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In Polen arbeiten mindestens 200 000 Ausländer schwarz

4. März 2002

– Würde man Handel und Prostitution mitzählen, käme man auf die doppelte Zahl

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Posen, 3.3.20002, WPROST, poln

"Die Beschäftigung von Ausländern ist angesichts der hohen Arbeitslosigkeit unmoralisch", behauptet stolz Roman Galezewski, der Vorsitzende der Gewerkschaft Solidarnosc in der Danziger Werft (Stocznia Gdanska). Am 18. Februar wurde von den Mitgliedern der Gewerkschaft eine Beschwerde beim Arbeitsamt über die Erteilung von Arbeitsgenehmigungen für Ausländer eingelegt, die bei den Firmen beschäftigt werden, die mit der Werft zusammenarbeiten. Ein Tag später wurden aufgrund von Maßnahmen des Grenzschutzes sechs Ausländer festgenommen, die schwarz gearbeitet haben. Die Gewerkschafter streiten jedoch entschieden ab, dass diese Aktion aufgrund ihrer Initiative durchgeführt wurde.

Aber wenn nicht sie dahinter stehen, wer dann? In Frage kommen mit Sicherheit nicht die Unternehmer, die ohne die Weißrussen, Ukrainer, Russen, Rumänen, Litauer oder Koreaner keinen Monat überleben könnten.

In Polen arbeiten mindestens 200 000 Ausländer schwarz. Nach Berechnungen von Professor Antoni Rajkiewicz verdient unser Staat dadurch etwa 0,25 des BIP im Jahr, d.h. 1,8 Milliarden Zloty. In diesen Angaben wurden allerdings zwei sehr lohnende "Zweige" nicht mit berücksichtigt, d.h. der Handel und die Prostitution. Die Zahl der illegal Beschäftigten könnte sich also sogar verdoppeln.

In Polen ist es - ähnlich wie in der EU - nicht leicht, einen Ausländer offiziell zu beschäftigen. Zuerst muss man beweisen, dass es bei uns keine entsprechend qualifizierten Arbeitskräfte gibt und dann muss man noch eine Gebühr bezahlen in Höhe des niedrigsten Gehaltes. Im Jahr werden etwa 20 000 Arbeitsgenehmigungen für Ausländer erteilt.

Die Bürokratie sowie das freie Ermessen des Beamten bei der Erteilung wie auch die Dauer einer solchen Prozedur sind für die legale Beschäftigung von Ausländern nicht gerade fördernd: "Ich wollte drei Ukrainerinnen bei mir im Gewächshaus beschäftigen. Mir wurde jedoch keine Genehmigung erteilt, obwohl ich vorher ein halbes Jahr nach arbeitswilligen Polinnen gesucht habe", beschwert sich Bogdan H.

Angesichts solch einer Lage stehen die Unternehmer vor einem Dilemma: Soll man gegen das Recht verstoßen oder Pleite machen? Meistens entscheiden sie sich jedoch für die erste Variante: "Wenn ich mich nicht dazu entschieden hätte, einige Ukrainerinnen bei mir schwarz zu beschäftigen, wäre ich gezwungen, meine Firma aufzulösen und mich arbeitslos zu melden", bekräftigt Bogdan H.

Die Ausländer helfen nicht nur bei den Unternehmern aus: "Ich baue mein Haus und brauche einen Arbeiter. Ich kann es mir jedoch nicht leisten, jemanden offiziell zu beschäftigen", sagt Andrzej M., ein ehemaliger Militärangehöriger aus Posen. Er hat sich für die Weißrussen entschieden.

Die Geldbußen für die illegale Beschäftigung betragen von 20 Zloty ( etwa 5,5 Euro) bis 5 000 Zloty (ca.1388 Euro). Bestraft werden jedoch sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer. Aus diesem Grunde ist auch die Gefahr der Entdeckung nicht hoch. Im Jahre 2001 wurden in Polen 1 982 illegal beschäftigte Gastarbeiter festgenommen.

"Die Ausländer, die schwarz arbeiten, steigern unsere Konkurrenzfähigkeit", meint Professor Jan Winiecki und fügt hinzu: "Sie fordern eine niedrigere Bezahlung und tragen somit zu einer größeren Elastizität unserer Wirtschaft bei". "Sie nehmen Arbeiten an, die von den Polen nicht angenommen wurden oder arbeiten dort, wo sich der Unternehmer keine legal Beschäftigten leisten kann", bemerkt Professor Antoni Rajkiewicz.

Probleme mit der Schwarzarbeit gibt es in jedem Staat. Das Prinzip ist einfach: Dort, wo es die restriktivsten Regelungen für die Bekämpfung der Schwarzarbeit und die höchsten Arbeitsnebenkosten gibt, gibt es auch die meisten Schwarzarbeiter. Aber auch diese Staaten wenden sie mit Bedacht an. Die deutschen Behörden haben fast damit aufgehört, nach Polen zu suchen, die bei der Spargelernte beschäftigt sind. Die Ursache dafür ist einfach: jemand muss diese Arbeit erledigen und wenn sie nicht von den Ausländern gemacht wird, wird sie einfach nicht erledigt werden.

In Polen wurde bisher ähnlich verfahren. "Die Befolgung von absurden Gesetzen würde ein tragisches Ende nehmen. Die Unternehmer, die über keine billigen Arbeitskräfte verfügen, müssten ihre Tätigkeit aufgeben und der Staat anstatt zu verdienen, müsste Verluste hinnehmen", warnt Andrzej Sadowski, Vizevorsitzender des Adam Smith Zentrums.

Den Gewerkschaftsaktivisten geht es jedoch nicht darum, die Konkurrenz zu eliminieren sondern "die Fremden" abzuschaffen. Dann würden die Arbeitgeber dazu gezwungen sein, entweder die Bezahlung für die Dienstleistungen zu erhöhen, die für Polen unattraktiv sind, oder ihre Firmen zu schließen. Auf diese Weise arbeiten die Gewerkschafter im Namen der Interessen der Arbeitnehmer hart auf die Schließung der Danziger Werft hin. (Sta)