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Institut für Nationales Gedenken: Morde der ukrainischen Nationalisten an Polen 1939-1948 waren Völkermord

2. Juli 2003
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Warschau, 1.7.2003, PAP, poln.

Die Ermittlungsabteilung des Instituts für Nationales Gedenken (IPN - MD) hält die Massenmorde an Polen aus Wolhynien und anderen Ostgebieten der II. Polnischen Republik durch ukrainische Nationalisten für Völkermord. Das ukrainische Volk trage dafür aber keine Verantwortung, erklärte der Leiter der IPN-Ermittlungsabteilung.

Am Dienstag (1.7.) fand bei IPN in Warschau eine Konferenz zum Thema Verbrechen der ukrainischen Nationalisten in den Jahren 1939-1948 an Polen im Lichte der von IPN-Staatsanwälten geführten Ermittlungen statt. IPN führt insgesamt 50 Ermittlungen zu diesen Verbrechen sowie neun Ermittlungen zu polnischen Racheakten an Ukrainern.

"Wir möchten beweisen, dass Polen umgekommen sind, weil die Täter sie als Angehörige des polnischen Volkes erkannt haben, was diese Verbrechen zu Völkermord stempelt, der keiner Verjährungsfrist unterliegt", erklärte Prof. Witold Kulesza, der Leiter der IPN-Ermittlungsabteilung. Kulesza zitierte die Worte eines Angehörigen der Ukrainischen Aufständischenarmee an einen Polen aus den Ostgebieten: "Verschwindet hinter den San, das hier ist unser Land" und betonte, dies sei unter anderem ein Beweis dafür, dass die Täter sich von dem Ziel haben leiten lassen, einen "ethnisch reinen" ukrainischen Staat zu schaffen. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass ein Volk, in dessen Namen diese Verbrechen begangen worden seien, nicht die Verantwortung für die Taten trage, die angeblich in seinem Namen begangen worden seien. "In keinem Völkermord-Fall ist festgestellt worden, dass das Volk derartige Verbrechen legitimiert", fügte er hinzu.

Die polnischen Racheakte seien ebenfalls auf der Grundlage nationaler Kriterien begangen worden und auch sie unterlägen nicht der Verjährung, so Kulesza. "Die Opfer wurden nur deshalb ermordet, weil sie Ukrainer waren." Der "Mord an den Angreifern" sei hingegen kein Völkermord gewesen.

"Bei unserer Wissenschafts-, unserer Erziehungs- und unserer Ermittlungsarbeit lassen wir uns nicht vom Grundsatz der Nationalität leiten. Die Nationalität der Opfer und Täter ist für uns nicht wichtig. Wichtig ist für uns, die begangene Tat richtig zu beurteilen. IPN ist eine apolitische Institution. Unser Ansinnen ist einzig und allein, die komplizierte, vielschichtige und schwierige Geschichte so gut wie möglich kennen zu lernen. Nur wenn die Wahrheit über diese Ereignisse aufgezeigt wird, kann das historische Gedächtnis geläutert werden", sagte der Vorsitzende von IPN, Prof. Leon Kieres.

Bislang ist nicht bekannt, wann die vom Lubliner IPN geführten Ermittlungen zum Mord an mehreren Zehntausend Polen in Wolhynien beendet werden können, teilte Piotr Zajac, der Ermittlungsleiter, mit. "Beim gegenwärtigen Stand der Ermittlungen kann nicht die eindeutige Zahl der Opfer genannt werden und mit großer Wahrscheinlichkeit kann davon ausgegangen werden, dass es solche eindeutigen Feststellungen niemals geben wird, es wird immer nur bei Schätzungen bleiben", sagte er. "Dass 50 000 bis 60 000 Bewohner Wolhyniens polnischer Nationalität ermordet worden sind, geht aus Akten hervor, das bedeutet aber nicht, dass die Angaben endgültig sind."

Während der Gang der Ereignisse außer Zweifel sei, so fehle es an klaren Angaben über die Motive, von denen sich die ukrainischen Nationalisten haben leiten lassen, fuhr Zajac fort. In der derzeitige Ermittlungsetappe könnten auch nicht "die Personen genannt werden, die für diese verbrecherischen Entscheidungen und deren Ausführung verantwortlich waren".

Schätzungen polnischer Historiker zufolge kamen allein durch die Morde in Wolhynien zwischen 35 000 und 60 000 Polen, hauptsächlich Zivilisten, ums Leben. Insgesamt hat die Ukrainische Aufständischenarmee - nach unterschiedlichen Schätzungen - 80 000 bis 100 000 Polen ermordet, die in allen südöstlichen Gebieten der II. Republik Polen lebten. Nach ukrainischen Quellen hat es etwa 20 000 ukrainische Opfer des Konflikts gegeben.

Die zentralen Feierlichkeiten anlässlich des 60. Jahrestages der Morde werden am 11. Juli in Anwesenheit der Präsidenten Aleksander Kwasniewski und Leonid Kutschma in dem ukrainischen Ort Pawliwka (vor dem Krieg Poryck) stattfinden. (TS)