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Rivalen auf der Weltbühne

19. April 2011

Das indisch-chinesische Verhältnis wird prägend sein für die Zukunft in Asien. Im Interview mit DW-WORLD.DE spricht der indische Chinaexperte Jagannath Panda über Hindernisse und Herausforderungen für die Beziehungen.

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Der indische China-Experte Jagarnath Panda bei einer Sicherheitstagung der Hanns-Seidel-Stiftung (Foto: Matthias von Hein / DW)
Der indische China-Experte Jagarnath Panda bei einer Sicherheitstagung der Hanns-Seidel-StiftungBild: DW

DW-WORLD.DE: Die Beziehungen zwischen Indien und China waren in der Vergangenheit - milde ausgedrückt - gespannt: Es gab bewaffnete Konflikte in den 1960er Jahren, auf die ein kalter Krieg folgte. Seit einiger Zeit bewegen sich beide Staaten wieder aufeinander zu. Was sind die größten Hindernisse in den sino-indischen Beziehungen?

Jagannath Panda: China und Indien treten jetzt in eine neue Phase ein, in der sich die Sicht aufeinander stark verändert. China hat sich zum zweitmächtigsten Land der Erde entwickelt. Indien wiederum strebt einen permanenten Sitz im Weltsicherheitsrat an. In diesem Kontext haben beide ihre globalen Ambitionen. Aber noch wichtiger ist, was beide Länder im jeweils anderen sehen, wie sie miteinander auf regionaler Ebene umgehen. Die Frage ist, wie sie ihre nationalen Sicherheitsinteressen verfolgen und global vorankommen. Deshalb werden wir in Asien in den nächsten fünf bis zehn Jahren einen intensiven Wettbewerb zwischen Indien und China beobachten. Dort werden die multilateralen Organisationen eine entscheidende Rolle spielen – also die Shanghai Organisation für Zusammenarbeit SCO, die ASEAN (Asoociation of South-East Asian Nations) und SAARC (South Asian Association for Regional Cooperation). Ein weiterer entscheidender Faktor wird sein, wie Indien Chinas massive militärische Modernisierung und den Aufstieg zu einer Wirtschaftsmacht sieht und wie China umgekehrt Indiens politische Fortschritte und "soft-power" auf der globalen Ebene wahrnimmt.

Und schließlich kommt noch ein drittes Element hinzu, nämlich die Rolle der USA. Es wird viel über den sinkenden Einfluss der USA während der vergangenen fünf bis zehn Jahre geredet. Aber angesichts der Interessen der USA in Asien darf man sie nicht vorschnell abschreiben. Und wir haben ja auch gesehen, dass Indien dem Willen der USA gefolgt ist, etwa mit der Unterzeichnung des Nuklearabkommens. Wir werden in den nächsten Jahren die chinesische Antwort auf diese Entwicklung sehen. Schon jetzt strebt Peking nukleare Abkommen mit Pakistan und anderen Staaten an. Die Chinesen spielen ihr eigenes Spiel. Deshalb werden die chinesisch-indischen Beziehungen in den nächsten Jahren sehr interessant werden. Wir werden in eine Phase des "Competetive Engagement" eintreten.

Stellenweise ist die Grenze zwischen beiden Staaten umstritten. Wie gehen Indien und China mit dem ungeklärten Grenzverlauf um?

Die Frage des Grenzverlaufs beschäftigt uns schon seit dem Grenzkrieg von 1962. Beide Seiten haben immer wieder die Grenzfrage angesprochen. Aber mittlerweile beginnen sowohl Indien als auch China einzusehen, dass es da nicht viel zu diskutieren gibt. Denn die Grenzprobleme können nur gelöst werden, wenn es den entschiedenen politischen Willen dazu gibt – und zwar in beiden Ländern. Aber auf höchster Ebene fehlt genau dieser Wille auf beiden Seiten – trotz aller diplomatischen Initiativen. Deshalb werden die Grenzfragen uns noch mindestens 15 bis 20 Jahre begleiten. Aber: Die Grenzprobleme sind heute sekundär; andere Themen haben sich nach vorne geschoben, zum Beispiel Energie, der Indische Ozean…

..oder das Thema Wasser. Indien verdächtigt China, Wasser aus dem Himalaya abzuleiten und abzuzweigen.

Ja, das ist ein sehr interessantes Thema zwischen Indien und China. Früher hat Wasser in den bilateralen Beziehungen nie eine Rolle gespielt. Jetzt aber sehen wir, dass Wasser sich zu einem Kernproblem zwischen Indien und China entwickelt. Die Chinesen widersprechen zwar lautstark der These, sie wollten Wasser abzweigen. Aber wir wissen, dass sie sich mit Projekten zur Umleitung von Wasser beschäftigen. Die indische Seite ist immer noch unentschieden, wie sie das Thema angehen und wie sie mit den Chinesen darüber sprechen sollte. Wir sind unsicher, ob wir das Thema bilateral angehen sollten oder lieber auf größerer Ebene. Momentan herrscht auf beiden Seiten Unklarheit - und weder auf der bilateralen noch auf der regionalen Ebene wurde das Thema bisher angemessen angesprochen. Was in dem Zusammenhang auch wichtig ist: In beiden Ländern hat die Öffentlichkeit begonnen, über das Thema Wasser zu sprechen. Denn die Leute haben verstanden: Nicht die Grenzprobleme, nicht die Rolle Chinas oder Indiens auf regionaler oder globaler Ebene – sondern das Thema Wasser wird sich zum wichtigsten Problem zwischen beiden Ländern in den nächsten fünf bis zehn Jahren entwickeln.

Drei-Schluchten-Staudamm (Foto: AP)
Reicht China der Drei-Schluchten-Staudamm zur Wasserversorgung?Bild: AP

Wie schätzen Sie die Rolle Chinas ein in Bezug auf die Sicherheitslage in Südasien - auch, was Afghanistan betrifft? Immerhin ist China der größte ausländische Investor in Afghanistan. Und China hat auch starke Interessen in Pakistan. Tun die Chinesen etwas für die Sicherheit in der Region?

Was Afghanistan angeht, sind die Chinesen bisher ganz zufrieden. Wir wissen, sie steigen dort ganz groß ein. Und vielleicht gibt es auch einen Wettbewerb zwischen China und Indien in Afghanistan. Aber was mich persönlich sehr viel mehr beschäftigt, ist, dass China versucht, eine südasiatische Macht zu werden. Es geht nicht um Afghanistan oder um Indien – es geht um ganz Südasien. Ein Beispiel: Auf der letzten SAARC-Konferenz in Bhutan haben die Chinesen zum ersten Mal den Wunsch vorgebracht, Vollmitglied von SAARC zu werden. Daran kann man ihre wirklichen Ziele und Absichten in Südasien erkennen. Südasien hatte früher nie Priorität in der chinesischen Außenpolitik, anders als etwa Südostasien. Aber jetzt ändert sich das langsam. In diesem Zusammenhang zielen die Chinesen auf die südasiatische Wirtschaft und haben begonnen, mit den kleineren Nachbarn Indiens zusammenzuarbeiten. Zum Beispiel mit Pakistan, mit Bangladesch, mit Nepal und Sri Lanka. China versucht den Handel mit diesen Ländern auszubauen und schafft so auch enge politische und militärische Kontakte. Ich würde nicht so weit gehen zu sagen, China umzingelt Indien. Das wäre übertrieben. Auch Indien hat seine regionalen und globalen Absichten. Aber die Ausweitung des chinesischen Einflusses auf den indischen Ozean bleibt für Indien ein problematisches Szenario.

Dr. Jagannath Panda ist China-Experte am Institute of Defense Studies & Analysis in Neu Delhi. Im vergangenen Jahr erschien sein Buch "China's Path to Power"

Das Interview führte Matthias von Hein
Redaktion: Esther Felden