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Politik

In der Nische der Außenpolitik

Nina Werkhäuser
23. Juni 2017

In internationalen Konflikten dominiert häufig das Militär. Aber auch zivile Experten sind heute so gefragt wie nie zuvor. Die Bundesregierung wollte ihre Rolle stärken. Wie fällt die Bilanz nach vier Jahren aus?

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Ukraine OSCE Beobachtermission
OSZE-Beobachter in der UkraineBild: ZIF/A. Krementschouk

Wann freut sich ein ziviler Experte? Wenn man nichts mehr von dem Konflikt hört, der mit seiner Hilfe beendet wurde. Die fast geräuschlose Arbeit in Friedensmissionen stand nie im Rampenlicht der deutschen Außenpolitik und tut es auch heute nicht. "Friedensarbeit ist nicht so sexy", formuliert es die Grüne Franziska Brantner. Sie spricht aus Erfahrung: Im Bundestag leitet Brantner den Unterausschuss, der sich um das Nischen-Thema kümmert.

Während über jeden Auslandseinsatz der Bundeswehr lang und breit diskutiert wird, sind die Einsätze der zivilen Berater öffentlich kaum wahrnehmbar. Dabei hätten sie in Kriegen und Konflikten den schwierigsten Teil der Arbeit, betont Brantner: Sie sorgten dafür, dass wieder stabile, sozial und wirtschaftlich funktionierende Gesellschaften entstünden. "Das ist die große Herausforderung, an der wir leider noch viel zu häufig scheitern."

"Mehr Verantwortung übernehmen"

Kurz nach ihrem Amtsantritt hatte die jetzige schwarz-rote Bundesregierung den Anspruch formuliert, dass Deutschland international mehr Verantwortung übernehmen werde - auch im Bereich der Diplomatie und des zivilen Konfliktmanagements, also beim Einsatz von Mediatoren, politischen Beratern oder Wahlbeobachtern. Knapp vier Jahre später gibt es Fortschritte, die auch der beharrlichen Arbeit des zuständigen Bundestags-Ausschusses zu verdanken sind: Die Zahl der zivilen Experten steigt und die rechtlichen Rahmenbedingungen für ihre Einsätze haben sich verbessert.

Wahlbeobachtung Burundi
Wahlbeobachtung in BurundiBild: ZIF/Werner

Eine zentrale Rolle spielt dabei das "Zentrum für Internationale Friedenseinsätze" (ZIF) in Berlin, das die Fachleute rekrutiert, ausbildet und betreut. "Das Berufsbild 'ziviler Experte' hat sich über die letzten 15 bis 20 Jahre tatsächlich etabliert", sagt Almut Wieland-Karimi, die Leiterin des ZIF, das 2002 von der damaligen rot-grünen Bundesregierung und dem Bundestag in Leben gerufen wurde. 1.500 Fachleute sind inzwischen im Personalpool des ZIF erfasst, darunter Wahlbeobachter, Juristen, Ingenieure und Verwaltungsfachleute. 

"Luft nach oben"

Derzeit sind 150 deutsche zivile Experten im Auslandseinsatz, vor allem in den Friedensmissionen der Vereinten Nationen, der Europäischen Union und der OSZE. Für ein so gewichtiges Land wie Deutschland ist das nicht gerade eine große Anzahl. Es müssen mehr werden, sind sich die Fachpolitiker aus dem Bundestag einig. Zumal die deutschen Experten überall hoch angesehen seien. "Egal, wohin wir reisen, sagen uns alle immer: bitte schickt uns mehr", erzählt Franziska Brantner. 

Nach Angaben von Bundestags-Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn gibt Deutschland derzeit etwa 1,5 Milliarden Euro für das zivile Krisenmanagement aus. Vergleiche man die Ausgaben für das Militär mit denen für die zivile Konfliktbearbeitung, dann herrsche da "ein sehr großes Ungleichgewicht", beklagt die SPD-Politikerin. Sie plädiert daher für eine schrittweise Erhöhung des Budgets für die zivile Konfliktbearbeitung auf jährlich 10 Milliarden Euro.

USA UN Sicherheitsrat
Der UN-Sicherheitsrat in New York entscheidet über eine Vielzahl von Friedensmissionen Bild: picture alliance/dpa/L. R. Lima

Mehr Geld

Deutschland müsse stärker anerkennen, "dass wir mit dieser Art von Engagement unsere nationalen Interessen wahrnehmen und dass das Geld kostet", sagt auch der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen. Er kann sich eine starke Erhöhung des Budgets aber nur vorstellen, wenn auch der Etat der Bundeswehr weiter steige. Für ihn wäre das "eine Begleitmaßnahme zur Akzeptanz höherer Militärausgaben".

Das sieht die Opposition anders. "Wir wollen die Friedensarbeit unabhängig vom Militär stärken", sagt die Grüne Franziska Brantner, am besten in Abstimmung mit den europäischen Partnern. Es könne nicht sein, dass gut funktionierende Versöhnungsprojekte etwa in Mali aus Geldmangel beendet werden müssten. "Das ist ein Unding, wenn man weiß, dass die Militärmissionen dann langfristig scheitern werden."

Ukraine OSCE Beobachtermission
Unverzichtbar bei der Lösung von Konflikten: Neutrale Beobachter, hier beim Ausmessen von Granatsplittern in der UkraineBild: ZIF/A. Krementschouk

Stärkung des ZIF

Das Zentrum für Internationale Friedenseinsätze (ZIF) selbst, das in Kürze seinen 15. Geburtstag feiert, betont die Fortschritte: Durch eine Gesetzesnovelle bekommt das Zentrum ab dem 1. Juli ein größeres Gewicht, indem es zum Arbeitgeber der zivilen Experten aufgewertet wird. Bisher schlossen diese ihre Verträge mit dem Auswärtigen Amt ab, künftig werden sie vom ZIF entsendet.

Für die zivilen Experten bedeutet das, dass sie eine viel bessere Absicherung haben, etwa wenn ihnen im Einsatz etwas zustößt. "Wir sind darüber sehr froh", sagt Leiterin Wieland-Karimi, zumal damit auch die Mittel für das ZIF steigen. Während vergleichbare Einrichtungen in anderen Ländern, etwa das "Pearson Peacekeeping Centre" in Kanada, aus Geldmangel schließen mussten, sei das ZIF gewachsen und mit seinen 50 Mitarbeitern inzwischen zum "Modell für andere Staaten" geworden.