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Internationale Pressestimmen der vergangenen Woche

Eleonore Uhlich 30. April 2005

Außenminister Fischer vor Untersuchungsausschuss / Debatte um EU-Verfassung und Airbus A380

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Im Blickpunkt der Auslandspresse stehen die Anhörung Bundesaußenminister Joschka Fischers vor dem Visa-Ausschuss sowie die Debatte um die Ratifizierung der europäischen Verfassung.

Zum Auftritt von Außenminister Joschka Fischer vor dem Visa- Untersuchungsausschuss schreibt die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG:

"Der Auftritt des deutschen Außenministers Fischer vor dem so genannten Visa-Ausschuss des Bundestages in Berlin hat wohl weitgehend dem entsprochen, was man hatte erwarten müssen: ein geschicktes, langatmiges Taktieren des Zeugen zwischen reuevoller Schuldzuweisung an sich selbst und frischen Attacken auf einzelne Mitglieder des geduldig zuhörenden Gremiums. ... Obwohl Fischer bei seinem Medienauftritt alles andere als überzeugend wirkte, war ihm der Ausschuss kaum gewachsen. Zu unerfahren waren die Mitglieder in außenpolitischen Fragen, zu zaghaft agierten sie im Bestreben, den wahren Grund für die Missstände im Auswärtigen Amt bloßzulegen. Es ist wohl abzusehen, dass die Arbeit des Ausschussses von jetzt an nicht mehr viel Aufmerksamkeit erregen wird", prophezeit die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG.

Der in Wien erscheinende STANDARD analysiert:

"Dass Fischer bleiben will und - so wie es im Moment aussieht - auch bleiben wird, hat weniger damit zu tun, dass keine gravierenden Fehler passiert sind. Der bis vor kurzem noch beliebteste deutsche Politiker ist in Schröders Kabinett unverzichtbar. Wenn er fällt, gerät die ganze Koalition ins Wanken und Schröder kann sich bei der nächsten Wahl die Fortsetzung eines rot-grünen Bündnisses abschminken. Deshalb sieht es im Moment so aus, als bleibe Fischers Fehlverhalten ohne Folgen. Und dennoch: Auch wenn Fischer die Befragung im Ausschuss aufrecht hinter sich gebracht hat, bleibt doch ein politischer Schaden", urteilt DER STANDARD aus Wien.

Die spanische Zeitung EL PAIS lenkt den Blick auf einen anderen Aspekt:

"Der Skandal hätte weniger Wellen geschlagen, wenn er nicht mit der hohen Arbeitslosigkeit in Deutschland zusammengefallen wäre. Nur die wenigsten Deutschen haben Verständnis dafür, dass Hunderttausende von illegalen Einwanderern, darunter notorische Gesetzesbrecher, Jobs bekommen in einem Land, in dem fünf Millionen Menschen ohne Arbeit sind. Fischer ist längst nicht mehr der leuchtende Stern am politischen Firmament. Der Kern des Skandal liegt jedoch anderswo. Die Grünen, die mächtigste Öko-Partei der Welt, sind nicht in der Lage einzusehen, dass eine Politik der offenen Grenzen verheerende Folgen haben kann, auch wenn noch so gute Absichten dahinter stecken."

Hierzu merkt der Londoner DAILY TELEGRAPH an:

"Einwanderung war immer schon ein heißes Eisen in Deutschland, ist jetzt aber besonders brisant, da die Arbeitslosigkeit auf dem höchsten Stand seit dem Krieg ist und osteuropäische Arbeiter wiederholt beschuldigt werden, den Deutschen die Arbeitsplätze egzunehmen."

Abschließend zu diesem Thema der ebenfalls in der Schweiz erscheinende TAGES-ANZEIGER:

"Fischers Strategie geht auf, denn was wiegt eine Informationspanne gegenüber den großen Aufgaben der Weltpolitik? Bleibt, dass Fischer am Montag seine Schuld umfassend eingestanden hat. Um seinen Rücktritt zu fordern, reicht das gleichwohl nicht. ... Die Regierung hofft darauf, dass die Öffentlichkeit nach dem stundenlangen Verhör Fischers bald das Interesse für das komplizierte Thema verliert. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Rechnung aufgeht, ist groß. Ein Risiko bleibt: Wenn in den nächsten Wochen Zeugen oder neue Dokumente auftauchen sollten, die Fischer einer Lüge überführten, würde es für den Minister noch mal gefährlich. Doch fürs Erste ging die Runde an Fischer", so das Fazit des TAGES-ANZEIGER.

Zur Debatte über die EU-Verfassung ein Jahr nach der Osterweiterung der Union stellt die niederländische Zeitung TROUW fest:

"Nach einem Jahr ist die Bilanz der Erweiterung positiv. Die größte Aufgabe für die 25 EU-Mitglieder ist es jetzt, den europäischen Integrationsprozess in Gang zu halten. Die Erweiterung vom vorigen Jahr lockt neue Beitrittskandidaten. Angst davor ist auch jetzt nicht am Platz, aber die Union muss vermeiden, dass sie sich so schnell ausdehnt, dass eine Vertiefung der europäischen Zusammenarbeit unmöglich wird. Es ist im Moment überhaupt nicht sicher, dass der neue EU-Vertrag, das 'Grundgesetz', in allen EU- Ländern gebilligt wird. Ein 'Nein' in einem oder mehr Mitgliedstaaten wird nicht so einfach zu reparieren sein."

LE MONDE aus Paris hält fest:

"Der Europäischen Union geht es eher schlecht, weil es in den meisten Mitgliedstaaten an einem wirklichen europäischen Willen mangelt. Ein negatives Votum in Frankreich würde diesen Trend noch beschleunigen. Und das ist genau das Ziel derer, die Europa in dieser Form ablehnen. Die Anhänger der EU-Verfassung sind zu Recht beunruhigt, wenn sie an das denken, was nach einer Ablehnung käme. Sie wären jedoch überzeugender, wenn sie auch erklärten, was sich mit der Verfassung für Europa ändern wird."

Vor diesem Hintergrund kommentiert die in Straßburg erscheinende Zeitung DERNIERES NOUVELLES D'ALSACE den Erstflug des Airbus A380:

"Wenn die Europäer Hand in Hand arbeiten und ihre Talente zusammenlegen können sie Großes leisten, dann sind sie fähig zu technologischen Innovationen und unbestreitbaren kommerziellen Erfolgen. (...) Das Airbus-Projekt ist der schlagende Beweis dafür, dass Europa eine von den Staaten ins Leben gerufene und von paneuropäischen Aktiengesellschaften (...) fortgesetzte Industriepolitik verfolgen kann. Ein Dementi des 'ultra-liberalen' Etiketts, das der EU und seiner Verfassung reichlich sorglos angehängt wird. Airbus ist alles andere als Liberalismus", unterstreichen die DERNIERES NOUVELLES D'ALSACE.

Das französische Blatt LIBERATION befindet:

"Man kann dem politischen Europa lediglich vorwerfen, nicht mehr Industriepolitik wie bei Airbus gemacht zu haben. Doch das Zögern und die Unzulänglichkeiten in dieser Sache entspringen oftmals mehr dem Willen der Staaten - allen voran Frankreichs -, ihre so genannten 'nationalen' Interessen (und ihren Stolz) zu wahren, als einer 'ultraliberalen' Ideologie Brüssels. Der Erfolg von Airbus verlangt danach, weiter in Richtung eines Europas zu gehen, für das die Verfassung die Grundlagen schafft."

Zum Abschluss dazu die BASLER ZEITUNG:

"Die europäische Kooperation funktioniert und sie hat Zukunft. Der Airbus-Konzern hat es mit dem erfolgreichen Erstflug des A380 bewiesen. Vielleicht hat der Test von Toulouse mehr zur europäischen Glaubwürdigkeit beigetragen als die ganze Kampagne für die Ratifizierung der EU-Verfassung, die in Frankreich einen Monat vor dem Abstimmungstermin bei einer Mehrheit noch immer Skepsis hervorruft."