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Internationale Pressestimmen der vergangenen Woche

Zusammengestellt von Thomas Grimmer 1. April 2006

Reaktionen auf Landtagswahlen/Wahl in der Ukraine

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Zwei Wahlen beschäftigten in der vergangenen Woche die Kommentatoren in der ausländischen Presse: die Landtagswahlen in drei deutschen Bundesländern - Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt - und die Parlamentswahlen in der Ukraine

Zunächst zu den Landtagswahlen in Deutschland. Die spanische Zeitung EL PAÍS aus Madrid resümiert:

"Die von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Vizekanzler Franz Müntefering angeführte große Koalition hat ihren ersten Test klar bestanden. Hätte einer der beiden Partner einen Rückschlag erlitten, hätte dies zu Unruhe, Spannungen und Eifersüchteleien im Berliner Regierungsbündnis geführt. (...) Der klare Sieg der Christdemokraten in Baden-Württemberg wird durch den glatten Erfolg der SPD in Rheinland-Pfalz ausgeglichen. Die großen Verlierer sind die FDP und Oskar Lafontaine."

Zu diesem Ergebnis kommt auch der Leitartikler der SALZBURGER NACHRICHTEN: "Größter Verlierer ist die FDP. (...) Im Bundesrat werden die Liberalen nicht mehr die Rolle spielen können, die sie bisher beanspruchten. Für die Verabschiedung der Föderalismusreform wird die FDP nicht mehr gebraucht. (...) Zweitgrößter Verlierer ist die Linkspartei, die es nicht geschafft hat, auch im Westen Fuß zu fassen. Damit ist der Traum von Oskar Lafontaine und Gregor Gysi von einer vereinigten Linken in ganz Deutschland ausgeträumt."

Die schwedische Zeitung SVENSKA DAGBLADET beschäftigt sich mit den Gewinnern der Landtagswahlen:

"Die Erfolge bei den Regionalwahlen am Sonntag sind die Belohnung für die von den Wählern erzwungene große Koalition. Trotz der weiter bequemen Mehrheit in Bundestag und Bundesrat stehen aber nun erst die wirklichen Bewährungsproben für diese Partnerschaft und Merkels Geschicklichkeit bevor."

Die Wiener Zeitung DIE PRESSE ist ähnlicher Auffassung:

"Um Deutschland voranzubringen, werden SPD und CDU/CSU ihr Tempo entschieden steigern müssen. Und zwar unverzüglich. Auf die Befindlichkeiten regionaler Platzhirsche braucht im Moment keine der drei Koalitionsparteien gesondert Rücksicht zu nehmen. (...) Die Bundesregierung könnte, wenn sie wollte, ordentlich und anhaltend auf die Tube drücken. Denn bis Herbst stehen keine Urnengänge an. Ein größeres Zeitfenster für Reformen wird die Große Koalition in dieser Legislaturperiode nicht mehr finden. Was Merkel jetzt nicht entschlossen anpackt, wird sie nicht mehr in den Griff bekommen." Die französische Zeitung LE MONDE aus Paris ist eher skeptisch, was den Erfolg anstehender Reformen anbelangt:

"Mit dem überwundenen Hindernis der Regionalwahlen kann die große Koalition jetzt die Reformen angehen, die sie sich in ihr Programm geschrieben hat. (...) Die nächste Reform auf der Tagesordnung berührt das Gesundheitssystem. (...) Das wahrscheinlichste Ergebnis ist eine Mischung aus Halb-Maßnahmen, die von den Verbündeten vorgeschlagen werden, wobei die einzige Gewissheit ist, dass die Beiträge steigen und die Leistungen sinken werden."

Weiter geht es mit Kommentaren zur Wahl in der Ukraine. Die Pariser Tageszeitung LE FIGARO schreibt: "Die Wahlen in der Ukraine zeigen, dass die 'orangene Revolution' nicht umsonst gewesen ist. Sicherlich gab es an den Urnen das Echo der Desillusion, die das Land ergriffen hat, seit es sich aus der post-kommunistischen Vormundschaft befreit hat. Doch dies ist nichts Anormales - im Gegenteil. Indem sie sich auf die eigene Kraft stützt, die sie aus freien Wahlen gewinnt, kann die Ukraine weiter ihren Weg zwischen Russland und der Europäischen Union suchen." Die niederländische Zeitung DE VOLKSKRANT aus den Haag macht sich Gedanken über mögliche Koalitionen:

"Bei der Bildung einer neuen Regierung muss sich Präsident Viktor Juschtschenko jetzt entscheiden zwischen einer erneuten Koalition mit der von ihm entlassenen Ministerpräsidentin Julia Timoschenko, die auf Grund ihres guten Abschneidens sicher Anspruch auf ihren früheren Posten erheben wird, und einer Schreckenskoalition mit Viktor Janukowitsch. In beiden Fällen wird er einstecken müssen."

Die spanische Zeitung LA VANGUARDIA meint zu den beiden Optionen des Präsidenten:

"Viktor Juschtschenko muss sich für eine der zwei Seelen der Ukraine entscheiden. Die russische Seele bedeutet Stabilität, wie erst kürzlich das Energieabkommen mit Moskau gezeigt hat. Die europäische Seele verheißt Abenteuer, birgt aber auch die Chance, sich vom russischen Joch zu befreien. Alles scheint darauf hinzudeuten, dass Juschtschenko sich für die liberale und europäische Partei von Julia Timoschenko entscheiden wird. Aber niemand kann ausschließen, dass die Wahl letzten Endes doch auf Viktor Janukowitsch fällt, den Favoriten des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Denn der Schatten Moskaus ist lang.

THE DAILY TELEGRAPH aus London meint zu den politischen Aussichten in der Ukraine nach der Parlamentswahl:

"Unter der Präsidentschaft von Viktor Juschtschenko hat sich die Ukraine geöffnet, aber auch einen Rückgang der Wachstumsrate sowie einen Konflikt mit Russland über die Gasversorgung erlebt. Zudem ist es dem Land nicht gelungen, den Beigeschmack von Korruption loszuwerden. Für Juschtschenko wäre es das Beste, wenn er zusammen mit Julia Timoschenko die Korruption bekämpfen und die Ausrichtung der Ukraine nach Westen, der wahrscheinlichsten Quelle künftiger Investitionen, beibehalten würde. Zugleich sollte er versuchen, die Kluft zwischen dem Osten und dem Westen des Landes zu überbrücken. Die Wahl stellt zwar einen Rückschlag dar, hat aber den demokratischen Idealen der 'Orangenen Revolution' keinen Abbruch getan."