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Internationale Pressestimmen der vergangenen Woche

Herbert Peckmann 3. September 2005

Wahlkampf in Deutschland / Solidarnosc feiert Veränderungen / Naturkatastrophe in den USA

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Ein breites Echo findet in der Auslandspresse die heiße Phase des Wahlkampfes in Deutschland. Beachtet werden auch die Teilnahme Deutschlands an den Feiern zur Gründung der polischen Gewerkschaft Solidarnosc vor 25 Jahren und die Reaktionen aus Europa auf die Naturkatastrophe in den USA.

Zunächst zum Wahlkampf von Bundeskanzler Schröder. Dazu schreibt die Straßburger Zeitung DERNIÈRES NOUVELLES D'ALSACE:

"Beherzt kämpft Gerhard Schröder seine letzte Schlacht. Seine Beharrlichkeit verdient Respekt: Nach allen Umfragen wird er bei der Bundestagswahl in 18 Tagen haushoch verlieren. ... Schon 2002 galt Schröder als geschlagen. Er wurde in letzter Sekunde durch sein Engagement bei den Überschwemmungen in Ostdeutschland und sein Nein zu einer Kriegsbeteiligung im Irak gerettet. Diesmal ist kein Wunder in Sicht."

Die Zeitung CORRIERE DELLA SERA aus Mailand spricht von harten Spielregeln im deutschen Wahlkampf. Das Blatt kommentiert:

"Wenn das Spiel an Härte gewinnt, dann beginnen die Harten zu spielen. ... Die eigentliche Neuheit ist, dass jetzt auch .... (Schröders) Frau Doris das Spielfeld betreten hat: Sie war Protagonistin eines persönlichen Angriffs auf die christdemokratische Kandidatin - eine Karrierefrau ohne Kinder - die 'mit ihrer Biografie nicht die Erfahrungen der meisten Frauen verkörpert'. Der Wahlkampf in Deutschland geht in die heiße Phase und verspricht, Funken zu sprühen."

LE SOIR aus Belgien beschreibt den Kampfeswillen des Bundeskanzlers:

"Gerhard Schröder wirft sich mit ganzer Kraft in die Schlacht. Er wirft der CDU vor, ins 19. Jahrhundert zurückkehren zu wollen. Und geißelt die SPD-Dissidenten, die sich der PDS angeschlossen haben. ... Für Schröder stellt die Rechte eine Gefahr für den sozialen Frieden dar, während die postkommunistische Linke eine Gruppierung von Utopisten ist."

BERLINGSKE TIDENDE aus Kopenhagen beschäftigt sich mit der Rolle der Linkspartei im Bundestags-Wahlkampf:

"Oskar Lafontaine ist als Enfant Terrible der deutschen Politik eingestuft worden.(...) Er hat nun dem Begriff Linkspopulismus als Frontfigur der Wahlallianz Die Linke neuen Inhalt gegeben. ... Es handelt sich um das gefährliche Spiel eines erwachsenen und erfahrenen Politikers mit dem populistischen Feuer. Als solches ist es auch ein alarmierendes Zeugnis dafür, was in einem Land geschehen kann, in dem es weiten Teilen der erwerbsfähigen Bevölkerung gestattet wird, mit Arbeitslosengeld, aber ohne Zukunftschancen dahinzudämmern. ... Man kann wirklich von einer Gesellschaft sprechen, deren Kraft zum Zusammenhalt bedroht ist. Insofern ist Die Linke nur ein Symptom."

Den CDU-Parteitag in Dortmund kommentiert die römische Zeitung LA REPUBBLICA:

"Das war ein triumphaler Parteitag ganz auf amerikanische Art, mit einer eingängigen modernen Tanz-Show, Musik von Freddie Mercury und Laserlicht wie in der Discothek. Es ist der Tag der Revanche für das 'Mädchen aus dem Osten' über die männlichen Parteiführer und die aus dem Westen, die ihr so lange feindlich gesinnt waren, und die nun alle fast wie bei einem Canossagang zu Merkels Ehren aufs Podium gestiegen sind."

Zu den geplanten Wirtschaftsreformen einer möglichen Regierung von Angela Merkel meint die DIE PRESSE aus Wien:

"So unausweichlich ein ganzes Bündel von Reformen für eine neue Regierung in Berlin ist, ohne begleitende Aufbruchstimmung, ohne Anreize für den Mittelstand, dürften diese Maßnahmen fürs Erste nur dazu beitragen, die Verunsicherung der Konsumenten, der Klein- und Mittelbetriebe weiter zu steigern. ... Wer hofft, dass Unionschefin Angela Merkel das Vertrauen der Deutschen in ihre Wirtschaft umgehend stärken kann, ist bei der aus Ostdeutschland stammenden Politikerin fehl am Platz. ... Allerdings muss man fair sein: Auch sie kann - selbst mit den besten Konzepten - keine Wunder bewirken."

Die amerikanische Zeitung INTERNATIONAL HERALD TRIBUNE erwartet:

"Deutschland unter Merkel würde an Gewicht zulegen, geschichtsbewusst aber dabei ungebeugt. ... Erwarten Sie vor allem eine Führung, die in Überzeugungen der Art verwurzelt ist, die beeinflusst sind durch Entbehrungen und durch das Wissen darum, was zu Veränderungen führt. Diese Frau nimmt kein Blatt vor den Mund. ... Washington sollte keinen Schwächling in Berlin erwarten. ... Merkel wird wahrscheinlich ein Freund sein, aber nicht von der biegsamen Art; gedanklich näher an Polen angelehnt als an Frankreich."

Themenwechsel. Zum 25. Jahrestag der Gründung der polnischen Gewerkschaft Solidarität durch Lech Walesa meint die britische Zeitung THE GUARDIAN:

"August 1980 wird zurecht als der Monat gefeiert, in dem ein entschlossener Elektriker auf der Schiffswerft Lenin in Gdansk die Welt veränderte, indem er die erste unabhängige Arbeiterbewegung in Osteuropa gründete. ... Es ist durchaus angemessen, dass zu den Teilnehmern der Gedenkfeiern ... auch Vaclav Havel gehört, der Dramatiker, der der früheren Tschechoslowakei in die Freiheit verhalf. Auch der Präsident Deutschlands als Vertreter der Nation, die für so viel Brutalität auf polnischem Boden im 20. Jahrhundert verantwortlich war, ist anwesend. Nur Vertreter Russlands fallen durch ihre Abwesenheit auf und liefern dadurch den alarmierenden Beleg für Spannungen zwischen Moskau und Warschau."

Die auflagenstärkste französische Zeitung OEST FRANCE aus Paris kritisiert:

"Leider hat Frankreich es versäumt, sich an der Feier zu beteiligen. Dieses Fehlen wurde bemerkt. 'Sie haben nichts begriffen', sagte uns ein Solidarnosc-Führer. Doch Deutschland, Großbritannien, die USA und viele andere waren ganz vorne mit dabei."

Schließlich noch zu den Reaktionen auf die Naturkatastrophe im Süden der USA. Dazu schreibt das LUXEMBURGER WORT:

"...(Man) sollte ... aufgrund der gebotenen Pietät angesichts der erschreckenden Opferzahl, aber auch der schreienden Verzweiflung unschuldiger Menschen, nicht vorschnell urteilen und mit undelikaten Vorwürfen zur Stelle sein. ... Viele, vor allem europäische Kommentatoren in Politik und Medien, so der deutsche Umweltminister Trittin, konnten der Versuchung nicht widerstehen, die böse Ironie des Schicksals, das den 'Klimaschänder USA' nun zum hilflosen Opfer der Natur gestempelt hat, bis zum Äussersten auszukosten. Das ist weder eine intellektuelle noch eine menschliche Leistung. Die politische Streitkultur in den USA, insbesondere auch eine vorbildliche Pressefreiheit, sollten uns Garant genug sein, um auf die Fähigkeit der Amerikaner zu vertrauen, die richtigen Lehren aus den Fehlern ihrer Politiker zu ziehen."

Und die NEW YORK TIMES analysiert:

"Zweifellos bedauern die meisten Europäer das, was passiert ist. Und viele werden ohne Frage ihren Beitrag dazu leisten, den Opfern zu helfen. Gleichzeitig haben die besonderen Umstände der Ereignisse in New Orleans und Biloxi die Tendenz verstärkt, die schlechtesten Vorstellungen von Amerika in Europa zu verstärken, die Vorstellung von erschreckender Ungleichheit und von einer Abgestumpftheit gegenüber der allgemeinen Fürsorge; und von der Abwesenheit von dem, was die Europäer 'Solidarität' nennen."