nischensportarten zu kämpfen haben. Kurz gesagt: die Reichen bekommen mehr, die Armen weniger. Beispiele gibt’s genug: Die Fußball-Bundesliga lässt sich die öffentlich-rechtliche ARD rund 100 Millionen Euro pro Saison kosten, der Bezahlsender Sky sogar rund 250 Millionen. Das ZDF zahlte nach Medienberichten für die Rechte an der Fußball-Champions League kürzlich rund 50 Millionen Euro.

Frage nach Huhn oder Ei

Geradezu bescheiden fallen dagegen die geschätzten drei Millionen Euro aus, die ARD und ZDF für die Rechte an der Leichtathletik WM in diesem Jahr zahlen. Das ärgert die Läuferin Susanne Hahn, die sich fragt: "Wenn mehr Sportarten im Fernsehen gezeigt würden, wäre dann nicht auch das Interesse an den kleineren Sportarten höher?" Sie verweist auf die Vielfalt der Gesellschaft, die im Fernsehen nicht richtig abgebildet sei. Außerdem stelle sich die berühmte Frage nach "Huhn oder Ei, was war zuerst da?" – das Interesse an einer Sportart oder die TV-Bilder davon, die dann das Interesse erst kreieren?

Tischtennisspieler Timo Boll freut sich (Foto: AP)
In Asien ein Star, hier nur selten im Fernsehen: Timo BollBild: AP

Hinter dieser Frage steckt die Forderung vieler so genannter "kleiner Sportarten", dass das Fernsehen auch über sie berichten soll. Der Trend ist aber ein anderer: Im Kampf um Quoten und Reichweiten, an dem sich längst auch die öffentlich-rechtlichen Sender beteiligen, setzen die Sender vor allem auf die Publikumsmagneten – und die heißen in Deutschland derzeit Fußball, Formel 1 und Boxen. Da die Rechte dafür eher teuerer werden, die Gebühreneinnahmen aber zurückgehen, müssen die Öffentlich-Rechtlichen bei den Randsportarten sparen.

Aufmerksamkeit nur alle vier Jahr

Das spürt auch Thomas Weikert, Präsident des Deutschen Tischtennisverbandes. Zwar spielen nach Verbandsangaben rund vier Millionen Menschen in Deutschland mehrmals im Jahr Tischtennis. Und vor allem dank der großen Begeisterung für die Sportart in Asien hatte Tischtennis bei den Olympischen Spielen mit die höchsten Quoten. Aber die weltweit betrachtet gute Präsenz spiegelt sich nicht im Medieninteresse hierzulande wider. "In Deutschland sind wir leistungsmäßig sehr gut präsent und haben Topathleten hier. Das passt aber nicht ganz zu unserer Fernsehpräsenz." Denn die sei außerhalb der olympischen Spiele zu niedrig.

Der Deutschland Ruder-Achter mit Urs Kaeufer, Gregor Hauffe, Florian Mennigen, Kristof Wilke, Richard Schmidt, Philip Adamski, Toni Seifert, Sebastian Schmidt und Martin Sauer (Foto: dpa)
Der Deutschland Achter: Nur bei Olympia sehenswert?Bild: picture-alliance/ dpa

Dieses Problem kennen sie auch beim Rudern: Alle vier Jahre zu den olympischen Sommerspielen ist die Sportart, die von packenden Duellen Mann gegen Mann oder Frau gegen Frau lebt, eine gern gesehene Sportart im Fernsehen. Doch wann sieht man Rudern im Fernsehen, wenn nicht Olympia ist? Nur selten. "Deshalb haben wir als Verband auch einige Anstrengungen unternommen, um für das Fernsehen attraktiver zu werden", erklärt Oliver Palme, Sprecher des Deutschen Ruderverbandes. "Wir haben eine Ruderbundesliga gegründet, in der die besten Ruder-Achter Deutschlands über die Sprintstrecke gegeneinander antreten." So wolle man für das Fernsehen attraktiver werden.

Sind Terminabsprachen die Lösung?

Der Plan, Rudern so häufiger ins Fernsehen zu bringen, ging aber nicht auf. Für Palme liegt das auch daran, dass die Sommersportarten weniger gut organisiert sind als die Wintersportarten. Dort sind die Startzeiten der Disziplinen so abgestimmt, dass das Fernsehen immer "live" drauf ist. Deshalb hofft Palme, "dass im Sommersport eine Synchronisierung stattfindet." Gemeinsam abgestimmte Kalender wären zumindest eine Idee, wie die kleinen Sportarten wieder etwas mehr vom großen Kuchen der TV-Gelder abbekommen könnten.

Autor: Joscha Weber

Redaktion: Wolfgang van Kann