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Internationale Pressestimmen der vergangenen Woche

Beatrice Hyder27. Januar 2007

Bush-Rede / Serbien-Wahl und Kosovo-Plan

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Bestimmende Themen der Kommentare in der ausländischen Presse waren diese Woche die Rede zur Lage der Nation, die US-Präsident Bush im Kongress gehalten hat, sowie der Wahlausgang in Serbien verbunden mit dem von UN-Vermittler Ahtisaari vorgestellten Plan zur Zukunft des Kosovo.

Zur Bush-Rede vermerkt der britische GUARDIAN nicht ohne gewissen Sarkasmus :

"Die plumpe Vertraulichkeit, das festgefrorene Grinsen, die Standing Ovations gehören alljährlich zum Ritual jeder Rede zur Lage der Nation. Aber all dies konnte nicht verbergen, dass sich der Bericht von George Bush vor dem Kongress dieses Mal von all seinen bisherigen Auftritten sehr unterschied. Bush musste auf den Capitol Hill, um eine Präsidentschaft wiederzubeleben, der der Kollaps droht...Vielleicht wird er uns (in der Irak-Politik) alle überraschen. Vielleicht hat er einen Plan B. Aber zunehmend hat es den Anschein, als sei Bush ein General ohne Ideen, ohne Truppen und ohne Hoffnung."

Die italienische LA REPUBBLICA zeigt dagegen etwas mehr Mitgefühl:

"Präsident Bush zuzuhören, wie er zu einer Nation spricht, die ihm nicht mehr zuhört, bedeutet...dem Drama eines geschlagenen Mannes beizuwohnen, der eine große Demokratie in seinen letzten Zügen mit sich reißt, die keinen glaubhaften Steuermann mehr hat. ...Aber das größte Drama ist nicht der Fall eines politischen Sterns und auch nicht die Enttäuschung, die im Gesicht eines Mannes geschrieben steht, der weiß, dass er von sich selbst besiegt wurde...Das Drama ist das eines leeren Herzens, eines Weißen Hauses im Niedergang..."

Das niederländische Blatt TROUW meint zu der Bush-Rede -Zitat-: "Das einzige, das auffiel, war das Vorhaben, den nationalen Benzinverbrauch in zehn Jahren um 20 Prozent zu verringern. Ein lobenswertes Ziel.....das wenig ändern kann an dem Bild, welches sich am Dienstagabend im Capitol darbot: Ein im eigenen Netz gefangener Präsident, der Amerika in den ihm noch bleibenden zwei Jahren wenig zu bieten hat."

Nach Ansicht der französischen LE MONDE hat Bush, der "sture Cowboy", den Demokraten die Hand zur Versöhnung ausgestreckt, aber...:

"Der Präsident hat seine Freunde gebeten, ihm eine letzte Chance zu geben. Er hält es für möglich, das von ihm selbst heraufbeschworene 'Albtraum-Szenario' im Irak noch zu verhindern. Damit steht er so ziemlich allein da."

Dies bietet allerdings nach Ansicht der niederländischen Zeitung NRC HANDELSBLAD Chancen für die Europäer:

"Dass die Hände in Washington gefesselt sind, eröffnet den Verbündeten in der Nato und der EU die Möglichkeit, sich selbst zu profilieren. Notgedrungen, denn das Amerika von Bush wird bis zur Präsidentschaftswahl am 4. November 2008 sehr mit sich selbst beschäftigt sein."


Themenwechsel. Die bulgarische Zeitung DNEWNIK sieht nach der Wahl auf Serbien schwere Zeiten zukommen:

"Bislang war es schwer, jetzt wird es schwierig. Denn in Serbien beginnt eine der wichtigsten Zeitabschnitte der post-jugoslawischen Ära. Die nächsten Monate werden zeigen, ob es im Sumpf versinken wird, der vom in Den Haag verstorbenen Milosevic hinterlassen wurde, oder es schaffen wird, den Weg nach Europa einzuschlagen."

Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG sieht das ähnlich:

"Es ist für Serbien überaus wichtig, dass die Frage der Grenzen des serbischen Nationalstaates, die den politischen Diskurs fast zwanzig Jahre lang in unheilvoller Weise beherrscht hat, endlich gelöst wird und damit die serbische nationale Frage ein für alle Mal von der politischen Agenda verschwindet. Nur wenn dies der Fall ist, kann sich Serbien voll und ganz auf den dringend notwendigen Aufbau im Innern konzentrieren."

Die spanische Zeitung EL PERIÓDICO DE CATALUNYA macht ein gespaltenes Serbien nach der Wahl aus:

"Auf der einen Seite stehen die Befürworter einer Eingliederung Serbiens in die EU, auf der anderen die Erben von Slobodan Milosevic und dessen panserbischen Nationalismus, die sich unverstanden und als Opfer fühlen. Die Folgen der Spaltung sind unabsehbar. Die Lage könnte sich weiter zuspitzen, wenn die Provinz Kosovo die Unabhängigkeit oder einen ähnlichen Status erhält."

Nachdem UN-Vermittler Ahtisaari der Kosovo-Kontaktgruppe am Freitag eine weitgehende Unabhängigkeit der serbischen Provinz empfohlen hat, sieht der britische INDEPENDENT möglichen Ärger seitens Serbiens und Russlands voraus:

"...Serbien kann Unruhen unter den Serben im Kosovo schüren, und Russland kann seine Zustimmung zu dem UN-Plan verweigern... Allerdings wären Russland und Serbien sehr gut beraten, ihren Hochmut zu zähmen und den Vormarsch des Kosovo in Richtung Staatlichkeit zu akzeptieren. Die Zeiten, in denen Grenzen als unantastbar galten, sind seit dem Kollaps des Sowjetimperiums vorbei."

Nach Ansicht der SALZBURGER NACHRICHTEN kommt der EU in der Frage künftig einer Vermittlerrolle zu:

"Am Ende wird der Kosovo ein neuer, souveräner Staat in Europa werden...Damit wird der Europäischen Union höchste diplomatische Kunst abverlangt, weil sie künftig eine Hauptrolle bei der Lösung dieses europäischen Problems spielen dürfte. Zum einen geht es darum, Serbien zum Ausgleich mit den Kosovo-Albanern zu bewegen... Zum anderen muss die EU Russland ins Boot bekommen, das in seinem kaukasischen Hinterhof Fernwirkungen der Kosovo-Lösung fürchtet."