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Institute senken Prognose

Rolf Wenkel14. April 2016

Die führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute haben ihre Prognose für das Wirtschaftswachstum leicht nach unten korrigiert – und mahnen die Politik, für mehr Wachstum zu sorgen.

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Symbolbild Wirtschaftswachstum Konsum
Bild: picture-alliance/dpa/C. Rehder

Die Experten sind etwas vorsichtiger als Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel, der im Januar ein Plus von 1,7 Prozent vorhergesagt hat. Für das laufende Jahr erwarten die Ökonomen ein Wachstum von 1,6 Prozent, für 2017 erwarten sie 1,5 Prozent. Auch wegen der hohen Flüchtlingszahlen dürfte die Arbeitslosigkeit steigen. Während die Ökonomen für dieses Jahr mit rund 2,7 Millionen Arbeitslosen rechnen, sollen es 2017 rund 100.000 Arbeitslose mehr sein - die Arbeitslosenquote werde von 6,2 Prozent in diesem Jahr auf 6,4 Prozent in 2017 steigen.

Deutschland Frühjahrsgutachten der Wirtschaftsforschungsinstitute
80 Seiten dick: Das Frühjahrsgutachten der InstituteBild: picture-alliance/dpa/J. Carstensen

An dem Frühjahrsgutachten mit dem Titel "Moderater Aufschwung" sind das Münchener Ifo-Institut, das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung in Essen( RWI), das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin (DIW) und das Leibnitz-Institut für Wirtschaftsforschung in Halle (IWH) beteiligt.

"Ausschlaggebend für die Korrektur nach unten war ausschließlich, dass sich die Weltwirtschaft Ende 2015 merklich abgekühlt hat", sagte Timo Wollmershäuser, Leiter der Konjunkturforschung am Münchener Ifo-Institut. "Die deutsche Binnenkonjunktur stellt sich aus heutiger Sicht sogar noch besser dar als noch im Herbst", so Wollmershäuser.

"Erhöhte Risikowahrnehmung"

"Schon Anfang des Jahres 2016 wurde deutlich, dass sich die Weltwirtschaft in den Monaten zuvor merklich abgekühlt hatte", schreiben die Gutachter. Die schlechten Nachrichten hätten auf den Aktienmärkten im Januar und im Februar weltweit zu erheblichen Bewertungsverlusten und zu einem deutlichen Anstieg der "Risikowahrnehmung" geführt. Eine wichtige Ursache sei der rasche Strukturwandel in China gewesen, heißt es. "Dieser Schrumpfungsprozess birgt erhebliche Konjunkturrisiken und geht mit einer abnehmenden Bedeutung des Außenhandels für China sowie einer schwächeren Nachfrage nach Rohstoffen einher", heißt es in dem Gutachten.

Immerhin: "Inzwischen mehren sich die Anzeichen, dass sich die internationale Konjunktur im ersten Halbjahr 2016 nicht weiter abschwächt" schreiben die Konjunkturforscher weiter. Alles in allem expandiert die Weltproduktion nach der Gemeinschaftsprognose in diesem Jahr in etwa mit dem mäßigen Tempo des Vorjahrs. "Für 2016 ergibt sich ein Zuwachs von 2,4 Prozent und für 2017 von 2,8 Prozent", heißt es. Auch der Welthandel werde im Prognosezeitraum nur mäßig wachsen. Die Institute erwarten in diesem Jahr eine Zunahme um 2,9 Prozent und im kommenden Jahr um 3,4 Prozent.

Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einem moderaten Aufschwung. Vor dem Hintergrund des anhaltenden Beschäftigungsaufbaus, der spürbaren Lohnsteigerungen und der Kaufkraftgewinne infolge der gesunkenen Energiepreise wird der Aufschwung vom privaten Konsum getragen. Impulse kommen derzeit außerdem von den Ausgaben, die durch die Versorgung und die Unterbringung der großen Zahl von Flüchtlingen entstehen. Die Binnennachfrage wird darüber hinaus durch die niedrigen Zinsen angeregt. Kaum stimulierende Effekte gehen dagegen vonseiten der Weltkonjunktur aus.

Verhaltene Investitionen

Die Investitionstätigkeit nimmt dagegen laut Frühjahrsgutachten nur verhalten zu. Die Entwicklung sei allerdings zweigeteilt: So dürfte der Wohnungsbau wegen der niedrigen Zinsen, der guten Arbeitsmarkt- und Einkommensentwicklung und wegen der deutlich gestiegenen Nachfrage weiter zunehmen. "Dagegen dürften sowohl der gewerbliche Bau als auch die Investitionen der Unternehmen in Ausrüstungen trotz der niedrigen Zinsen und der günstigen Gewinnsituation der Unternehmen zunächst nur wenig zunehmen, auch weil sich die Unternehmenserwartungen deutlich eingetrübt haben."

Für die öffentlichen Haushalte zeichnet sich ein Rückgang des Budgetüberschusses ab. Die Ausgaben im Zusammenhang mit der Flüchtlingsmigration steigen und die Finanzpolitik ist leicht expansiv ausgerichtet. Aufgrund der merklich steigenden Einnahmen aus der Einkommensteuer, den Steuern vom Umsatz und den Sozialbeiträgen sowie sinkenden Zinsausgaben wird wohl dennoch ein Budgetüberschuss von elf Milliarden Euro in diesem und 10 Milliarden Euro im kommenden Jahr erzielt werden.

Mehr Wachstumspolitik gefordert

"Vor diesem Hintergrund sollten diese Überschüsse nur für temporäre Mehrausgaben verwendet werden oder für Maßnahmen, die das Produktionspotenzial dauerhaft erhöhen" schreiben die Forscher. In vergangenen Gemeinschaftsdiagnosen hatten die Institute wiederholt dargelegt, wie eine solche wachstumsfreundliche Politik ausgestaltet sein könnte: Neben der Senkung der Steuer- und Abgabenbelastung der Arbeitnehmer können investive Ausgaben für Bildung und Ausbildung das Produktionspotenzial steigern.

Letzteres sei insbesondere auch wichtig, um die Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt zu erleichtern. Allerdings habe die Wirtschaftspolitik ihre Prioritäten bislang eher bei konsumtiven und verteilungspolitischen Ausgaben gesetzt als bei wachstumsorientierten Maßnahmen: "Eine Fortführung der wenig wachstumsorientierten Wirtschaftspolitik der vergangenen Jahre wäre nicht nachhaltig", schreiben die Konjunkturforscher.