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Tränen in Brüssel

Anke Hagedorn, Brüssel8. Oktober 2008

Die ehemalige kolumbianische Präsidentschaftskandidatin und langjährige FARC-Geisel Ingrid Betancourt hat am 60. Jahrestag der universellen Erklärung der Menschenrechte eine Rede vor dem Europäischen Parlament gehalten.

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Ingrid Betancourt und Hans-Gert Pöttering (Quelle: AP)
Ingrid Betancourt und Hans-Gert Pöttering am 8. Oktober im Europaparlament in BrüsselBild: AP

Minutenlange stehende Ovationen für Ingrid Betancourt im Europäischen Parlament: Es war sicherlich einer der emotionalsten Momente, die die Abgeordneten bislang miterlebt haben. Betancourt bedankte sich in ihrer knapp 30-minütigen Ansprache für die Unterstützung der Parlamentarier bei den Bemühungen um ihre Befreiung, die sie teilweise über das Radio mitverfolgen konnte: "Nichts von dem, was Ihr gesagt oder getan habt, war umsonst. Wenn ich heute am Leben bin und das Leben wieder genießen kann, dann verdanke ich das Euch. Ihr müsst wissen, dass es Eure Worte waren, die mir die Freiheit geschenkt haben, noch bevor die tatsächliche physische Befreiung kam."

Viele Tränen

Betancourt erinnerte auch an die im kolumbianischen Dschungel verbliebenen rund 30 Geiseln der FARC, deren Namen sie einzeln vorlas. Dabei versagte ihr immer wieder die Stimme, Tränen hinderten sie am Weiterreden. Vielen Abgeordneten standen ebenfalls die Tränen in den Augen. Sie versuchten durch Klatschen Ingrid Betancourt zu unterstützen, die sichtlich von den Erinnerungen an ihre über sechsjährige Geiselhaft überwältigt war.

Pöttering würdigt Betancourt (Quelle: AP)
Pöttering würdigte Betancourt als Symbol des friedlichen Widerstands gegen den TerrorBild: AP

Die wichtigste und effektivste Waffe im Kampf gegen die Verletzung der Menschenrechte sei das Wort, betonte Betancourt immer wieder. Eine Institution wie das Europäische Parlament habe dabei Vorbildcharakter: "Das Parlament ist der Tempel des Wortes, des Wortes, das befreit. Hier beginnen alle Prozesse der Bewusstwerdung einer Gesellschaft. Wenn die Exekutive schließlich handelt, dann nur, weil einer von Euch aufgestanden ist, und gesprochen hat."

Symbol und Ansporn

Ein sichtlich bewegter EU-Parlamentspräsident schloss sie am Ende ihrer Rede in die Arme. Hans-Gert Pöttering würdigte Ingrid Betancourt als Symbol für Freiheit und als Ansporn für die Bemühungen des Europäischen Parlaments um die Freilassung der zahlreichen Geiseln weltweit: "Es hat keine Stunde in diesem Europäischen Parlament gegeben, mit einer so tiefen menschlichen Empfindung, wie wir sie gerade erfahren haben. Sie haben uns ermutigt, für Demokratie, Menschenrechte und die Würde jedes einzelnen Menschen ohne Unterlass und mit Engagement weiterhin friedlich zu kämpfen."