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Internationale Pressestimmen der vergangenen Woche

Beatrice Hyder 7. Mai 2006

EU setzt Assoziierungsverhandlungen mit Serbien-Montenegro aus / Götterdämmerung für britischen Premier Blair nach der Kommunalwahl

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Bestimmende Themen der europäischen Presse in dieser Woche waren die Entscheidung der EU, ihre Assoziierungsverhandlungen mit Serbien-Montenegro auszusetzen sowie die herbe Wahlschlappe des britischen Premiers Blair bei der Kommunalwahl am Donnerstag.

Serbien hatte den flüchtigen Ex-General Mladic nicht fristgemäß gefasst und an das UN-Tribunal in Den Haag ausgeliefert hat. Die EU fror daraufhin die Gespräche über eine engere Anbindung ein.

Der schweizerische TAGESANZEIGER schreibt:

"Mit seinem konsequenten Entscheid setzt Erweiterungskommissar Olli Rehn ein deutliches Signal: Serbien darf nicht vom europäischen Integrationsprozess profitieren, bis es seine dunkle Vergangenheit aufgearbeitet hat. Eine andere Wahl blieb der EU nicht. Sie hätte ihre Glaubwürdigkeit in der Region verspielt, wenn sie der serbischen Führung eine weitere Frist für die Überstellung Mladics an das Haager UNO-Tribunal eingeräumt hätte."

Auch die britische TIMES findet die Entscheidung richtig:

"Anders als Kroatien unter vergleichbaren Umständen im vergangenen Jahr hat Serbien wenig Beweise für aufrichtige Anstrengungen geliefert, die Kriegsverbrecher aufzuspüren oder zu isolieren, die noch in Freiheit sind. Dabei scheint es klar zu sein, dass die Geheimdienste ihren Aufenthaltsort kennen. Das Beharren darauf, dass Mladic ausgeliefert wird, ist jedoch der wichtigste Hebel, den die EU in ihren Verhandlungen mit Belgrad zur Verfügung hat."

Der österreichische KURIER meint:

"Wer ewig verspricht und nicht hält, was er verspricht, strapaziert die Geduld der EU über die Maßen. Dabei war Brüssel, das ja nicht immer eine glückliche Hand bei der Außenpolitik hat, ohnehin gegenüber Belgrad und den dortigen Nöten mit nationalistischen Bürgern und Parteien verständnisvoll und entgegenkommend. Aber irgendwann muss Schluss sein mit der balkanischen Verschleppungstaktik. Nicht zuletzt, weil nach serbischer Lesart derjenige seine Glaubwürdigkeit verliert, der nicht mit der Faust auf den Tisch haut."

Die dänische Zeitung POLITIKEN vergleicht die Jagd auf Mladic mit einer Seifenoper:

"Die letzte vieler Fristen zur Auslieferung des wegen Kriegsverbrechen gesuchten Ratko Mladic ist ergebnislos verstrichen. Das erinnert an eine Seifenoper, bei der der Gesuchte stets wie ein Stück Seife wegflutscht. Dazu gibt es Musik mit Versprechungen über eine baldige Verhaftung, absurde Ausreden und Behauptungen, man sei kurz vor dem Ziel. Der Druck auf Serbien (zur Auslieferung) nimmt zu. Die EU sollte aber genau überlegen, ob sie alle Versuche zur Demokratisierung Serbiens wegen dieses Konfliktes einstellen will."

Die serbische Zeitung BLIC ist der Meinung, Serbien werde seinem Ruf Ruf als Schwarzes Loch Europas gerecht:

"Die Europäische Union kann niemanden in Serbien mehr mit der Ankündigung von Strafmaßnahmen überraschen. Das Schwarze Loch Europas, gewöhnt an Strafen und Rügen, bemüht sich ernsthaft, seinem Ruf gerecht zu werden. Dagegen ziehen die Herrschenden und die Parteiführer tagespolitischen Vorteil daraus, was für alle Bürger langfristig von Schaden ist."

Themenwechsel. 'Götterdämmerung', 'ausgezählt', 'Massenkarambolage': Das sind nur einige der Einschätzungen der europäischen Presse zur herben Wahlschlappe von Tony Blairs Labour-Partei bei der Kommunalwahl am Donnerstag und Blairs anschließender Entscheidung, das Kabinett umzubilden.

Der französische LE FIGARO meint, Blair habe keine andere Wahl gehabt:

"Um seine Autorität zu bewahren und wieder die Geschäfte in die Hand zu nehmen, musste Tony Blair seine Mannschaft grundlegend ändern. Wenn er seine Amtszeit erfolgreich beenden will, muss er die Ärmel hochkrempeln. Der Premierminister weiß das seit dem Tag im Oktober 2004, als er seinen Wähler ankündigte, dass er sein drittes Mandat nicht beenden werde...Die Kabinettsumbildung jedoch zeigt, dass Tony Blair es nicht eilig hat, sein Wort zu halten."

Die konservative britische Zeitung THE TIMES nennt die Regierungsumbildung 'plump':

"Kabinettsumbildungen sind normalerweise im besten Fall nutzlos und im schlimmsten zerstörerisch. Sie sind nutzlos in dem Sinne, dass die Meinung der Öffentlichkeit über eine Regierung dadurch kaum verändert wird. Sie sind hingegen oft zerstörerisch, weil Minister, die gerade lange genug in einem Amt waren, um ein wenig davon zu verstehen, weggeschickt werden, um sich nun in ein anderes einzuarbeiten."

Der linksliberale GUARDIAN vergleicht die Kabinettsumbildung mit einer Massenkarambolage:

"Wie bei einer Massenkarambolage fand die Umbildung des Kabinetts bei hoher Geschwindigkeit und großem Durcheinander statt, und es wurde ein Haufen von Wracks zurückgelassen. Das war ganz sicher dramatisch und blutig, doch es wurde damit nichts dafür getan, die Wähler und die Labour-Partei zu überzeugen, dass die Regierung wieder fit ist...Doch die Art der Umbesetzungen und insbesondere, dass die Qualitäten einiger der neuen Minister längst verschlissen sind, betont nur noch, wie begrenzt die Möglichkeiten sind, die Tony Blair noch hat."

Das LUXEMBURGER WORT sieht nun den Anfang vom Ende der Blair-Regierung:

"(Man) kommt nicht umhin, in der vernichtenden Niederlage von Labour bei den Lokalwahlen in England die Götterdämmerung für Premierminister Tony Blair zu sehen. Ganz eindeutig haben unübersehbare Abnutzungserscheinungen in der Regierung Blair zu dem Gnadenfall von Labour bei den Wählern beigetragen. Arroganz der Macht und Skandale haben dem Ansehen geschadet. Die britische Besonderheit des Mehrheitswahlrechts verstärkt den Effekt noch: Schon kleine Wählerbewegungen lassen das Pendel in die andere Richtung schwingen. Blair hat den Zenit seiner Macht überschritten, jetzt deutet sich im Königreich eine Zeitenwende an."

Und der TAGESANZEIGER bemüht das Bild des Boxers Blair:

"Der Anfang eines wahrhaft traurigen Endes für Tony Blair? So hätte es nicht kommen müssen - dass man ihn auszählen würde, zu guter Letzt. Er hätte es sich ersparen können. Nun steht er ziemlich allein da."