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Inszenierte Regierungskrise in Israel

Peter Philipp2. Dezember 2004

Nachdem das israelische Regierungsbündnis zerfallen ist, strebt Ministerpräsident Ariel Scharon nun eine Koalition mit der Arbeitspartei an. Ein notwendiger taktischer Schachzug, meint Peter Philipp in seinem Kommentar.

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Um die Regierung Scharon war es schon seit Monaten schlecht bestellt. Seit der israelische Premier sich daran gemacht hatte, den angekündigten Rückzug aus dem Gazastreifen um jeden Preis durchzusetzen, drohte seine eigene Partei, der konservative "Likud“, auseinander zu fallen. Und nur mit Mühe - und einer Portion Sturheit und Beharrlichkeit war es Scharon gelungen, den Widerstand in den eigenen Reihen einigermaßen zu dämpfen. Mundtot gemacht hatte Scharon ihn freilich nicht und es war zu befürchten, dass der Streit bei der nächsten Gelegenheit wieder ausbrechen und Scharons Politik gefährden würde.

Dem kam der ehemalige General nun mit einer ebenso ungewöhnlichen wie wohl auch effektiven Taktik zuvor: Scharon provozierte einen Koalitionsstreit dem liberalen Partner "Shinui“ und setzte dessen fünf Minister kurzerhand vor die Tür, als sie sich weigerten, Sharons Etat-Entwurf abzusegnen. Die Freundlichkeit, mit der Scharon die Minister dann verabschiedete, ließ erkennen, dass das ganze mehr eine Inszenierung war als echte politische Krise:

Scharon musste auf Shinui verzichten, um die Arbeitspartei und mindestens eine orthodoxe Partei in die Koalition holen zu können. Die Orthodoxen sind Scharon zwar nicht wichtig, aber sie sollen den Konservativen in der Koalition die Mehrheit sicherstellen: Ohne sie hätten "Labour“ und "Shinui“ den Likud überstimmen können. Und "Shinui“ wiederum war nicht bereit, die Regierungsbank mit den Orthodoxen zu teilen. So, wie sie jetzt auch den Haushalt ablehnte, weil er großzügige Subventionen für die Orthodoxen versprochen hatte.

Nun ist der Weg frei für Scharon, eine große Koalition zu bilden: Zusammen mit den Sozialdemokraten und den Orthodoxen wird ihn auch keine Opposition aus den eigenen Reihen mehr vom Rückzug aus dem Gazastreifen abhalten. Und seinem heftigsten Kritiker aus den eigenen Reihen, Finanzminister Benjamin Netanjahu, wird Scharon keine Träne nachweinen, auch nicht Außenminister Silvan Shalom - sollten diese im Protest gegen das Gaza-Projekt die Regierung verlassen. Im Gegenteil: Dann wäre das Außen-Ressort frei für "Labour“-Noch-Chef Schimon Peres, der seit langem davon träumt, wieder in Amt und Würden zurückzukehren.

Auch Peres aber hat seine Probleme mit der Arbeitspartei: Da hat sich nämlich Ehud Barak, Scharons glückloser Vorgänger, in den Kopf gesetzt, die Partei wieder an die Macht zu bringen. Seit seinem Rücktritt vor fast vier Jahren hat Barak aber einen wenig überzeugenden Eindruck gemacht und in der eigenen Partei scheint man ihm die Rolle des "jungen Aufsässigen“ nicht abzunehmen, die er jetzt gegenüber der alten Garde um Schimon Peres zu spielen versucht. Barak ist gegen eine Beteiligung an der Scharon-Koalition, Peres scheint mit seinem "Ja“ zur Koalition mehr Erfolg zu haben.

Wenn nichts Unerwartetes dazwischenkommt, könnte Scharon die neue Koalition bereits in wenigen Tagen zusammenstellen. Und der Haushaltsentwurf? Der hat noch bis Ende März Zeit. Er kam Scharon jetzt nur gelegen, die Karten neu zu mischen.