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Internationale Pressestimmen der vergangenen Woche

Zusammengestellt von Michael Wehling13. August 2005

Beginn des Weltjugendtages in Köln // Atomstreit mit dem Iran // Wahlkampf in Deutschland

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Ein zentrales Thema der ausländischen Zeitungen ist der Atomstreit mit dem Iran, bei dem Deutschland, Frankreich und Großbritannien die Verhandlungen für den Westen führen. Beachtung findet auch der heißer werdende Wahlkampf in Deutschland.

Zunächst jedoch eine Pressestimme zum katholischen Weltjugendtag, der in der nächsten Woche in Köln beginnt. Dazu bemerkt das italienische Blatt IL MESSAGERO aus Rom:

'Die Ersten sind schon angekommen: Mit dem Rucksack auf dem Rücken und der Gitarre in der Hand kampieren sie neben dem immensen gotischen Dom oder am Rheinufer ... Die Rheinmetropole bereitet sich darauf vor, 800.000 von ihnen aufzunehmen, vielleicht sogar eine Million. Und nach den Vorbereitungen zu urteilen werden die 'Papaboys' in allerbesten Händen sein. ... Der größte Enthusiasmus und die fiebrigsten Erwartungen drehen sich aber natürlich um den Besuch von Joseph Ratzinger in seiner Heimat in seiner neuen Rolle als Papst.'

Damit zum nächsten Thema, dem Streit um das iranische Atomprogramm. Die Pariser Tageszeitung LE MONDE kommentiert:

'Die islamische Republik Iran zeigt Entschlossenheit und ihre geschickten Diplomaten zeigen sich abwechselnd freundlich und kalt. Die Troika - Deutschland, Frankreich und Großbritannien - setzt mit Unterstützung Washingtons immer noch auf die Diplomatie. Es gibt auch keine andere Lösung, außer einer gefährlichen Eskalation und als letztes Mittel einen Militärschlag.'

In der Zeitung THE TIMES aus der britischen Hauptstadt London heißt es:

'Zwei Schlüsse können aus der Wiederaufnahme des iranischen Projekts zur Urananreicherung in Isfahan gezogen werden, ein düsterer und eine potenziell ermutigender. Der erste ist, dass das Regime keinerlei Absicht hat, das abzubauen, was es euphemistisch seine 'nationale Nuklearindustrie' nennt ... Der zweite ist, dass Iran, als es vor zwei Jahren Verhandlungen mit Großbritannien, Frankreich und Deutschland zustimmte, glaubte, das EU-Trio mit einem Abkommen hereinlegen und damit die USA isolieren zu können, ohne gleichzeitig Iran zu zwingen, seine Möglichkeiten zur Produktion waffenfähigen Urans aufgeben zu müssen. ... Die Mullahs haben sich verkalkuliert.'

Die norwegische Zeitung AFTENPOSTEN aus Oslo hebt einen anderen Gesichtspunkt hervor:

'Der Ausgang des Tauziehens um das iranische Atomprogramm ist nur schwer vorherzusagen. Wichtigster Grund ist die ungeklärte Position Russlands. Moskau hat widersprüchliche Interessen. Als Lieferant von Ausrüstung für die Atomanlage Isfahan bringt Russland die Durchführung des iranischen Atomprogramms wirtschaftliche Vorteile. Aber als Atommacht und nicht zuletzt als Land, das möglichen Anschlägen von Terroristen mit spaltbarem Material ausgesetzt sein könnte, wünscht Russland keine Ausbreitung von Atomtechnologie in zu viele Hände.'

Die BERNER ZEITUNG verlangt einen Vorstoß der USA:

'Europa ist mit seiner Kunst am Ende. Mag sein, Teheran blufft - und kehrt wie Nordkorea von allein an den Verhandlungstisch zurück. Wenn sich aber auf die brisante Dynamik der iranischen Atompolitik noch Einfluss nehmen lässt, dann wohl einzig durch beherzte Initiativen aus Washington. ... Wenn ... der von Europa angeschobene Dialog noch eine Chance haben soll, vor allem aber, wenn der Westen am Ende von sich sagen können will, wirklich alles getan zu haben, um die Konfrontation zu vermeiden, dann muss Amerika über seinen Schatten springen.'

Die amerikanische Zeitung WASHINGTON POST' empfiehlt enge transatlantische Zusammenarbeit:

'Die EU- und US-Spitzen sollen ein Programm ernster ökonomischer, technologischer und militärischer Sanktionen vorbereiten, um die Erklärung der UN zu unterstützen. Die Vereinigten Staaten sollten auch weiterhin das europäische Angebot unterstützen, welches explizit Irans Recht auf ein friedliches Nuklearprogramm anerkennt und damit Iran weitere Anreize gibt, den 'Bomben' die 'Jobs' vorzuziehen.'

Abschließend zu diesem Thema ein Blick in TRIBUNE DE GENEVE. Die Zeitung aus der Schweiz notiert:

'Keine der Seiten ist an einem Scheitern der Verhandlungen interessiert. ... Denn sollte man Handelssanktionen gegen Teheran anstreben, so würden sich ihre Initiatoren auf schlüpfriges Terrain begeben. Als Erdölmacht und Nachbar des Iraks mit starkem Einfluss auf die dortige schiitische Bevölkerungsmehrheit behält sich Iran einige Karten im Spiel, von denen es besser wäre, sie würden nicht ausgespielt werden. Unter diesen Umständen macht es mehr Sinn, der Logik der Verhandlungen bis zum Ende zu folgen.'

Damit zum Wahlkampf in Deutschland. Beachtung in den Kommentaren der ausländischen Zeitungen findet vor allem die Kritik des bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber am Wahlverhalten der Bürger in Ostdeutschland.

Das österreichische Blatt DIE PRESSE aus Wien argumentiert leicht ironisch:

'Für Stoiber sind die Bewohner der neuen Bundesländer vor allem eines: frustriert. Wie also sähe der typische frustrierte Ostdeutsche aus? Ungefähr so: Er ist um die 50 Jahre alt, arbeitslos - oder bekommt bestenfalls nur 71 Prozent von Wessi-Gehältern -, lebt im Plattenbau mit Eichenfurnier-Möbeln und schaut gern MDR. Fremden gegenüber ist er misstrauisch, in den entvölkerten Städten kann er, wenn man Brandenburgs CDU-Chef Jörg Schönbohm - einem Wessi-Import - glaubt, schon mal verproletarisiert und gewaltbereit werden.'

ABC aus der spanischen Hauptstadt Madrid vermutet:

'Bei den Konservativen in Deutschland sind anscheinend einige Leute entschlossen, Angela Merkel den Sieg bei der geplanten Bundestagswahl zu erschweren. Anders sind die Äußerungen des CSU- Chefs Edmund Stoiber nicht zu interpretieren, wonach der Osten nicht über den neuen Kanzler und die 'Frustrierten' nicht über die Zukunft Deutschlands entscheiden sollten. Diese Äußerung war ein schwerer Fehler. Sie beeinträchtigt die Wahlaussichten der CDU/CSU. ... Die Umfragen zeigen einen Abwärtstrend bei den Christdemokraten an. Wenn man obendrein berücksichtigt, dass der Osten beim Wahlausgang eine wichtige Rolle spielen wird, deutet alles darauf hin, dass Merkel es schwer haben wird.'

Ähnlich sieht es die französische Zeitung DERNIÈRES NOUVELLES D'ALSACE:

'Der verbale Ausrutscher Stoibers ist Wasser auf die Mühlen der Linkspartei, die sich aus den Enttäuschten der SPD und den Neokommunisten der PDS gebildet hat. Nach den letzten Umfragen steht die neue Linke bereits an erster Stelle in den östlichen Bundesländern mit 30 Prozent Vorsprung vor der SPD und hat die CDU auf den dritten Rang verwiesen. Angela Merkel wird viel zu tun haben, um Punkte zu gewinnen, besonders da ihre Reaktion auf die Äußerungen Stoibers nach einer Serie von Patzern eher schwach ausfiel. Keiner aus ihrer Umgebung ist auf die Barrikaden gestiegen, um den Bayern in die Schranken zu weisen. Das wird sicherlich Fragen über die Führungskraft Merkels aufwerfen, in ihrer eigenen Mannschaft und für die Regierung des Landes, das lustlos und ziellos wirkt und nach einem Neuanfang sucht.'

In diese Richtung argumentiert auch das Wiener Blatt DER STANDARD:

'Stoiber hat mit seiner Bemerkung auch Unionskanzlerkandidatin Angela Merkel ein Ei gelegt. Auch sie stammt aus dem Osten - und wird in den nächsten Wochen bei jedem Wahlkampfauftritt in der ehemaligen 'Zone' erhöhten Erklärungsbedarf haben.'

Nach Ansicht von EL PAÍS aus Madrid ist der Wahlausgang in Deutschland völlig offen:

'Sechs Wochen vor der Wahl ist Bewegung in die deutsche Wählerschaft gekommen. Nun herrscht völlige Ungewissheit, welche Regierung Deutschland bekommen wird. Die Kandidatin Angela Merkel verlor an Boden, teils wegen ihrer Differenzen mit Edmund Stoiber und teils wegen einiger Ungeschicklichkeiten, die Zweifel an ihrer Eignung aufbrachten. Es war aber vor allem der kometenhafte Aufstieg der Linkspartei, der alle Prognosen über den Haufen warf. Der populistische Wahlkampf von Oskar Lafontaine scheint nicht nur Bundeskanzler Gerhard Schröder zu schaden, sondern auch der CDU/CSU. Kurzum, die Perspektiven sind offener als erwartet, aber nicht weniger beunruhigend.'