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Darwins Kinderstube

Irene Quaile12. Februar 2009

Wie kam der Evolutionstheoretiker Charles Darwin auf seine genialen Ideen? Im englischen Shrewsbury, wo er am 12. Februar 1809 geboren wurde, sind noch heute einige Antworten auf diese Frage zu finden. Ein Ortsbesuch.

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Shrewsbury (Quelle: Irene Quaile)
Shrewsbury, von Darwins Garten aus gesehenBild: Irene Quaile-Kersken

Es ist ein kalter Tag im Februar. Aber Schmetterlinge prägen das altenglische Stadtbild in Shrewsbury – auf Postern und Fahnen, als Logo des Darwinjahrs. Das Museum der Stadt befindet sich in einem Fachwerkbau aus dem 16. Jahrhundert. Hier hat Direktor Peter Boyd eine Ausstellung über Darwin und seine Familie vorbereitet. Boyd ist überzeugt, dass die Zeit, die Charles Darwin als Kind und junger Mann in Shrewsbury verbrachte, eine wichtige Rolle spielte: "Ich glaube, Charles Darwin wäre ein anderer geworden, wenn er in der Großstadt groß geworden wäre. Aber, er wurde in Shrewsbury geboren, in einer durch und durch ländlichen Umgebung, in der Nähe von Wales, mit Hügeln und Bergen. Da, wo er aufgewachsen ist, konnte er in der Auffahrt zum Elternhaus Fossilien entdecken, im Garten und auf den Feldern konnte er Käfer sammeln."

Auch der familiäre Hintergrund war für die Entwicklung Darwins zum weltberühmten Verfasser der Abstammungslehre wichtig, sagt Boyd. Sein Großvater, Erasmus Darwin, verfasste Schriften über Pflanzen und Tiere: "Erasmus Darwin redete bereits im 18. Jahrhundert über Evolution", sagt Boyd. "Es war dann an Charles Darwin, den Mechanismus hinter der Evolution zu verstehen. Die Evolution war also keineswegs neu – neu war aber die Erkenntnis, wie sie funktioniert. Wie Pflanzen und Tiere zusammenleben, wie sie in einer Umgebung unter einem bestimmten Druck stehen, der dazu führt, dass manche Pflanzen oder Tiere erfolgreicher in der Fortpflanzung sind als andere oder besser angepasst sind an die jeweilige Umwelt. Darwin etablierte die Idee, dass der überlebt, der am besten angepasst ist."

Auf Darwins Spuren

Darwins Geburtshaus(Quelle: Irene Quaile)
Das Geburtshaus von DarwinBild: Irene Quaile-Kersken

Darwin ist heute ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für Shrewsbury. Anziehungspunkt für pilgernde Wissenschaftler, Studenten und Touristen. Um den 200. Geburtstag Charles Darwins zu feiern und den 150. seines revolutionären Buches "Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl", hat die Stadt Shrewsbury unter anderem einen Fußweg durch die Stadt angelegt - genannt "Auf Darwins Spuren".

"Auf Darwins Spuren" geht es zunächst bergauf. Auf einer Anhöhe mit einem herrlichen Blick über die Stadt – gegenüber dem Krankenhaus, dort, wo Darwins Vater Robert einst seine Patienten betreute, befindet sich ein beeindruckendes Gebäude, heute Sitz einer örtlichen Behörde. "Zu diesem Anwesen gehört ein dreistöckiges Haus mit Nebengebäuden und Hof", erklärt Jon King, der den Darwin-Fußweg mit entwickelt hat. "Damals liefen hier Schweine und Hühner herum, und Kühe auf den dahinter liegenden Feldern. Robert Darwin kam aus Litchfield hierher, wo sein Vater Erasmus lebte, und baute eine erfolgreiche Arztpraxis auf. 1798 hatte er das Geld, um dieses beeindruckende Haus zu bauen. 1800 zog die Familie ein, und in dem Schlafzimmer auf der ersten Etage wurde am Sonntag, dem 12. Februar 1809, Charles Darwin geboren."

Passionierte Gärtner

Darwin-Denkmal und Schule (Quelle: Irene Quaile)
Heute thront Darwin vor seiner ehemaligen SchuleBild: Irene Quaile-Kersken

Seine Erziehung in dieser Umgebung – aber auch das Interesse seiner wohlhabenden Eltern für Pflanzen aller Art – beeinflussten den späteren Naturwissenschaftler maßgeblich: "Die Familie schaute den eigenen Garten nicht nur an", erzählt King. Im Gegenteil, sie unterhielten sogar detaillierte Gartenkalender, so dass Darwin schon sehr früh lernte, exakt zu beobachten und zu dokumentieren, zwei wichtige Qualitäten für einen Naturkundler. "Man notierte, ob eine bestimmte Pflanze in feuchter oder trockener Erde besser gedeiht, mit Sonne oder Schatten. Diese Detailarbeit lernte Darwin zu Hause, bei seiner Familie."

Die Rolle der Steine

Der Darwin-Weg führt weiter zu einem großen Granitstein in einem Innenhof, mitten in der Stadt. Hier treffen sich jedes Jahr Shrewsburys Darwin-Freunde. Zum einen, um seinen Geburtstag zu feiern. Zum anderen aber auch, um an die Rolle der Geologie in der Entwicklung von Darwins Theorien zu erinnern. Steine dieser Art findet man im entfernten Schottland, aber in der Regel nicht hier in der Grafschaft Shropshire. "Ein Mr. Cotton, ein Naturkundler, erzählte dem jungen Charles Darwin, dass die Welt wohl enden werde, bevor man wisse, wie dieser Stein hierher kam", so Jon King. "Aber keine zwei Jahre später hörte Darwin einen Geologievortrag an der Universität Edinburgh, über das letzte Eiszeitalter, wie sich die Gletscher bewegten und die Landschaft massiv veränderten." Darwin ließ sich davon inspirieren: winzige Veränderungen oft über Generationen hinweg, beeinflusst von klimatischen Veränderungen oder Nahrungsmangel, waren entscheidend.

Die Kirche ist allgegenwärtig

Darwins Taufkirche (Quelle: Irene Quaile)
In Darwins Taufkirche St. Chads erinnert man gerne an den genialen EntdeckerBild: Irene Quaile-Kersken

Darwins Theorie, die er erst viele Jahre nach seiner berühmten Schiffsreise zu den Galapagos-Inseln veröffentlichte, war revolutionär und führte zu einer kontroversen Auseinandersetzung mit der Kirche. Diese Debatte wird auch heute noch in Darwins Geburtsort Shrewsbury fortgeführt.

Der Darwinpfad führt auch zu einigen Kirchen. Darwins Eltern gehörten der "Unitarian Church" an, einer christlichen Kirche, die auch für andere Religionen sowie für Erkenntnisse der Wissenschaft offen war. Als Sohn eines bedeutenden Arztes und Geschäftsmanns wurde Charles Darwin aber in der offiziellen Stadtkirche, St. Chads, getauft. Während manche Kirchenvertreter in Shrewsbury den 200. Geburtstag Charles Darwin zum Anlass nehmen, Darwins Evolutionstheorie erneut abzulehnen, geht St. Chads einen anderen Weg: "Dieser Ort ist heute für uns wichtig, weil der Pastor von St. Chads ein großer Unterstützer unseres Darwin-Festivals ist", erzählt King. Und dieser Dialog ist ein offener Dialog, der auf gegenseitigem Respekt basiert."

Versöhnung steht noch aus

Im Übrigen habe eine Woche, nachdem Charles Darwin in Westminster Abbey beigesetzt wurde, der Bischof von Carlisle dort gepredigt und gesagt, dass die kirchliche Beisetzung Darwins absolut richtig gewesen sei, erinnert King: "Er sagte sogar, es wäre eine absolute Schande gewesen, wenn die Kirche auch nur den Eindruck erweckt hätte, dass es einen schwelenden Konflikt gebe zwischen dem Verständnis der Welt nach Darwins Evolutionstheorie auf der einen und dem Glauben an Gott und die Schöpfung auf der anderen Seite."

Noch gibt es sie aber nicht, die erfolgreiche Aussöhnung zwischen Evolutionstheorie und Schöpfungslehre - weder in Shrewsbury, noch in der Welt.