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In Prag inhaftierter Führer der usbekischen Exil-Opposition freigelassen

13. Dezember 2001

– Gerichtsbescheid über Auslieferung nach Usbekistan oder nach Norwegen muss der usbekische Dissident noch in Tschechien abwarten

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Köln, 12.12.2001, CTK, MLADA FRONTA DNES

CTK, tschechisch, 11.12. 2001

Der (seit Ende November in Prag festgehaltene – MD) usbekische Dissident Mohammed Solich ist am Dienstag (11.12.) Vormittag wieder auf freien Fuß gesetzt worden. Bei ihm bestehe keine Fluchtgefahr, sagte ein Sprecher des tschechischen Justizministeriums. Solich befand sich bisher in Auslieferungshaft. Ein Gerichtsbescheid über seine Auslieferung steht noch bevor. (...)

Solichs Auslieferung aus Tschechien wird von zwei Staaten gefordert: einerseits von Usbekistan, das ihn für einen Terroristen hält und andererseits von Norwegen, das ihm wiederum (vor zwei Jahren, 1999 – MD) politisches Asyl gewährt hat.

Die tschechische Polizei hat Mohammed Solich auf Ersuchen von Interpol vor zwei Wochen (28.11.) auf dem Prager Flughafen festgenommen. (ykk)

MLADA FRONTA DNES, tschechisch, 1.12.2001

(...) Der Fall Solich hat auch schon international Wellen geschlagen: für das Schicksal des Dissidenten interessierten sich gestern (31.11.) nicht nur angesehene Tageszeitungen wie "The New York Times" oder "Financial Times," sondern auch mehrere Menschenrechtsorganisationen. Die demokratische Welt – im Gegensatz zu dem autoritären usbekischen Regime – sieht nämlich in Solich keinen Verbrecher, sondern einen Menschenrechtskämpfer.

Solich, mit bürgerlichem Namen Salaj Madaminov, verließ seine Heimat 1993, nachdem der usbekische Präsident Islam Karimow Solichs Oppositionspartei Erk (Freiheit) verboten hatte.

Die usbekische Justiz beschuldigt Solich der Beteiligung an einem Bombenangriff in Taschkent, bei dem 1999 insgesamt 16 Menschen getötet wurden. (...)

Im Zentrum der usbekischen Hauptstadt Taschkent explodierten vor zwei Jahren einige Sprengsätze. (...) Der misslungene Attentatsversuch auf Karimow kam dem usbekischen Diktator damals wie gerufen. Er beschuldigte als Täter ausnahmslos alle usbekischen Oppositionskräfte: die Radikalen, unbequeme Journalisten, den Rest von Demokraten sowie das komplette Exil, alle - egal wo - im Ausland lebenden Oppositionellen.

Usbekistan, menschenreichstes Land des postsowjetischen Zentralasiens, gilt als ein autoritärer Staat, in dem Präsident Karimow alles fest im Griff hält. Menschenrechtsorganisationen sowie westliche Regierungen werfen ihm hartes Umgehen mit der Opposition, Inhaftierung von Regimegegnern und Missachtung von Menschenrechten vor. Karimow lehnt jedoch die Kritik ab und behauptet, er versuche nur, den islamistischen Extremismus zu bekämpfen (...).

Usbekistan spielt eine wichtige Rolle als Mitglied der internationalen Anti-Terror-Allianz. Unter anderem stellte das Land seinen Luftraum sowie einen wichtigen Luftstützpunkt für die US-Flugzeuge zur Verfügung. Dafür verdient es zweifellos Anerkennung. Die Usbeken leben jedoch schon seit zehn Jahren unfreiwillig in einem Vasallenstaat. Bei der Unterstützung Usbekistans darf man deshalb nicht vergessen, dass es sich hierbei um eines der härtesten Regimes der Welt handelt.

Mohammed Solich gewährte Norwegen politisches Asyl. In Usbekistan wurde er dagegen in Abwesenheit zu einer Freiheitsstrafe von mehr als 15 Jahren verurteilt. Wenn ihn die Tschechische Republik nach Usbekistan ausliefert, bleibt er wahrscheinlich für immer hinter Gittern.

Jetzt geht es aber nicht nur um ihn. Den Fall Solich verfolgen sicher auch andere Diktatoren, die den Kampf gegen den internationalen Terrorismus gern auch dafür nutzen wollen, um alle ihre Opponenten ausschalten zu können. (...) (ykk)

CTK, tschechisch, 11.12.2001

(...) Seine Verhaftung in Prag sieht Mohammed Solich als einen bürokratisch bedingten Fehler an. "Ich bin nach Prag aus Amsterdam gekommen. Bei der Passkontrolle nach der Ankunft ist mein Name im Computer aufgetaucht," sagte er auf einer Pressekonferenz nach seiner Haftentlassung (11.12.). Bei seinen Reisen in EU-Staaten habe er in der Vergangenheit keine Probleme gehabt. "Wenn ich in den westlichen Staaten unterwegs war, ist mir so etwas nie passiert. Meine Papiere unterliegen dem Schutz der Genfer Konvention. (...)"

Auf die Frage, wie ihn die tschechischen Behörden behandelten, sagte Solich: "Ich habe keine Beanstandungen. Alles ist im Einklang mit dem Gesetz verlaufen. Ein Gesetz ist ein Gesetz, auch wenn es schlecht ist. Es ist jedoch wahr, dass ich lieber frei als im Gefängnis bin." (...)

Obwohl Solich für seine Verhaftung in Prag keine politischen Kräfte verantwortlich macht, erwähnte er auf der Pressekonferenz auch, dass der US-Kampf gegen den Terrorismus dem Präsidenten Karimow seinen Wunsch, ein Freund von Amerika zu sein, erfüllt hat. Die Vereinigten Staaten arbeiten im Kampf gegen den Terrorismus in Afghanistan mit Usbekistan zusammen. (....) Wenn der amerikanische Präsident George Busch aber den Terrorismus samt seiner Wurzeln ausrotten will, dann müsse er sich nach Solich auch mit den Diktaturen auseinandersetzen. "Wir können ihm zeigen, wo die Wurzeln sind. Die liegen in den diktatorischen Regierungen," sagte Solich. (...)

Solich hatte der Sender "Radio Free Europe" (RFE) nach Prag eingeladen, um an einer Sendung zum Thema "Lage in Usbekistan" teilzunehmen. "Er ist unser Interview-Partner schon seit vier, fünf Jahren. Er liefert seine Beiträge für unser Programm als Dissident und als Kritiker des usbekischen Regimes, als Menschenrechtler, als ein Mensch, der unter dem usbekischen Regime selbst gelitten hat," sagte RFE-Sprecherin Sonia Winterova. Seine Auslieferung aus Tschechien nach Usbekistan könnte ihrer Einschätzung nach angesichts der Verhältnisse in Usbekistan nur zu seinem Tod führen. (...)

Nach Experten-Meinungen ist Solich auf die Interpol-Liste nur dank Karimow gelangt.

Solichs demokratische Partei Erk wurde 1990 als eine Oppositionsbewegung gegen den Präsidenten Karimow gegründet. Sie ist seit 1993 verboten. Die Gründer von Erk waren ursprünglich Mitglieder in der islamischen oppositionellen Vereinigung Birlik (Einheit), die unter anderem auch eine breitere Propagierung des Islams verfolgt. 1990 haben mehrere Mitglieder Birlik verlassen, weil sie demokratische Reformen wollten. So entstand die Bewegung Erk. (...) (ykk)