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Internationale Pressestimmen der vergangenen Woche

zusammengestellt von Annamaria Sigrist22. Januar 2005

Zweite Amtszeit von US-Präsident George W. Bush/ Airbus A380

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Die zweite Amtszeit von US-Präsident George W. Bush, insbesondere sein künftiges Verhältnis zu den europäischen Bündnispartnern, beherrscht die Kommentare der internationalen Presse in dieser Woche. Außerdem setzen sich die Leitartikler mit der Vorstellung des neuen Airbus A380 in Toulouse auseinander.

Zur Vereidigung des amerikanischen Präsidenten George W. Bush schrieb die britische Zeitung THE INDEPENDENT aus London:

"Vor vier Jahren, ja, noch vor vier Monaten hätten nur wenige George W. Bush große Chancen eingeräumt, vor dem Kapitol für eine zweite Amtszeit vereidigt zu werden. Der Preis seines Sieges ist jedoch, dass er sich noch im Amt mit den Folgen seiner früheren Fehlentscheidungen auseinandersetzen muss. Der fatale Irak-Krieg und das immer größere Haushaltsdefizit werden ihn dabei besonders stark verfolgen. Wenn die Notwendigkeit, diese kostspieligen Fehler wiedergutzumachen, dazu führt, dass die US-Regierung etwas mehr Rücksicht auf ihre europäischen Verbündeten nimmt, dann besteht vielleicht die Chance, dass die transatlantische Partnerschaft in den nächsten vier Jahren wiederbelebt wird."

Das Pariser Wirtschaftsblatt LES ECHOS fragte, ob sich Bushs Verhältnis zu den Alliierten verändern wird:

"Nein, George W. Bush hat sich nicht wirklich geändert. Aber er wird neue Kleider anziehen, um jene Ziele besser erreichen zu können, die er während seines ersten Mandats nicht geschafft hat. Und damit hat er in den USA und auf dem internationalen Parkett eine Mischung aus Sorge und Hoffnung hervorgerufen. (...) Wird Bush II sich versöhnlicher gegenüber seinen Alliierten zeigen, nachdem er (...) die Grenzen seiner unilateralen Aktion im Irak erkannt hat? Das ist alles andere als sicher."

Die ungarische Zeitung NEPSZABADSAG aus Budapest konstatierte:

"Wer ihn, Bush, mystifiziert, täte besser daran, ihn ein wenig sachlicher zu betrachten. 'W.' wird weitere vier Jahre lang amerikanischer Präsident sein, und was er zu Grunde richtet, richtet er irgendwo auch zu unseren Lasten zu Grunde. Schon aus Eigennutz haben wir Interesse daran, ihm die Daumen zu drücken. (...) Man muss klar sehen: Amerika ist für Europa nicht mehr das Anhängsel, der Fortsatz, nicht mehr der opferbereite Helfer und nicht der Schiedsrichter, der Krisen löst, sondern sein Partner, wenn Europa bereit und fähig ist ein Partner zu sein. (...) Wenn Bush dazu von uns eine Chance bekommt, geben wir uns auch eine."

Die niederländische Zeitung DE VOLKSKRANT aus Den Haag griff Bushs Ankündigung auf, sich künftig mehr mit den Verbündeten beraten zu wollen:

"Das sind ermutigende Töne. Die erste Amtszeit von George W. Bush war gekennzeichnet von einem großen Maß an Desinteresse für die Auffassungen der Verbündeten und die Grenzen der internationalen Rechtsordnung. (...) Inzwischen ist es die Frage, ob die amerikanische Charmeoffensive in Richtung der Bündnispartner einher geht mit einer größeren Bereitschaft, auch die Politik in bestimmten Punkten zu verändern. Denn wenn mehr Beratung nur bedeutet, dass Washington sich besonders anstrengt, einen bereits vorgezeichneten Kurs zu erklären und zu begründen, dann geht es nicht so sehr um Konsultation wie um eine bessere Werbung. Die einzige Veränderung wäre dann, dass die Welt einem Unilaterismus mit einem freundlicherem Gesicht ausgesetzt wird."

Die österreichische DIE PRESSE aus Wien kommentierte Bushs Außenpolitik folgendermaßen:

"Ihre Entscheidungen wird die einzig verbliebene Supermacht weiterhin alleine treffen, ohne sich von Friedensfürsten aus Paris und Berlin dreinreden zu lassen. In den Genuss einer allmorgendlichen Videokonferenz mit Bush werden Chirac und Schröder auch in Zukunft nicht kommen. Vielleicht wird der transatlantische Ton sanfter, die Melodie aber wird sich kaum ändern. Denn sie ist nach den Gesetzen der Macht komponiert. Und das Kräfteverhältnis wird sich, schon allein wegen der militärischen Überlegenheit der USA, in absehbarer Zeit kaum zu Gunsten Europas verschieben."

Auch die französische Zeitung LE FIGARO aus Paris blieb skeptisch:

"Alle überbieten sich mit der Bekundung guter Absichten, doch man darf sich keinen Illusionen hingeben. George W. Bush wird zu Beginn seines zweiten Mandates seine Politik nicht ändern. In seinen Augen hat seine spektakuläre Wiederwahl sein Vorgehen sogar bestätigt, so unbeliebt es im Ausland auch sein möge. Bush II wird die Fortsetzung von Bush I sein - mit etwas mehr Bemühungen um Public Relations. Wenn der US-Präsident den Ton dämpft, wenn er sich konzilianter gibt und die Zustimmung seiner Amtskollegen sucht, dann wegen seiner Probleme im Irak."

Die dänische Zeitung POLITIKEN aus Kopenhagen ging auch auf die Iran-Politik der USA ein:

"Derzeit kommen zweideutige Signale aus den USA. Bei der Anhörung im Senat unterstrich die kommende Außenministerin Condoleezza Rice die Bedeutung der Diplomatie. (...) Ein paar Tage vorher betonte ihr Chef George W. Bush dagegen, dass er die Möglichkeit eines militärischen Eingreifens gegen den Iran nicht ausschließen will, wo nach Meinung der USA vielleicht Atomwaffen produziert werden. (...) Es gibt allen nur erdenklichen Grund, die diplomatischen Bestrebungen mit Deutschland, Frankreich und Großbritannien an der Spitze fortzusetzen. Das Ziel muss ein volles und nicht nur ein begrenztes Zugangsrecht von UN-Inspekteuren zu iranischen Atomanlagen sein. Wenn die USA es ernst meinen mit mehr Diplomatie unter Condoleezza Rice als Außenministerin, sollten sie sich hinter die europäischen Bemühungen stellen und aufhören, auf die Kriegstrommel zu schlagen. Letzteres gibt den Mullahs nur eine zusätzliche Entschuldigung, sich politischen Verhandlungen mit Europa zu entziehen."

Einige Zeitungen kommentierten die Vorstellung des neuen Airbus A380 vergangene Woche, dem größten Passagierflugzeug der Welt. Bei der Veranstaltung in Toulouse nahmen unter anderem Bundeskanzler Gerhard Schröder, Frankreichs Präsident Jacques Chirac und die Regierungschefs von Großbritannien und Spanien, Tony Blair und Jose Luis Rodriguez Zapatero, teil.

So schrieb die spanische Zeitung EL PERIÓDICO aus Barcelona:

"Das europäische Airbus-Konsortium hat sich im Wettbewerb bewährt und sich bei den Großraumflugzeugen gegen den US-Konkurrenten Boeing durchgesetzt. Der Bau des neuen Airbus A380 beweist, dass die Ziele der Europäischen Union nicht bei der Schaffung des Euro aufhören. Auf dem Gebiet der Technologie wurde ausprobiert, ob eine Zusammenarbeit auf höchstem Niveau möglich ist. Der neue Airbus ist nur das erste Ergebnis. Es werden noch weitere folgen. Diese Linie sollte unbedingt beibehalten werden."

Abschließend meinte die in Paris erscheinende LIBÉRATION:

"Man muss sich immer vor Superlativen hüten. Frankreich weiß dies, hatte es doch einst das schönste, kühnste und modernste Flugzeug der Welt. Aber das hat aus der Concorde nie einen kommerziellen Erfolg gemacht. Toulouse feierte das 'größte Flugzeug der Welt' - als ob feststünde, dass big auch beautiful ist. Mit einer 'Show à l'américaine' wie sich das für ein pausbäckiges Baby gehört, das der Neuen Welt die Zunge rausstrecken soll. (...) Wenn die Wette des A380 aufgeht, was noch nicht sicher ist, wird dies das europäische Unternehmen lange Zeit weltweit an die Spitze der Luftfahrtindustrie bringen. (...) Unter diesen Umständen versteht man, dass sich drei Regierungschefs und ein Präsident in das Departement Haute-Garonne begeben, um sich mit ihrer Kooperation zu schmücken."