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Mit Kooperation ins All

Fabian Schmidt4. Juli 2013

Konkurrenzdenken ist eine Sache der Vergangenheit - darüber sind sich die Raumfahrer aller Generationen einig. Und dieser Wandel nutze der ganzen Menschheit, heißt es auf der Raumfahrer-Jahrestagung.

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Der Deutsche Reinhold Ewald am 20.1.1997 während des Trainings für das russische Sojus-TM-25-Weltraumprojekt (Foto: Mashatin/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Drei Jahrzehnte war die bemannte Raumfahrt geprägt vom Wettlauf zwischen dem Ostblock und dem Westen. Doch die Zeiten haben sich geändert. Das war auch deutlich zu spüren bei der 26. Jahrestagung der Vereinigung der Raumfahrer (Association of Space Explorers - ASE).

In diesen exklusiven Club werden nur diejenigen aufgenommen, die mindestens einmal die Erde in einer Umlaufbahn umrundet haben. Über 370 Mitglieder hat die Vereinigung. Bei der Jahrestagung in Köln Anfang Juli waren etwa 80 dabei.

Präsident der Vereinigung der Raumfahrer ist Dumitru Prunariu. Er war als erster - und bisher einziger - Rumäne im All, und zwar im Jahr 1981 auf der sowjetischen Raumstation Saljut-6. 

Avantgarde in Zeiten des Kalten Krieges

Alles fing sehr bescheiden an: Die ASE wurde 1985 gegründet, also vier Jahre vor dem Fall der Berliner Mauer. Prunariu erinnert sich noch gut an die Anfänge der Organisation im französischen Cernay: "In dieser Zeit waren wir 25 Astronauten und Kosmonauten aus 13 Ländern. Wir waren uns bewusst, dass die Welt sich ändern müsste."

Die westlichen Astronauten und die östlichen Kosmonauten hatten eines gemeinsam: Sie hatten die Erde schon einmal aus der Ferne betrachtet. Vielleicht hatten sie deshalb auch ein wenig mehr Überblick als andere Erdenbürger.

Die Gründungsversammlung der ASE ermöglichte es den Raumfahrern beider Seiten erstmals, sich über politische Grenzen hinweg auszutauschen.

Der sowjetische Kosmonaut Alexander Alexandrow an Bord der sowjetischen Raumstation Saljut 7 im Jahr 1983 (Foto: ITAR-TASS)
Alexander Alexandrow hätte sich im Weltraum gerne mit NASA-Kollegen getroffenBild: picture-alliance/dpa

Im folgenden Jahr fand ihre Tagung dann im Ostblock statt, und zwar in Budapest. "Schon damals entstanden viele Kontakte zu amerikanischen Astronauten. Und wir hatten sogar den Plan, uns mit den Amerikanern  zu einigen, dass sie die sowjetische Raumstation Soljut-7 mit dem Shuttle anfliegen", erinnert sich Alexander Alexandrow, der damals als sowjetischer Kosmonaut dabei war.

Aber dazu kam es nicht. "Es herrschte Kalter Krieg, und Außenminister Andrej Gromyko stellte klar, dass es im Kosmos keinerlei Kontakte zwischen amerikanischen und sowjetischen Raumfahrern geben dürfte", sagt Alexandrow.

Erschwerend kam hinzu, dass sowjetische Abfangjäger am 1. September 1983 ein südkoreanisches Verkehrsflugzeug abgeschossen hatten. Das hatte die eh schon schwierige Situation noch verschärft.

Nach dem Mauerfall: Ein reger Austausch

Was damals noch undenkbar war, gehörte wenige Jahre später aber bereits zum guten Ton: Die verschiedenen Nationen arbeiten inzwischen Hand in Hand. Der Astronaut Reinhold Ewald wurde als Westdeutscher schon ab 1990 auch in Moskau ausgebildet. Sieben Jahre später flog er gemeinsam mit zwei Russen und einem US-Astronauten zur Raumstation Mir.

Morgenlicht über dem Golf von Mexiko (Foto: NASA via CNP/dpa - Report)
Raumfahrer haben einen besonderen Blick auf die Erde - egal, welcher Nation sie angehörenBild: picture-alliance/dpa

Heute wünscht sich Ewald, dass möglichst viele Menschen diesen Geist der internationalen Zusammenarbeit weitertragen. "Unserem Team von jungen Astronauten gilt unsere Unterstützung", sagt Ewald. "Ich konnte meine tollen Erfahrungen ummünzen in Ratschläge für die Teams, die heute Raumfahrt unterstützen. Ich möchte, dass möglichst viele Leute diese Erfahrung mitbekommen."

Besonders auf der Internationalen Raumstation ISS ist die Kooperation zwischen den Weltraumagenturen der Europäer, Amerikaner, Kanadier, Russen und Japaner mittlerweile so eng verzahnt, dass die meisten Missionen ohne Kooperation gar nicht mehr denkbar wären. Für den Russen Alexandrow ist damit sein Wunsch aus der Zeit des Kalten Krieges in Erfüllung gegangen: Heute tragen alle ihren Teil bei.

"Wir stellen das Raumschiff Sojus zur Verfügung, die Amerikaner hatten bis vor kurzem das Space-Shuttle. Die Japaner stellen ein Labor. Die Kanadier einen Manipulator, einen Roboter für Außeneinsätze. Die Europäer haben den unbemannten Raumtransporter ATV und das Columbus-Raumlabor", zählt der Ex-Kosmonaut auf. Vor allem legt er Wert auf die  gemeinsame Ausbildung der ISS-Mannschaften: "Wir lösen das gemeinsam - und Sie sehen, dass alle Teams äußerst erfolgreich zusammenarbeiten."

Die Internationale Raumstation ISS (Foto: NASA/dapd)
Jeder Teilnehmerstaat der Internationalen Raumstation ISS trägt zum Gelingen der gemeinsamen Mission beiBild: NASA/dapd

Klare Aufgabenverteilung

Bewährt hat es sich, wenn alle Teilnehmer einen Teil zur technischen Ausrüstung beisteuern: über Module, die sich gegenseitig ergänzen. Das spart unnötige Kosten, sagt Hans Wilhelm Schlegel, der 1993 und 2008 mit den Space-Shuttles Columbia und Atlantis im All war.

Schlegel ist noch heute von den US-Raumfähren begeistert - auch wenn deren Ära inzwischen vorüber ist. Aber auch ohne sie ist die Raumfahrt nicht zum Stillstand gekommen, sagt er. "In den letzten vier Jahren haben wir Menschen ausschließlich mit Sojus-Raketen auf die ISS gebracht. Es ist eine geniale, zuverlässige Rakete und Raumkapsel."

Noch mindestens drei Jahre werden laut Schlegel auch auch die Raumfahrtagenturen ESA und NASA auf Sojus angewiesen sein, um Menschen von und zur ISS zu bringen. Erst danach werde die nächste Generation gemeinsamer Raumtransporter einsatzbereit sein.

"Das Ende des Shuttle-Programms ist nicht das Ende der Raumfahrt oder eine Blamage für die Amerikaner", betont auch sein Kollege Ewald. "Es ist eine Konsequenz dessen, was wir angefangen haben: Wenn viele Partner sich zusammentun, muss man nicht alles doppelt machen," sagt der einstige Mir-Astronaut.

Forschungsprojekte bekommen Vorrang

Was man durch Kooperationen an Geld und Zeit einspart, komme letztlich der Forschung zugute, meint der US-Astronaut Kevin Anthony Ford. Er ist erst im März von der ISS zurückgekehrt, wo er alle Hände voll zu tun hatte. "Mir scheint, wir bekommen immer mehr zu tun, weil die Wissenschaftler mit immer neuen Ideen kommen, was sie alles in einer Raumstation erforschen können." 

"Während meine Kollegen Oleg, Evgenyi und ich an Bord waren, liefen auf der ISS 220 voneinander unabhängige Forschungsreihen ab", berichtet Ford. Diese Experimente nützten der ganzen Menschheit.

Die Astronauten Kevin Ford und Nicole Stott an Bord der Internationalen Raumstation (Foto: NASA/EPA/dpa)
Kevin Ford und seine Kollegin Nicole Stoff haben auf der ISS ein dicht gepacktes ForschungsprogrammBild: picture-alliance/dpa

So hat Ford unter anderem an Fischen geforscht. Seine Arbeiten sollen helfen, ein Mittel gegen Osteoporose zu finden. "Diese Erkrankung zu heilen, rechtfertigt die Kosten schon für sich selbst. Und wir haben tausende solcher Experimente mit einem Vielfachen dieses Potenzials an Bord."

Für Hans Wilhelm Schlegel, der in seiner Karriere den Umbruch vom Kalten Krieg hin zum Sojus- und Mir-Programm und dann zur internationalen Raumstation erlebt hat, steht jedenfalls fest: Die bemannte Raumfahrt hat eine Zukunft, aber nur eine gemeinsame. "Ich hoffe, dass sich diese Kooperation in Zukunft noch weiter ausweitet."

Möglicherweise geht die Reise mit der nächsten Generation der Raumfähren dann auch irgendwann in Regionen jenseits der Erdumlaufbahn.