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In Tansania spricht man über Aids

Mirjam Gehrke1. August 2013

1,6 Millionen Menschen in Tansania sind HIV-positiv - das sind knapp sechs Prozent der 41 Millionen Einwohner. Deutschland unterstützt seit zehn Jahren den Ausbau des Gesundheitssektors - mit sichtbarem Erfolg.

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Tansania ist ein sehr junges Land, Aids trifft vor allem die 15 - bis 49-Jährigen. (Foto: DW/ M. Gehrke)
Tansania ist ein sehr junges Land, Aids trifft vor allem die 15 - bis 49-Jährigen.Bild: DW/M. Gehrke

Zwar sterben in Tansania immer noch 84.000 Menschen jedes Jahr an den Folgen von Aids. Aber das Land habe enorme Fortschritte gemacht, sagt Christoph Benn vom Global Fund zur Bekämpfung von Aids, Malaria und Tuberkulose. Vor zwanzig Jahren "waren Beerdigungen an der Tagesordnung", erinnert sich Benn, der damals selbst ein Krankenhaus in Tansania leitete. "Junge Menschen starben, Kinder waren unversorgt, in allen Dörfern gab es Waisen. Man sah förmlich, wie dieses Land sozial und auch wirtschaftlich unter dieser Krankheit gelitten hat."

Der Durchbruch wurde Ende der 1990er Jahre erzielt, so Global Fund Direktor Benn, als eine Behandlung von Aids möglich wurde. "Solange ein positiver Aids-Test ein Todesurteil war, kamen die Leute gar nicht zum testen." Seitdem ist die Aidsrate in Tansania von nahezu zwanzig Prozent innerhalb von 15 Jahren auf 5,8 Prozent zurückgegangen.

Man spricht über Aids

Als die tansanische Regierung 2005 eine massive Aufklärungskampagne startete und die Menschen dazu aufrief, sich auf HIV testen zu lassen, ging auch Japo Hemedi zum Arzt. Schon lange hatte sie sich krank und schwach gefühlt. Die Diagnose bestätigte ihre schlimmsten Befürchtungen. Dank der kostenlosen Behandlung und der intensiven ärztlichen Betreuung hat sie inzwischen gelernt mit HIV zu leben. Die 50-jährige alleinstehende Mutter von fünf Kindern verkauft frische Säfte und Obst an einem Stand vor einem Krankenhaus im Distrikt Temeke in Daressalam. Ihre Familie und viele ihrer Kunden wissen, dass sie HIV-positiv ist. "Ich habe mich nie stigmatisiert gefühlt. Meine Familie und auch meine Nachbarn akzeptieren mich trotz der Krankheit."

Japo Hemedi (50) lebt seit fünf Jahren mit dem HI-Virus (Foto: DW/ M. Gehrke)
Japo Hemedi hat gelernt mit HIV zu lebenBild: DW/M. Gehrke

Bis zu 200 HIV-Patienten werden täglich im Krankenhaus in Temeke behandelt. Durch die Aufklärung sei auch die Arbeit für die Ärzte einfacher geworden, sagt der medizinische Leiter des Krankenhauses, Dr. Suleiman Muttani. "Wer mit einem Beinbruch ins Krankenhaus kommt, weist die Ärzte darauf hin, wenn er HIV-positiv ist. Die Menschen haben gelernt, dass man mit Aids leben kann". Vorausgesetzt, die Patienten nähmen ihre Medikamente regelmäßig ein und gingen bei jeder Infektion sofort zum Arzt, fügt er hinzu. "Wir versuchen den Menschen klarzumachen, dass man Aids einfacher in den Griff bekommen kann als zum Beispiel Diabetes."

Leben mit Aids möglich

Hochbetrieb herrscht auch in der Aids-Klinik der Hilfsorganisation Pasada in Daressalam. Über 3000 Patienten und mehr als 6000 Kinder und Waisen werden hier pro Monat betreut. Eine von ihnen ist Christa Alunas. "Ich war sehr krank, bevor ich hierher gekommen bin" erzählt sie. Christa ist HIV-positiv, ihre neun Monate alte Tochter nicht. "Ich bin hier seit 2005 in Behandlung. Am Anfang hatte ich vor allem Fieber. Dann bekam ich Hautkrebs und später Tuberkulose. Aber beides ist erfolgreich behandelt worden", so die 34-Jährige. "Heute geht es mir gut, ich nehme meine Medikamente regelmäßig ein. Mein Leben ist prima."

Die christliche Hilfsorganisation Pasada, die unter anderem von der Deutschen Lepra- und Tuberkulosehilfe sowie vom Global Fund finanziell unterstützt wird, nimmt auch an dem Programm der tansanischen Regierung zur Verhinderung der Mutter-Kind-Übertragung von HIV teil. Während der Schwangerschaft erhalten HIV-positive Frauen regelmäßig Medikamente, die eine Ansteckung im Mutterleib verhindern. Bis die Babys erstmals im Alter von 18 Monaten getestet werden können, werden sie medizinisch betreut. Christa ist zuversichtlich, dass ihre Tochter ohne HIV aufwachsen wird

Kondome empfehlen, aber nicht verteilen

Beim Thema Prävention allerdings stößt die katholische Organisation an ihre Grenzen, muss der Leiter Frank Manase einräumen: "Auf der Grundlage unseres Glaubens klären wir die Menschen über die  Bedeutung von Kondomen auf, aber wir verteilen keine Kondome. Das ist ein Konflikt." Es werde aber niemand abgewiesen, der nach Kondomen fragt. "Wir sagen ihnen, wo sie Kondome erhalten können."

Zum Beispiel von der internationalen Nicht-Regierungsorganisation Population Services International (PSI), mit der die deutsche Bundesregierung seit 2005 in Afrika  zusammenarbeitet. Mit Straßentheateraufführungen, Musikveranstaltung und Videoabenden in den Slums oder auf den Dörfern klärt PSI über HIV und Aids auf.

Mit Straßentheater und öffentlichen Veranstaltungen klärt die NGO PSI über Aids auf. (Foto: DW/ M. Gehrke) (Frei zur Verwendung nur im Zusammenhang mit Berichterstattung über das Thema Aids in Tansania)
Mit Straßentheater und öffentlichen Veranstaltungen klärt die NGO PSI über Aids aufBild: DW/M. Gehrke

Khadija Azoman kommt gerade mit ihren beiden Kindern von einer solchen Videovorführung unter freiem Himmel am Stadtrand von Daressalam. Die Botschaft des Videos sei klar, sagt sie: "Wenn Du in einer Beziehung lebst, dann sei treu. Aber wenn Du einen Partner außerhalb der Ehe hast, dann benutze ein Kondom." Rund achtzig Millionen Kondome hat PSI allein im vergangenen Jahr verteilt.

Tansania auf einem guten Weg

Ein Mitarbeiter von PSI verteilt Kondome bei einer öffentlichen Veranstaltung. Ziel ist es, das Thema Aids und Prävention zu enttabuisieren. (Foto: DW/ M. Gehrke)
Bei öffentlichen Tanz- und Musikveranstaltungen werden Kondome verteiltBild: DW/M. Gehrke

Khadija hätte sich gewünscht, dass auch ihr Ehemann zu dem Videoabend gekommen wäre, "dann wüsste er besser Bescheid", meint sie. Aber zumindest ihre Kinder sollen aufgeklärt werden, wünscht sie sich. Ihre Tochter geht in die 5. Klasse. "Ein paar grundlegende Dinge in Sexualkunde haben sie schon gelernt", sagt Khadija, "aber natürlich werde auch ich mit ihr reden."

Christoph Benn vom Global Fund sieht Tansania auf einem guten Weg. Dank des stabilen Wirtschaftswachstums der letzten Jahre sei das Land in der Lage, mehr Geld in den Gesundheitssektor zur investieren. "Aber man darf auch nicht vergessen, dass das so nicht eingetreten wäre, wenn es nicht gelungen wäre, diese Krankheit zurückzudrängen." Bei Aidsraten um die zwanzig Prozent, wie vor zehn Jahren, hätte sich die Frage gestellt, ob diese Länder sich überhaupt wirtschaftlich entwickeln könnten.