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Ingrid Betancourt appelliert an Lateinamerika

4. Dezember 2008

Fünf Monate nach ihrer spektakulären Befreiung aus der Geiselhaft ist die kolumbianische Politikerin Ingrid Betancourt jetzt zum ersten Mal wieder in ihre Heimat gereist.

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Ingrid Betancourt: "Frieden für Kolumbien geht alle in Lateinamerika an."Bild: Patricio Luna

Am 2. Juli war die ehemalige Präsidentschaftskandidatin aus den Händen der FARC-Guerrillla befreit worden. Die folgenden Monate verbrachte sie zunächst in ihrer zweiten Heimat Frankreich und reiste durch Europa um auf die Lage in Kolumbien aufmerksam zu machen. Noch immer hält die marxistische FARC etwa 700 Menschen in ihrer Gewalt, viele von ihnen seit über 10 Jahren.

Fürsprecherin der Geiseln

Ihre Rundreise durch insgesamt acht Länder Lateinamerikas begann am Sonntag in Kolumbiens Hauptstadt Bogotá. Dort war sie von Präsident Álvaro Uribe zu einem kurzen Gespräch empfangen worden. Noch am selben Abend traf sie in Ekuadors Hauptstadt Quito ein.

Ingrid Betancourt und und weitere 14 Geiseln durch das kolumbianische Militär befreit
Sechs Jahre hat die FARC-Guerrilla Ingrid Betancourt im Dschungel als Geisel gefangen gehaltenBild: AP

In Gesprächen mit der Presse betonte sie immer wieder ihre Sorge um die noch im Dschungel verbliebenen Geiseln. "Ich bin glücklich für jene sprechen zu können, die nicht hier sein können. Ich spreche hier für meine Kameraden, die in diesem Moment an Bäume gekettet sind, denen man Ketten um den Hals gelegt hat, denen man die Schuhe weggenommen hat. Sie sind sicher isoliert, ohne Kontakt zur Außenwelt, ich denke, man hat ihnen das Radio weggenommen," so Ingrid Betancourt, die sich an ihre eigene Geiselhaft erinnert. Dieses Weihnachten werde "fürchterlich" für die FARC-Geiseln werden.

Diplomatische Geste

Von Kolumbien reiste Ingrid Betancourt weiter nach Ecuador - eine geschickte Reiseregie. Denn die Beziehunge zwischen Kolumbien und Ecuador sind auf einem Tiefpunkt seit im vergangenen März die kolumbianischen Luftwaffe bei einem Angriff auf ecuadorianisches Gebiet ein Lager der FARC bombardiert und ihren Anführer Raúl Reyes getötet hat.

Raul Reyes
Die Nummer 2 der FARC, Raúl Reyes ist im März bei einem Angriff der kolumbianischen Luftwaffe getötet worden.Bild: AP

Ecuador warf dem Nachbarland daraufhin die Verletzung seiner Souveränität vor. Kolumbien seinerseits beschuldigte Ecuador, wissentlich FARC-Lager auf seinem Staatsgebiet zu dulden. Ingrid Betancourt glaubt nicht, dass sie während ihrer sechsjährigen Geiselhaft auf ecuadorianischem Gebiet gewesen ist: ´"Sie müssen verstehen, dass man zunächst keine Ahnung hat wo man hingebracht wird. Aber ich glaube ich war zunächst in der Region Caquetá, am Fluss Yarí. Danach hat man uns immer im Kreis gehen lassen, jahrelang, durch eine sehr weitläufige Region, im Guaviare. Ich glaube nicht, dass ich auf ecuadorianischem Staatsgebiet gewesen bin," fügt sie hinzu.

Brutale Drogen-Guerrilla

Ingrid Betancourt hat die FARC während ihrer sechsjährigen Geiselhaft genau beobachtet. Sie habe eine Organisation erlebt, die durch die Drogen reich geworden sei. "Ich glaube, die FARC hat ihr Ziel aus den Augen verloren. Sollte sie jemals eine Daseinsberechtigung gehabt haben, dann hat sie sie längst verspielt." Die ehemalige Präsidentschaftskandidatin der kolumbianischen Grünen gesteht der FARC durchaus zu, einst ein soziales Engagement gehabt zu haben. "Aber heute hat sie das nicht mehr. Heute verteidigt die Guerrilla ihre regionale Macht. Sie verteidigt ihre Reichtümer und einen Lebensentwurf, der auf Krieg setzt. Sie verteidigt ein System, in dem ein Kommandant ein Gott in seiner Region ist, weil er Geld und Waffen besitzt, und töten kann wen er will. Er kann die Menschen zwingen ihre Dörfer zu verlassen, er kann sie vertreiben. Ein FARC- Kommandant ist allmächtig. Es hat in der FARC eine wahre Geld- und Machtorgie gegeben. Und das hat sie vollständig entarten lassen."

Appell an Lateinamerika

Auf ihrer Rundreise durch Lateinamerika appelliert Ingrid Betancourt an die lateinamerikanischen Regierungen, sich gemeinsam für ein Ende des Bürgerkriegs in Kolumbien einzusetzen. "Das schönste gemeinsame Projekt, für das wir uns alle in ganz Lateinamerika engagieren können, ist der Frieden für Kolumbien. Der erste Schritt zum Frieden muss natürlich die Befreiung aller Geiseln sein. Ich schlage einen Runden Tisch auf lateinamerikanischer Ebene vor, um einen Ausweg für Kolumbien zu verhandeln. Das ist der Grund meiner Rundreise - ich denke, dass alle zu einer friedlichen Lösung beitragen können."

Weihachten mit der Familie

Ingrid Betancourt mit ihren Kindern in Paris
Ingrid Betancourt: " Ich freue mich auf das erste Weihnachten im Kreis der Familie seit vielen Jahren."Bild: AP

In Buenos Aires ist Ingrid Betancourt am Mittwoch von Präsidentin Christina Kirchner empfangen worden. Weitere Stationen ihrer Reise sind Peru, Chile, Brasilien, Bolivien und Venezuela. Neben ihrem politischen Engagement für die Befreihung der Geiseln ist Ingrid Betancourt nach wie vor damit beschäftigt, sich wieder in der Freiheit zurechzufinden. "Meine Gesundheit ist wiederhergestellt, ich glaube da sieht man auch. Ich fühle mich körperlich sehr gut. Psychisch fühle ich mich noch etwas schwach. Ich fühle nach wie vor einen großen Schmerz, wenn ich an meine entführten Kameraden denke. Aber ich bin sehr glücklich, frei zu sein, zu leben, bei meinen Kinder zu sein. Dass meine Mutter lebt und bei mit ist, zusammen mit meiner Schwester, meinen Nichten und Neffen. Ich freue mich auf das erste Weihnachten im Kreis der Familie seit vielen Jahren."

STARBUCKS DE COLOMBIA?

Steuermann Kaffee?
Starbucks steckt in der Krise: Übernahmekandidat für die Konkurrenz aus Kolumbien?Bild: dpa

Die kolumbianische Kaffeeindustrie hat schwere Zeiten hinter sich. Die preiswerte Konkurrenz aus fernöstlichen Ländern wie Vietnam hat den Kaffeebauern schwer zu schaffen gemacht. Doch jetzt kommt die weltweite Finanzkrise der kolumbianischen Kaffeeindustrie scheinbar zupass. Denn die weltgrößte Kaffeehauskette Starbucks ist ins Trudeln geraten. Weltweit mußten Hunderte von Filialen geschlossen werden. Das ist alles andere als kalter Kaffee für den Direktor des nationalen Kaffeeverbandes von Kolumbien - der will Starbucks nämlich aufkaufen.

Redaktion: Mirjam Gehrke