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Fußball in Indonesien

Thomas Latschan3. November 2011

Indonesiens Fußball taumelt schon lang von Skandal zu Skandal. Doch so schlimm wie jetzt war es noch nie: Die Liga startete in die neue Saison, obwohl noch gar nicht klar ist, aus welchen Vereinen sie eigentlich besteht.

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Indonesische Fußballfans im Nationalstadion von Jakarta (Foto:ap)
Trotz zahlloser Skandale ist die Fußballbegeisterung in Indonesien ungebrochenBild: AP

Als der Schlusspfiff im Jalak Harupan-Stadion in Bandung ertönt, feiern die Fans ihre Mannschaften frenetisch. Dabei war es ein eher müder Kick: 1:1 heißt es am Ende im Eröffnungsspiel der neuen indonesischen Fußballsaison zwischen Persib Bandung und Semen Padang. Für die Fans spielt das Ergebnis aber nur eine untergeordnete Rolle. Sie sind froh, endlich endgültig zu wissen, dass ihre Mannschaften dieses Jahr in der ersten Liga spielen werden. Und damit haben sie fast allen anderen indonesischen Fußball-Anhängern einiges voraus.

Denn eigentlich ist noch nichts klar in Indonesien: Das Eröffnungsspiel hat der Verband nur angesetzt, damit das Land einer dreijährigen internationalen Sperre entgehen konnte. Der Fußball-Weltverband FIFA hatte Indonesien ein entsprechendes Ultimatum gesetzt. Welche Klubs aber sonst noch in Zukunft erstklassig spielen, wie der Spielplan aussieht, nach welchem Modus gespielt wird, all das steht noch völlig in den Sternen.

"Depperte" Funktionäre

Währenddessen sitzt 300 Kilometer weiter nordwestlich ein österreichischer Altnationaler in einem Cafe in Jakarta und versteht die Welt nicht mehr. "Die san a bisserl deppert. Die san wirklich deppert", wettert Alfred Riedl im breitesten Wiener Schmäh gegen Indonesiens Fußballfunktionäre. In den 1970er Jahren war Riedl ein erfolgreicher österreichischer Fußballer. Er wurde zweimal Meister mit Austria Wien und zweimal Torschützenkönig in der ersten belgischen Liga. Im Mai 2010 wurde er Nationaltrainer von Indonesien. Seit Juli 2011 ist er es nicht mehr. Und das, obwohl er sehr erfolgreich gearbeitet hat.

Der ehemalige indonesische Nationaltrainer Alfred Riedl (Foto:ap)
14 Monate lang war Alfred Riedl indonesischer NationaltrainerBild: picture alliance/dpa

Unter Riedl kam die indonesische Nationalmannschaft Ende 2010 sogar ins Finale der letzten Südostasien-Meisterschaften. Aber kurz darauf ist Riedl zwischen die Fronten eines besonders schmutzigen Machtkampfes um die Vorherrschaft im indonesischen Fußball geraten – und darüber gestürzt. Fristlos entlassen, ohne Angabe von Gründen. "Eine ordentliche Kündigung", sagt er verbittert, "habe ich bis heute nicht bekommen."

Staatsgelder für Fußballklubs

Riedl ist nur das prominenteste Opfer eines beispiellosen Chaosjahres im indonesischen Fußball. Der wird schon seit langem von Korruptionsskandalen erschüttert. Immer wieder gab es Gerüchte um abgesprochene Ergebnisse, bestochene Schiedsrichter, verschobene Spiele. Die ganze Struktur, erzählt Sandy Premuji, Sportjournalist bei der indonesischen Tageszeitung "Jakarta Globe", sei anfällig für Korruption. Denn Indonesiens Fußballvereine sind nicht etwa Privatunternehmen, sie gehören vielmehr mächtigen Provinzgouverneuren, die sie immer wieder für ihren Wahlkampf missbrauchen.

Szene aus einem Fußballspiel Indonesien-Malaysia im Dezember 2010 (Foto:ap)
In den Finalspielen der Südostasienmeisterschaften2010 unterlag Indonesien Malaysia mit 0:3 und 2:1.Bild: AP

"Die meisten indonesischen Klubs wurden mit Staatsgeldern gegründet und finanziert", erklärt Premuji. In vielen Provinzen sei der Haushaltsposten für die Fußballklubs größer als der Bildungs- oder der Gesundheitsetat. "Es gibt sogar Provinzen, die haben überhaupt keinen Etat für Bildung oder Gesundheit, geben aber 25 Milliarden Rupiah (umgerechnet rund 2 Millionen Euro) im Jahr für Fußball aus." Stehen Provinzwahlen an, dann werden die betroffenen Vereine plötzlich besser, erzählt Pramuji. Und auch das Lizenzierungsverfahren wurde in Indonesien bisher eher lasch gehandhabt. "2007 hat einer der Fussballklubs seine Jahresbilanz auf einem einfachen Zettel vorgelegt. Da stand nur: Einnahmen, Ausgaben, fertig."

Anweisungen aus dem Gefängnis

Mit Gegebenheiten wie diesen haben sich viele indonesische Fußballfans mittlerweile arrangiert. Doch in diesem Jahr wurde der Bogen eindeutig überspannt. Und das liegt zu einem Großteil an Nurdin Halid, dem ehemaligen Präsidenten des indonesischen Fußballverbandes. Der hat zwei seiner acht Jahre Amtszeit wegen Steuerhinterziehung im Gefängnis gesessen und von dort aus den Verband geleitet. In diesem Frühjahr stellte er sich zur Wiederwahl – und löste damit massive Fanproteste aus. "In den Stadien haben die Fans den Präsidenten ausgebuht und mit Sprechchören und Transparenten protestiert, das war schlimm. Wir haben teilweise sogar Länderspiele aus Jakarta in die Provinz verlegen müssen," beschreibt Alfred Riedl die aufgeheizte Stimmung.

Indonesische Demonstranten protestieren gegen Korruption (Foto:ap)
Die Indonesier haben genug von der grassierenden Korruption im LandBild: AP

Mitten in dieser Protestbewegung witterte ein indonesischer Großunternehmer seine Chance: Arifin Panigoro. Der Ölmilliardär setzte sich an die Spitze einer so genannten "Gruppe zur Reformierung des indonesischen Fußballs". Und er startete einen beispiellosen Konfrontationskurs, indem er einfach eine illegale, parallele erste Liga gründete. Insgesamt wurden 19 Vereine aufgekauft, saniert oder neu aus dem Boden gestampft, Strukturen aufgebaut, Spieler geholt, Trainer eingekauft. "Das muss den Panigoro Unmengen an Geld gekostet haben", erzählt Riedl. Und es hat Indonesiens Fußball in eine totale Sackgasse manövriert.

Zwei parallele Ligen

Denn plötzlich gab es zwei parallele "erste" Ligen in Indonesien. 15 Mannschaften spielten in der staatlichen Liga, 19 in der illegalen "Super League". Und dies war nur der Startpunkt für eine schmutzige Schlammschlacht um die Macht im indonesischen Fußball, so der Sportjournalist Sandy Premuji: Denn es passierte nur kurz vor den Wahlen zum neuen Fußballverbandspräsidenten. "Jeder weiß, dass es hier um Politik geht und nicht nur um Sport, denn mit Halid und Panigoro kämpften Vertreter zweier der reichsten Familien Indonesiens gegeneinander", erzählt Premuji. "Auf der Jahreshauptversammlung kam es zu tumultartigen Szenen." Zwei Wahlgänge mussten abgebrochen werden, und erst im Juni wurde im dritten Wahlgang Johar Arifin Hossein, ein Parteigänger Panigoros, zum neuen Präsidenten des Fußballverbandes gewählt.

Der indonesische Milliardär Arifin Panigoro (Foto:ap)
Milliardär Arifin Panigoro hat erklärt, Indonesiens Fußball reformieren zu wollenBild: AP

Bis heute halten sich hartnäckige Gerüchte, dass auch Hossein nur mit massiven Schmiergeldzahlungen an die Macht gekommen ist. Und er hat als erstes dafür gesorgt, den Fußballverband von den Gefolgsleuten des alten Präsidenten zu säubern. Im Zuge dieser Maßnahme ist dann auch Riedl seinen Job losgeworden.

Im Bannstrahl der FIFA

Doch mit der Machtübernahme durch die selbsternannten Reformer haben die Probleme für Indonesiens Fußballverband erst richtig angefangen. Denn plötzlich schaltete sich auch die FIFA ein. Im Sommer erklärte sie den Zustand zweier paralleler erster Ligen im Land für unhaltbar. Sie verlangte, die Vereine aus der illegalen "Super League" entweder zu verbannen oder sie mit der staatlichen ersten Liga zu fusionieren.

Indonesischer Fußballfan (Foto:ap)
Indonesiens Fans wissen nicht, wie es mit ihrer Liga weitergehen sollBild: AP

Und jetzt steckt Indonesiens Fußball in einem Riesen-Dilemma. Verbannen kommt nicht in Frage, denn schließlich gehört der neue Präsident ja zum Kreis derer, die die illegale Liga mit massivem finanziellem Aufwand gegründet hatten. Fusionieren aber gestaltet sich ebenso schwierig, denn viele Vereine aus der staatlichen Liga sperren sich vehement dagegen und pochen auf ihr Recht, auch weiterhin eigenständig erstklassig spielen zu dürfen. Jetzt streiten sich insgesamt 34 Vereine um die wenigen Startplätze in der neuen ersten Liga – unversöhnlich in zwei Lager gespalten.

Indonesiens Fußball in der Schockstarre

Und so befindet sich Indonesiens Fußball seit Monaten in einer Art Schockstarre. "Nichts ist klar", erklärt Sportjournalist Sandy Premuji. "Deshalb beklagen sich Indonesiens Fußballklubs auch bitterlich. Sie können keine Spieler verpflichten, weil sie ja noch immer nicht wissen, in welcher Liga sie spielen werden." Es herrsche totale Konfusion im indonesischen Fußball, der zudem im Moment erneut für einen Monat pausiert, weil zurzeit auf Sumatra die "South East Asian Games 2011" laufen. Erst im Dezember soll die Liga fortgesetzt werden, ohne dass bisher klar ist, wie sie dann aussehen wird. Für Sandy Premuji ein schier unglaublicher Zustand: "Ich bin jetzt schon seit sieben Jahren Fußballjournalist und habe schon viele Skandale mitgemacht. Aber diesmal habe ich wirklich keine Ahnung, wie das Ganze ausgehen soll."

Und während Sandy Premuji noch immer rätselt, hat zumindest Alfred Riedl mittlerweile einen Schlussstrich unter das Kapitel Indonesien gezogen. Der Österreicher arbeitet heute wieder als Nationaltrainer – im deutlich weniger chaotischen Laos.