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Internationale Pressestimmen der vergangenen Woche

Reinhard Kleber9. April 2005

Beisetzung des Papstes / Mangel an Einigkeit in der EU / Regionalwahlen in Italien

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Die Beisetzung des Papstes ist in dieser Woche ein zentrales Thema der Kommentare der internationalen Presse. Die Leitartikler befassen sich außerdem mit den Anzeichen für eine Identitätskrise der Europäischen Union und dem Ergebnis der Regionalwahlen in Italien.

Zunächst zum Tod von Johannes Paul dem Zweiten. Der KURIER aus Wien schreibt dazu:

"Bleiben wird von diesem Papst, dass er mithalf, den Kommunismus zu besiegen, dass er einen Brückenschlag zur jüdischen, der islamischen und der orthodoxen Kirche wenigstens versuchte, dass er sich glaubwürdig und sehr politisch gegen Krieg, gegen menschengemachte Armut und Wildwuchs-Kapitalismus einsetzte. Dass er dem Vatikan ein bisschen von seiner Geheimniskrämerei nahm und dass er uns alle mit seiner Gebrechlichkeit nicht verschonte - in einer Zeit, die den nicht Produktiven keinen Platz in der Gesellschaft einräumen und das Sterben am liebsten ganz ausblenden will."

Die französische Zeitung LE FIGARO zieht einen Vergleich zu anderen Religionen:

"Johannes Paul II. hat in seinem langen Pontifikat die Tatsache verkörpert, dass man mit der Macht der Worte die Welt regieren kann. In dieser materialistisch und individualistisch genannten Epoche hat das Nachdenken noch seinen Platz und auch die Spiritualität ist immer noch eine Waffe für Eroberungsfeldzüge. Dieser heilsame Grundsatz ist jedoch keineswegs auf die katholische und christliche Welt beschränkt: In der religiös geprägten Zeit zu Beginn des 21. Jahrhunderts wenden auch andere Religionen, vor allem der Islam, diese Erkenntnis mit einem gewissen Erfolg an. Es wäre das Falscheste, das zu übersehen."

In der BASLER ZEITUNG lesen wir:

"Dieser Papst ist gestorben, wie er gelebt hat: als begnadeter Missionar seines Glaubens und als Engel der Medien. Da blieb keine Seele ungerührt. Doch was bleibt nach diesem Wunder von Rom? (...) Denn die katholische Kirche, außenpolitisch in Hochform, hat innenpolitisch einen beachtlichen Reformstau. Erst wenn sie diesen Widerspruch auflöst, erstrahlt nach dem äußeren auch ein innerer Glanz. Erst wenn sie sich erneuert und demokratisiert, bewegt sie nach Bildern und Pilgern auch all die Menschen, die suchen und warten und hoffen - auf ein wahres Wunder in Rom."

Kritischer äußert sich die Zeitung LIBERATION aus Paris:

"Johannes Paul II. hat Verhütung, Abtreibung, Sterbehilfe, Homosexualität und die Emanzipation der Frauen abgelehnt und daraus ein neues Dogma gemacht, das der Vatikan dann mit einer intensiven diplomatischen Tätigkeit gefördert hat. Seine Verteidigung der patriarchalischen Familie und des 'heiligen' Lebens begründete einen neuen ökumenischen und konservativen Kreuzzug. Man kann nur hoffen, dass sein Nachfolger mit ebenso viel Energie und Charisma einer weniger rückwärts gewandten und weniger dogmatischen Vision dienen wird."

Soweit die Pressestimmen zum Papst. Die französische Zeitung LE MONDE bewertet die Senkung der Konjunkturprognose durch die EU-Kommission als Zeichen für mangelnde Einigkeit in der Union und rät:

"Es stellt sich die Frage nach der Wirtschafts- und Sozialpolitik in Frankreich, Deutschland und Italien. Die schlechten Ergebnisse dieser Länder stehen im Kontrast zur Kraft Großbritanniens, der baltischen und skandinavischen Länder. Es ist an der Zeit, dass die 'Großen' von den 'Kleinen' Lehren annehmen. Im Klartext: Dass sie die Strukturreformen beschleunigen, um die Wachstumspotenziale ihrer Wirtschaften zu verbessern."

Dagegen betont das französische Blatt RÉPUBLICAIN LORRAIN ein anderes Krisenzeichen: den Streit um die EU-Verfassung:

"Der Verfassungstext ist das Ergebnis einer Initiative, die unser Staatschef bei einem Besuch in Berlin angeregt hatte, und auch sein Inhalt ist in den Augen unserer Partner sehr stark von Frankreich beeinflusst. Daher haben sie einige Schwierigkeiten damit, eine Logik zu verstehen, die uns heute dazu führt, diesen Vertrag abzulehnen, nachdem wir zuvor alles darangesetzt haben, ihn in den anderen EU-Staaten durchzusetzen. Die Befürworter des 'Ja' haben jedenfalls keinen Grund zur Euphorie. Neun Umfragen in Folge ergaben eine Mehrheit für das 'Nein'."

Die INTERNATIONAL HERALD TRIBUNE aus Paris meint zum Zustand der EU:

"Die EU-Erweiterung auf 25 Nationen war prädestiniert, eine Krise herbeizuführen. Dabei könnten tatsächliche oder potenzielle Kandidaten, die nicht alle nach jedem Maßstab Europäer sind, die Zahl der Mitglieder zumindest in einer denkbaren Variante auf 35 erhöhen. Diese Krise ist nun da. Es ist aber besser, dass sie jetzt, am Anfang des Verfahrens zur Ratifizierung der Verfassung, eingetreten ist, und nicht erst später. Sie hat die politischen und organisatorischen Komplikationen einer ausgewogenen Nachgiebigkeit der Souveränitäten zur Folge, ihre Wurzeln liegen aber in der kulturellen und sogar moralischen Identität und Loyalität von Millionen Individuen."

Und nun zu den Regionalwahlen in Italien. Die spanische Zeitung EL PERIÓDICO DE CATALUNYA fragt nach den Ursachen für die Niederlage des Regierungslagers:

"Der Ausgang der Regionalwahlen deutet auf einen möglichen Machtwechsel in Italien hin. Das konservative Lager von Ministerpräsident Silvio Berlusconi hat die Lektion der Wahlen 2000 nicht gelernt. Damals präsentierten die Linken sich bei den Regionalwahlen uneinig und zerstritten und verloren anschließend die Macht in Rom. Diesmal war es Berlusconi, der es versäumt hatte, seine Alliierten bei der Stange zu halten. Noch wichtiger ist, dass die klassischen Wähler des Mitte-Rechts-Lagers - Unternehmer, Kaufleute, Freiberufliche - frustriert sind. Sie verlangen eine effektivere Wirtschaftspolitik."

Das italienische Blatt CORRIERE DELLA SERA sieht im Wahlergebnis vor allem eine persönliche Niederlage Berlusconis:

"Es wird sich noch Zeit finden, diese Katastrophe gründlich zu analysieren .... Aber schon jetzt ist völlig klar, dass die Niederlage (eine derart niederschmetternde Niederlage, dass sie sich nicht beschönigen oder kleinreden lässt) innerhalb der Regierungsmehrheit eine Krise auslösen wird. Und das Epizentrum dieser Krise wird die Partei Forza Italia sein, diese Partei, die eigentlich keine Partei ist, die ganz nach dem Willen und nach dem Vorbild Silvio Berlusconis geschaffen wurde."

Berlusconis Lack ist ab, meint auch der TAGES-ANZEIGER aus Zürich und führt aus:

"Eine Ohrfeige? Nein, das Ergebnis der Regionalwahlen ist mehr. Es ist das Ende eines Mythos, das Misstrauensvotum eines desillusionierten Volkes. Berlusconi hatte viel versprochen und - wie zu erwarten gewesen war - fast nichts gehalten. (...) Kommt es zur Palastrevolution? Der Kronprinz der Linken hingegen, der ist nun gekürt: Romano Prodi, der Rückkehrer aus Brüssel. Er soll in seiner Schublade einen Entwurf für sein Regierungsprogramm für 2006 liegen haben. Man hört, es trage den Titel 'Wiederaufbau'. Italien hätte ihn verdient."