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Innehalten am Ende des Sommers

31. August 2013

Der Sommer geht seinem Ende entgegen. Viele Menschen kehren aus dem Urlaub nach Hause zurück. Aber wo sind wir zuhause? Christoph Ehricht denkt anlässlich eines Bibelzitats darüber nach.

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Der Altweibersommer ist eine so genannte meteorologische Singularität und bezeichnet einen Zeitabschnitt gleichmäßiger Witterung im Spätjahr, oft im September, der sich durch ein Hochdruckgebiet, stabiles Wetter und ein warmes Ausklingen des Sommers auszeichnet. Das kurzzeitig trockenere Wetter erlaubt eine gute Fernsicht und intensiviert den Laubfall und die Laubverfärbung. Da das Wetter im Altweibersommer für Freiluftveranstaltungen besonders günstig ist, wurde das Oktoberfest in München im Laufe der Zeit vom Anfangstermin Mitte Oktober zum Septemberende hin vorverschoben. Rechte: cc by EwigLernender Quelle: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Altweibersommer2006.jpg&filetimestamp=20080911205233
AltweibersommerBild: cc by EwigLernender

Sommerzeit – Reisezeit

Der Sommer geht zu Ende. Morgen beginnt der erste der Herbstmonate. In meiner Kindheit in der DDR fing immer am 1. September die Schule an. Es gab keine gestaffelten Ferientermine, dafür zwei volle Monate Schulpause. Ich denke gerne daran zurück, an die Urlaubsreisen meiner Familie mit ganz wenig Geld und vier Kindern, an die Eisenbahnfahrten in überfüllten Personenzügen, um den D-Zugzuschlag zu sparen, an den Zeltplatz am Ostseestrand, der nur ein freigegebenes Stück Kiefernwald hinter der Düne war, ohne Sanitär- oder Versorgungseinrichtungen. Auch an die Wehmut der letzten Augusttage erinnere ich mich, weil nun der Alltagstrott wieder beginnen wird und an die Neugier zum Schuljahresbeginn, wer von den Mitschülern und Lehrern wohl in den Westen abgewandert wäre – da hat es oft echte Überraschungen gegeben. Jetzt sind die Ferientermine in Deutschland auseinander gezogen, um der Reisewelle auf den Strassen, Bahnhöfen und Flugplätzen einigermaßen Herr zu werden. Das ist nur zu berechtigt und manchmal klappt es ja auch. Wer es sich finanziell irgendwie leisten kann, benutzt die Ferien zum Reisen. Ortswechsel, Unterwegssein, unbekanntes Neues suchen und entdecken, damit ist für viele der größte Erholungseffekt verbunden.

Alles ist vorläufig

Wenn ich auf den Strassen meiner norddeutschen Heimat in diesen Wochen die vielen Wohnmobile sehe, geht mir die biblische Jahreslosung aus dem Hebräerbrief durch den Sinn. Ich will sie uns in der Jahresmitte noch einmal in Erinnerung rufen. „Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.“ Ist unsere Reiselust auch ein Ausdruck dieses Suchens? Jedenfalls ist es gut, wenn wir die Möglichkeit haben, einmal Abstand zu gewinnen, loslassen zu können, gespannt auf Neues zu sein. Wenn wir die dabei gewonnenen Erfahrungen mitnehmen in die Zeit danach, verliert der Alltag seine lähmende Routine. Vielleicht ist das der tiefere Sinn der Jahreslosung. Sie regt mich an, auch das scheinbar unabänderliche des Alltags als etwas Vorläufiges zu betrachten. Ich kann dann entspannter mit seinen Anforderungen und meinen Sorgen umgehen. Das Beste steht noch bevor.

Viele sind nicht freiwillig unterwegs

Das Nachdenken über die Jahreslosung in der Mitte dieses Jahres 2013 rückt mir aber auch die Mitmenschen in das Blickfeld, für die Reisen, Unterwegssein kein Luxusunternehmen ist und nichts mit Erholung zu tun hat. Flüchtlinge, Männer, Frauen und Kinder, die vor Krieg und Gewalt, vor Hunger und Verfolgung fliehen. Wir dürfen unsere Augen und vor allem unsere Grenzen nicht vor ihnen verschließen. Dass der neue Papst eine seiner ersten Reisen in das Flüchtlingslager Lampedusa unternommen hat, ist eine aufrüttelnde Tat in der Nachfolge Christi. Hoffentlich bewirkt sie etwas, vor allem dort, wo die Ursachen der Flucht bekämpft werden müssen. In dieser Hoffnung grüsse ich Sie zum Beginn der dritten Jahreszeit.

Zum Autor: Christoph Ericht, Jahrgang 1950, studierte evangelische Theologie an der Universität Greifswald. Vier Jahre war er dann wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich Kirchengeschichte in Greifswald. Nach einigen Jahren als Gemeindepfarrer in Gützkow war er später theologischer Dezernent im Konsistorium der pommerschen Kirche - in Greifswald. Dann verließ er diese Stadt für 3 Jahre und war von 1999 - 2002 Propst in St.Petersburg. Nach seiner Rückkehr nach Greifswald ist er dort wieder im Dienst der pommerschen Kirche, und zwar als Landespfarrer für Diakonie. Christoph Ehricht ist verheiratet, hat zwei Töchter und einen Enkel.

Pfarrer Christoph Ehricht
Pfarrer Christoph EhrichtBild: Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik