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Internationale Pressestimmen der vergangenen Woche

Ulrike Quast26. Februar 2005

US-Präsident Bush in Europa

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Die Kommentare und Analysen der internationalen Presse stehen in dieser Woche ganz im Zeichen der Europareise des amerikanischen Präsidenten George W. Bush.

So schreibt die französische Zeitung FIGARO zum Besuch des US-Präsidenten in Brüssel:

"Es ist gut, dass Bush die erste Reise seiner zweiten Amtszeit dazu verwendet, die Wunden der transatlantischen Allianz zu verbinden. Der US-Präsident hat einen sehr guten Anfang gemacht. Offenkundig voller guter Absichten, will er von nun an 'ein starkes Europa', und er schwört, dass er mit diesem Europa zusammenarbeiten will - in ungefähr allen Fragen. Wenn man diese goldenen Worte hört, fragt man sich beinahe, was es denn für 'vorübergehende Uneinigkeiten' gewesen sind, die nun dazu führen, dass seine neuen Erklärungen wie ein Theaterstück wirken. Übertreibt Bush nicht ein bisschen - wie ein Kind, das merkt, dass es sein Lieblingsspielzeug kaputt gemacht hat? ... Braucht er aber Europa wirklich? Dies ist alles anderes als sicher - trotz seiner wiederholten Beteuerungen."

Die römische Zeitung IL MESSAGERO meint zum neuen europäisch- amerikanischen Verhältnis:

"Aber es mangelt Europa an der Fähigkeit, eigene politische Initiativen zu einem strategischen Entwurf zusammenzufügen und diesen gemeinsam mit Washington zu fördern, und dies auf weniger zufällige Art und Weise. Es fehlt auch noch ein Bezugspunkt der europäischen Außenpolitik, ein europäischer Außenminister, den die Verfassung ja verspricht. (...) Die Flitterwochen in den europäisch-amerikanischen Beziehungen werden in der Tat nicht lange dauern, wenn die Europäer es nicht verstehen, die Gelegenheit zu nutzen und die Sache in die Hand nehmen, um zur Lösung der großen internationalen Probleme gemeinsam mit den USA beizutragen. Und nicht nur zu warten, dass sich nur Washington ändert, sondern sich selbst zu ändern sowie die Art und Weise, wie sie mit den USA einen Dialog führen."

Auch der Zürcher TAGES-ANZEIGER zieht eine Bilanz des Bush-Besuchs:

"Echte Vergangenheitsbewältigung war am Versöhnungsgipfel in Brüssel nicht angesagt. Dem Konsens zuliebe wurde nicht ergründet, weshalb sich die USA und das 'alte Europa' im Fall des Irak so heillos zerstritten hatten. Doch darüber hätten die Staatschefs reden sollen, zumal wegen anderer Dossiers wie etwa das Atomprogramm Irans oder Waffenlieferungen der EU an China der transatlantische Graben rasch wieder aufbrechen könnte."

Die TIROLER TAGESZEITUNG aus Österreich meint, die US-Reisediplomatie bringt keine Kurskorrektur:

"Im Atmosphärischen ergibt sich im Zeichen neuer Freundlichkeit zweifellos ein Wandel. Und der ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass der nächste Disput nicht wieder bis zur letzten Härte ausgereizt wird. Eine echte Kurskorrektur hat nämlich noch keine Seite vorgenommen. Rasche militärische Erfolge erscheinen dem Herrn im Weißen Haus weiter verlockend. In Europa empfindet man langen Atem unverändert als notwendig, zumal die Bestrafung Schuldiger nicht automatisch die Lösung des Problems ist."

Eine weitere Stimme aus Österreich. DER STANDARD aus Wien:

"Es war die Besserwisserei, die in den vergangenen vier Jahren das transatlantische Klima vergiftet hat, und es ist die wachsende Ratlosigkeit, die nun einen neuen Dialog erzwingt. Bush muss mit Chirac und Schröder nicht in allem übereinstimmen, aber es ist schon viel dadurch gewonnen, wenn sie einander bloß zuhören. Noch schöner wäre es, wenn sich die unterschiedlichen Positionen konstruktiv ergänzen würden. So können US-Drohungen gegen Teheran der europäischen Diplomatie mehr Biss verleihen. Das Ende des EU-Waffenembargos muss nicht als Kapitulation, sondern könnte als Testlauf für die zukünftige China-Politik gewertet werden. Die Bush-Reise zeigt, dass noch viel Leben in der westlichen Allianz steckt. Auch in früheren Jahren gab es harte Konflikte, die aber aus Rücksicht auf gemeinsame Interessen stets wieder beigelegt wurden. Diese Reparaturmechanismen sind intakt."

Nach Einschätzung der französischen Zeitung LE MONDE bleibt der Graben zwischen Europa und den USA auch nach Bushs Besuch bestehen:

"Überall auf dieser Reise hat der US-Präsident seinen Gesprächspartnern sein Lächeln im Überfluss gezeigt. ... Damit konnte aber nicht verdeckt werden, dass die Meinungsunterschiede in den grundsätzlichen Fragen fortbestehen. Das gilt vor allem für den Mittleren Orient, Iran und die Rolle der NATO. Die Positionen haben sich auf beiden Seiten kaum bewegt. Was sich geändert hat, das ist der Ton, und das ist wichtig in der Diplomatie. Bush hat anerkannt, dass Europa - und nicht nur das von seinem Verteidigungsminister Donald Rumsfeld geschätzte 'neue Europa' - in der globalen Strategie der USA ein Trumpf sein kann."

Hingegen meint die dänische Tageszeitung INFORMATION aus Kopenhagen, Bush habe sich von der Politik der Alleingänge verabschiedet:

"Bei seiner Heimreise aus Europa hat Bush allgemein den Eindruck eines Präsidenten hinterlassen, der nun Zusammenarbeit mit Frankreich und Deutschland als seinen wichtigsten Partnern im kontinentalen Europa wünscht. Das ersetzt das Beleidigtsein über deren Kritik an seinen Alleingängen sowie den Versuch, beide Länder zu isolieren. Das Prinzip des Teilens und Herrschens scheint nun auf Eis gelegt zu sein zu Gunsten einer pragmatischen Linie, bei der die Partner von Fall zu Fall Möglichkeiten für eine Zusammenarbeit suchen. Willkommen in der wirklichen Welt, Herr Präsident! Einer Welt, in der die geschwächten USA zu Kompromissen gezwungen sind, ungeachtet des schalen Geschmacks, den dies hervorrufen könnte."

Zum Deutschland-Besuch von US-Präsident Bush schreibt die spanische Zeitung EL MUNDO:

"Bush und Schröder klammerten alle strittigen Fragen aus. Sie sprachen nicht über die NATO-Reform, den Irak-Konflikt, die Sanktionen gegen China, die Haltung zum Putin-Regime in Russland oder das Kyoto-Abkommen. Für eine Ehe, die sich in der Krise befindet, ist das keine schlechte Therapie. Auf Dauer lässt sich diese Strategie jedoch nicht fortführen. Niemand verlangt, dass beide Seiten eine 'echte Liebe' füreinander empfinden. Es reicht aus, wenn sie auf der Grundlage gemeinsamer Interessen ihren Bund als Vernunftehe aufrechterhalten."

Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG kommentiert:

"Berlin pocht darauf, von Amerika als ebenbürtig anerkannt zu werden. Gleich mehrfach sagte Schröder in einer Tischrede in Mainz: 'Wir sind gleichberechtigte Freunde, Partner und Verbündete.' Dass die Bundesrepublik besonders in militärischer Hinsicht nichts vorzuweisen hat, was diesen Ambitionen entspräche, will man nicht wahr haben. Wenn die Bundesregierung über die Bedeutung ihres Ausbildungsprogramms für irakische Sicherheitsleute in den Vereinigten Arabischen Emiraten spricht, klingt dies, als habe man mehrere Brigaden im Irak stationiert. In der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt beteuerten beide Seiten, dass die Auseinandersetzungen um den Irak keine dauerhaften Verletzungen hinterlassen hätten. Wie sehr das Zerwürfnis das Klima verändert hat, spürt man in Berlin jedoch immer wieder."

Abschließend ein Blick in die Londoner Zeitung THE TIMES:

"Es war weder ein romantisches Rendezvous noch ein Krach. Bush und Schröder fanden während des neunstündigen Besuchs des Präsidenten in Deutschland einen dritten Weg: Sie einigten sich darauf, in Freundschaft unterschiedlicher Meinung zu sein - und wenn möglich hinter verschlossenen Türen darüber zu sprechen."