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Internationale Pressestimmen der vergangenen Woche

Beatrice Hyder12. März 2005

Maschadows Tod und die Folgen

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Beherrschendes Thema in der ausländischen Presse diese Woche war die Tötung des früheren tschetschenischen Präsidenten Aslan Maschadow durch russische Spezialeinheiten. Einhellige Meinung auch in den russischen Blättern: Russland hat sich damit einen Bärendienst erwiesen.

Die SALZBURGER NACHRICHTEN heben die Bedeutung Maschadows hervor:

"Maschadows Unersetzlichkeit beruhte auf seiner Karriere: Er war der erste und einzige wirklich frei gewählte Präsident des tschetschenischen Volkes. Während eine ganze Reihe von Moskauer Marionettenpolitikern die Politik in und um Grosny verwaltete, bewahrten ihn die meisten kaukasischen Familien im Herzen treu als die wahre Führer- und Vertrauensfigur. Nicht der gegenwärtige Vollstrecker für Putin, nicht ein hinter den Kulissen radikal herrschender Clan und schon gar nicht Topterrorist Schamil Bassajew kann diese Rolle von Maschadow ausfüllen. Sein Tod hat eine Lücke gerissen, die ein extrem gefährliches Machtvakuum im weiteren Bürgerkrieg hinterlässt."

Die WASHINGTON POST vergleicht die Situation mit der des südafrikanischen Apartheid-Regimes in den 80er Jahren und der Person Nelson Mandelas. Das Blatt schreibt:

"Das südafrikanische Regime wusste, dass wenn es Mandela und dessen Verbündete nicht an einer demokratischen Lösung beteiligen würde, wäre es später gezwungen, mit einer jüngeren, gewalttätigeren und radikaleren Generation von Aktivisten fertig zu werden. Und dies ist das Szenario, das sich jetzt in Tschetschenien abspielt. (..) Der wahrscheinliche Nachfolger als Führer der Tschetschenen ist Schamil Bassajew, der Terrorist, der hinter dem mörderischen Angriff auf die Schule in Beslan steckt. Der Tod von Maschadow verbaut in nächster Zukunft wahrscheinlich jede Chance auf ein diplomatisches Ende des Krieges in Tschetschenien."

Die NEUE ZÜRICHER ZEITUNG fragt, warum nicht gerade Beslan zu einem Überdenken der bisherigen Strategie gegen die Rebellen führte und fährt fort:

"Ist es sinnvoll, alle Rebellen in den gleichen Topf zu werfen und jeden Dialog mit Untergrundführern vom Schlage eines Maschadow abzulehnen, der sich von den Terroranschlägen in Moskau und Beslan distanziert hatte ? Der Nordirland-Konflikt zeigt, dass neben legitimen militärischen Machtmitteln auch geduldige Verhandlungen und wirtschaftliche Anreize notwendig sind, um derart komplexe, mit schweren historischen Hypotheken belastete Konfrontationen zu entschärfen. (..) Spätestens beim nächsten großen Terroranschlag in Russland könnte sich herausstellen, dass Putins Erfolg gegen Maschadow - wie einst der Sieg des griechischen Königs Pyrrhus gegen die Römer - nur ein Scheinsieg war."

Auch die polnische Zeitung RZECZPOSPOLITA sieht pessimistisch in die Zukunft:

"Nach dem Tod Maschadows haben die Tschetschenen keine große Wahl - hauptsächlich die zwischen verrückten Anführern wie Bassajew und den Tschetschenen, die auf die Seite des Feindes übergelaufen sind. Wenn nicht ein würdiger Nachfolger Maschadows gefunden wird, und der Kreml will das, dann werden wir viele Jahre lang von weiteren blutigen Kriegen in Tschetschenien hören, immer grausamer und sinnloser."

Ähnlich äußert sich die bulgarische Zeitung SEGA:

"Die möglichen Kandidaten für die Nachfolge Maschadows (..) entstammen einer neuen Generation von Tschetschenen, die in Kriegsbedingungen aufgewachsen sind, kein Wort Russisch sprechen und nur kämpfen können. Dies ist eine Vorbedingung für eine weitere Verschärfung des Konflikts."

Die spanische EL MUNDO geht mit Präsident Wladimir Putin hart ins Gericht:

"Der tschetschenische Separatist Aslan Maschadow wurde von der russischen Armee ermordet. Damit zeigt Russlands Präsident Wladimir Putin dem Rest der Welt ein weiteres Mal, dass sein Machtverständnis mit den elementarsten Regeln einer Demokratie nichts zu tun hat. Er scheint darauf aus zu sein, sich Tschetschenien als Hinterhof zu bewahren, in dem er dem übrigen Russland seine Macht beweisen kann. Putin profitiert dabei von der Indifferenz, mit der der Westen auf die Verletzungen der Menschenrechte im Kaukasus reagiert. Er tut so, als sei dies eine innere Angelegenheit Russlands im Kampf gegen den Terror. Das Problem liegt jedoch darin, dass man mit Morden wie dem an Maschadow den Terrorismus nicht bekämpft, sondern fördert."

Auch die österreichische Zeitung KURIER macht die Europäer für das russische Vorgehen mit verantwortlich:

"Die Weltöffentlichkeit (..) schaut weg. Beim Gipfeltreffen Bush - Putin Mitte Februar in Pressburg (Bratislava) fiel über den Krieg im Kaukasus kein Wort. Der deutsche Kanzler (Gerhard) Schröder sieht in Putin einen Demokraten. Die Vorschläge von Experten, wenigstens beim wirtschaftlichen Wiederaufbau in der Kriegsregion zu helfen, finden in der EU keinen Widerhall. Auf eine Stabilisierung des Nordkaukasus - der im Übrigen ein Teil Europas ist - darf nicht gehofft werden. Er bleibt eine Gefahr, nicht nur für den Kreml."

Die INTERNATIONAL HERALD TRIBUNE sieht Putin jetzt in Zugzwang:

"Der sehr bedauerliche Tötung des Tschetschenenführers Aslan Maschadow durch die russische Armee bedeutet, dass der Kreml jetzt nicht mehr länger ein Alibi für sein Versagen beim Aufbau eines demokratischen Prozesses in Tschetschenien hat. Moskau hat öffentlich immer behauptet, dass Maschadow ein Terrorist sei, mit dem man nicht verhandeln könne. Nun ist er tot, und es ist nun an der russischen Führung zu beweisen, dass sie an einem legitimen politischen Prozess in Tschetschenien interessiert ist."

Auch russische Zeitungen kritisieren die von Putin als 'Liquidierung' bezeichnete Tötung Maschadows und befassen sich mit der möglichen Nachfolge.

Die GASETA sieht im Gegensatz zum Kreml in Maschadow keinen Terroristen. Die Zeitung schreibt:

"Aslan Maschadow hat seine wichtigste Aufgabe nicht erfüllen können. Er schaffte es nicht, Frieden nach Tschetschenien zu bringen. Die Rebellen haben nun keinen gewählten Anführer mehr. Der Kampf um die Nachfolge Maschadows könnte die tschetschenischen Clans, die Terroristen unterstützen, in einen blutigen inneren Konflikt ziehen. Als wahrscheinlicher Nachfolger Maschadows gilt derzeit der Feldkommandeur Doku Umarow. Der hatte zu seiner Zeit Maschadow angedroht, ihn zu erschießen, sollte Maschadow es wagen, Verhandlungen mit den 'ungläubigen' Russen aufzunehmen."

Auch die Zeitung KOMMERSANT meint, dass mit neuen Tschetschenen- Führern noch mehr Terror komme:

"Es sind nur noch zwei einflussreiche Separatisten-Anführer in Tschetschenien geblieben, Schamil Bassajew und Doku Umarow. Bassajew ist kein Mitglied der tschetschenischen Untergrund-Regierung. Deshalb könnte die Führung an Umarow übergehen, der unter Maschadow das 'Ministerium für innere Sicherheit' leitete. Während Maschadow noch für Friedensgespräche mit Moskau warb, sind die beiden anderen Feldkommandeure aus einem anderen Holz geschnitzt. Bassajew und Umarow sind für ihre unversöhnliche Haltung und ihre Aggressivität gegenüber den Russen bekannt. Kommt einer von den beiden an die Macht, wird sich der Terror nur noch verstärken."

Abschließend noch die MOSKOWSKIJE NOWOSTI. Sie bedauert, dass Putin nicht dem Rat Eisenhowers gefolgt ist:

"In der Kuba-Krise hat der Legende nach ein Ratschlag von Dwight Eisenhower an Präsident Kennedy die Welt vor dem Atomkrieg gerettet: 'John, wenn du in militärischen Fragen entscheidest, hör nicht auf die Militärs!' Der russische Präsident macht es genau andersrum."