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Internationale Kritik am Minarettverbot

1. Dezember 2009

Das schweizer Minarettverbot wird international scharf kritisiert. Der türkische Premier Erdogan sieht darin ein Zeichen für rassistische Tendenzen in Europa. Derweil erwägt man in Italien ein ähnliches Plebiszit.

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Minarett der Mahmud Moschee in Zürich in der Schweiz (Foto: AP)
Künftig verboten: Minarette in der SchweizBild: AP

Es geht um weit mehr als um Baubestimmungen für islamische Moscheen, zu denen Minarette, die schlanken Türme, ebenso gehören wie der Kirchturm zum christlichen Gotteshaus. Mit dem Schweizer Neubau-Verbot von Minaretten wurde die Tür aufgestoßen zu einer internationalen Debatte um die Beziehungen zwischen Europa und dem Islam. Welche Sensibilität das Thema besitzt, zeigt die Welle der Empörung, die auch am Dienstag (01.12.2009) wieder, zwei Tage nach dem Volksentscheid vom Sonntag über die Schweiz schwappt.

Ein Muslim ließt im Koran (Foto: dpa)
Eingriff in die Religionsfreiheit? Das Minarettverbot polarisiertBild: picture-alliance/ dpa

Als "eindeutig diskriminierend" sieht die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay, das Bauverbot für Minarette in der Schweiz. Nach ihrer Auffassung verstoße der neue Artikel in der Schweizer Verfassung möglicherweise gegen internationale Menschenrechtsverpflichtungen. Auch die UN-Sonderberichterstatterin für Religions- und Glaubensfreiheit, Asma Jahangir, kritisierte den Entscheid als eine Beschneidung des Rechts auf Religionsfreiheit. "Diese Abstimmung erinnert uns daran, dass kein Land gegenüber religiöser Intoleranz immun ist."

Minarettverbot als Zeichen einer "rassistischen Haltung in Europa"

Noch schärfer im Ton waren die Reaktionen aus der arabischen Welt. So deutet der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan das Minarettverbot gar als Zeichen einer "zunehmenden rassistischen und faschistischen Haltung in Europa". Die dadurch ausgedrückte Islamophobie sei wie der Antisemitismus ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, sagte Erdogan vor der Parlamentsfraktion seiner Regierungspartei AKP in Ankara. Er forderte von der Schweiz eine Korrektur des Minarett-Verbots.

Anti-Minarett-Plakate der Partei SVP/UDC (Foto: AP)
Die Islamkritiker in der Schweiz waren mit ihrer Kampagne erfolgreichBild: AP

Das türkische Außenministerium erklärte, die mehr als 100.000 in der Schweiz lebenden türkischen Staatsbürger seien wegen des Ausgangs des Referendums besorgt.

Auch in Pakistan äußerte die Regierung die Hoffnung, dass der Volksentscheid der Schweizer revidiert werde. Außenminister Shah Mahmood Qureshi erklärte, der Entscheid trage sicherlich nicht zur Förderung von glaubensüberschreitender Harmonie und Toleranz bei.

Volksentscheid wird für die Schweiz zum Sicherheitsproblem

Nachdem sich die Schweizer Politik vom klaren "Ja" der Bevölkerung zum Minarettverbot zunächst geschockt zeigte, bemühen sich Regierungsvertreter nun um internationale Schadensbegrenzung. Die Schweizer Außenministerin Micheline Calmy-Rey äußerte ihre Betroffenheit über den Volksentscheid zum Verbot der Moscheetürme. Beim OSZE-Außenministerrat in Athen warnte die Ministerin vor der Ausgrenzung anderer Religionen oder Kulturen. Gleichzeitg sieht sie durch das Plebiszit auch die Sicherheit ihres Landes in Gefahr. Calmy-Rey sagte, es bestehe die Gefahr, dass "die Provokation andere Provokationen" nach sich ziehe und "Extremismus" schüre.

Italiens Innenminister Roberto Maroni (Foto: AP)
Italiens Innenminister Roberto Maroni will ebenfalls ein Plebiszit zu MinarettenBild: AP

Ungeachtet der internationalen Kritik erwägt die italienische Regierung offenbar eine ähnliche Volksabstimmung wie in der Schweiz. Italiens Innenminister Roberto Maroni hat nach eigener Aussage "keine Einwände" gegen ein Referendum über den Bau neuer Minarette auch in Italien. Die Volksabstimmung sei ein wesentliches Instrument der Souveränität unserer Bürger, erklärte Maroni, der derr rechtskonservativen und ausländerfeindlichen Lega Nord angehört. "Zu den ungelösten Problemen des Islams gehört die enge Verbindung zwischen Religion und Politik, wodurch religiöse Symbole auch politische Bedeutung erhalten", sagte der Innenminister.

In den Niederlanden sind dagegen Bestrebungen für ein Minarettverbot vorerst gescheitert. Das niederländische Parlament hat mit großer Mehrheit einen entsprechenden Antrag der calvinistischen Partei SGP zurückgewiesen. Die Partei wollte damit nach eigener Aussage "den Gefühlen von Verfremdung und Unbehagen bei vielen Niederländern entgegenkommen".

Autor: Joscha Weber (dpa, afp, kna)
Redaktion: Ursula Kissel