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In der Fremde für die Heimat

8. September 2011

In der Fußballweltrangliste belegt Afghanistan aktuell den 181. Platz. Zukünftig aber soll es weiter nach oben gehen. Eine entscheidende Rolle spielen dabei einige Exil-Afghanen, die größtenteils in Deutschland leben.

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Mansur Faqiryar - afghanischer Nationaltorhüter. Foto DW/Torsten Ahles
Der afghanische Nationaltorhüter Mansur FaqiryarBild: DW

In Afghanistan ist Mohammed Saber Rohparwar eine Fußball-Legende. Für Hindukusch Kabul schoss der Mittelstürmer in den 70er Jahren fast 200 Tore. In 56 Spielen für die afghanische Nationalmannschaft traf er 25 Mal. Deshalb erregte es in seiner Heimat schon große Aufmerksamkeit, als er im Mai 1980 mit sechs Mitspielern flüchtete. Ein Zeichen wollten sie setzen, gegen die sowjetischen Besatzer, die seinerzeit in Afghanistan einmarschiert waren.

Auf Spielersuche in Deutschland

Mohammed Saber Rohparwar - afghanischer Fußballscout in Hamburg Foto DW/Torsten Ahles
Mohammed Saber Rohparwar - afghanischer Fußballscout in HamburgBild: DW

Das ist mittlerweile 31 Jahre her. Seitdem lebt er in Hamburg – die Stadt außerhalb Afghanistans, in der weltweit die meisten Exil-Afghanen leben. Bereut hat Rohparwar den Schritt nie, auch wenn der mittlerweile 55jährige in der Hansestadt ganz neu anfangen musste. Sein Kabuler Universitätsabschluss in Agrarökonomie war hierzulande nichts wert. Heute arbeitet er als Taxifahrer und nebenbei als Scout für den afghanischen Fußballverband: “Ich versuche immer viele Zeitungen zu lesen, gucke nach Namen und versuche dann die Telefonnummern zu bekommen. Oder ich sage Freunden, die in anderen Städten Fußball spielen, dass sie mir Bescheid sagen sollen, wenn sie einen guten Spieler sehen oder kennen.“

Auf diese Art und Weise hat Rohparwar schon einige Talente entdeckt, die mittlerweile in der afghanischen Nationalmannschaft spielen.

Das Tor nach Afghanistan

Mansur Faqiryar ist so eine Entdeckung. Seine Eltern flohen kurz nach seiner Geburt aus Afghanistan. Aufgewachsen ist der 25jährige in Bremen, wo er auch heute noch lebt und studiert. Seine sportliche Heimat ist der Fünftligist VfB Oldenburg, bei dem er im Tor steht. Für Faqiryar wurde es zugleich zum Tor nach Afghanistan, denn in diesem Frühjahr spielte er zum ersten Mal für die Nationalmannschaft. Dabei verspürte er nicht nur Freude und Stolz, sondern “es war auch sehr motivierend, dass man so einen Bezug zu einem Land herstellt, das man so nicht kennt, aber das auch Heimatland ist.“

Bislang hat Faqiryar fünf Länderspiele bestritten, es hätten aber schon wesentlich mehr sein können. Schon 2008 bekam der damalige deutsche Nationaltrainer Afghanistans, Klaus Stärk, von Mohammed Saber Rohparwar den Tipp, dass es da in Deutschland einen talentierten Torwart gäbe. Verletzungen und organisatorische Probleme verhinderten aber ein früheres Debüt.

Kein Vergleich zu westlichen Standards

Fußballspiel in Herat in Afghanistan. Foto: DW/Hoshang Hashimi
Fußballer in Herat in AfghanistanBild: DW

Für Mansur Faqiryar ist jedes Länderspiel eine kleine Abenteurreise. Aus Sicherheitsgründen darf die Nationalmannschaft die Partien nämlich nicht zuhause austragen, sondern muss in andere Länder ausweichen wie Indien, Nepal oder Tadschikistan. Deshalb hat Faqiryar seine Heimat bisher auch nur ein einziges Mal gesehen und das ziemlich kurz: fünf Stunden war er in Kabul – auf einem Zwischenstopp während einer Länderspielreise.

Aber nicht nur reisetechnisch sind die Ausflüge zur Nationalmannschaft eine Herausforderung, auch die Zusammenstellung des Teams ist bisweilen nicht ganz problemlos, prallen dort doch zwei Welten aufeinander: die Exil-Afghanen und diejenigen, die noch in der Heimat leben. “Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass alles harmonisch ist. Das ist es in einer Fußballmannschaft sowieso nie, aber da kommen noch all die anderen Barrieren dazu. Ob es jetzt kulturell ist oder sprachlich. Der eine spricht nur Paschtu, der andere nur Dari und dann gibt es jene, die können keine der beiden Sprachen, sondern nur Englisch“, verdeutlicht Faqiryar die Schwierigkeiten.

Zu alldem kommen dann noch die häufig alles andere als luxuriösen Unterkünfte während der Länderspielreisen. Es bedarf manchmal schon einer großen Portion Idealismus und Heimatliebe, um all diese Herausforderungen gelassen zu bewältigen. Für Faqiryar aber auch Erfahrungen, die er nicht missen möchte, denn “wenn ich dann wieder nach Deutschland komme, sehe ich viele Dinge in einem ganz anderen Licht. Die Relationen verschieben sich.“

Deutschland hilft

Auch wenn sich Mansur Faqiryar seit einigen Monaten Nationalspieler nennen darf, so weiß er auch, dass das Niveau auf dem sich der afghanische Fußball momentan bewegt, sehr überschaubar ist: “Ist ja auch verständlich nach 30 Jahren Krieg. Da ist alles noch im Aufbau. Systemfußball wird in Afghanistan, glaube ich, erst seit fünf Jahren gespielt und nicht wie in Deutschland seit 50 Jahren. Insofern muss man das alles schon richtig einordnen.“

Aber genau wie Mohammed Saber Rohparwar ist er froh, dass es überhaupt ernsthafte Bestrebungen gibt, dem Fußball in Afghanistan wieder auf die Beine zu helfen. Das Auswärtige Amt finanziert diesbezüglich einige Projekte, der Deutsche Olympische Sportbund organisiert Aus- und Fortbildungen unterschiedlicher Art. Sollte die politische Lage eines Tages nicht mehr ganz so instabil sein, soll der Fußball dafür sorgen, dass es auch sportlich eine verlässliche Konstante gibt. Mansur Faqiryar und auch Mohammed Saber Rohparwar sehen sich auf diesem Weg als Entwicklungshelfer.

Die Hoffnung auf ein echtes Heimspiel

Bis zu einer Teilnahme Afghanistans an einer Weltmeisterschaft wird es wohl noch etwas dauern, vielleicht aber gelingt ja mittel- bis langfristig einmal die Qualifikation für die Asienspiele. Bis dahin hat Faqiryar aber noch einen anderen Traum, nämlich den von einem echten Heimspiel. Einmal in Kabul mit Afghanistan für Afghanistan spielen.

Autor: Torsten Ahles
Redaktion: Wolfgang van Kann