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Internationale Pressestimmen der vergangenen Woche

Marko Langer24. März 2007

Europäische Union / Vier Jahre Krieg im Irak

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Die Feiern zum 50. Geburtstag der Europäischen Union stehen im Mittelpunkt an diesem Wochenende - auch für die Leitartikler der internationalen Tageszeitungen. Das dänische Blatt BERLINGSKE TIDENDE schreibt:

"Die Berliner Erklärung zum 50. EU-Jubiläum zeigt, dass die Union vor großen Herausforderungen steht. Aber sowohl die bisherigen Resultate wie die Ideale dahinter sind das Feiern wert. Die praktischen Ergebnisse der EU-Kooperation sind vielfältig. Auch wenn man der Union nicht die komplette Entwicklung zu so viel Wohlstand zuschreiben kann, hat sie die Bedingungen dafür verbessert. Vor allem haben die gemeinsamen Werte hinter den Beschlüssen zu den positiven Ergebnissen beigetragen."

Die Briten haben ja stets einen speziellen Blick auf Europa, was auch der DAILY TELEGRAPH aus London konstatiert:

"Wir Euroskeptiker müssen anerkennen, dass es bemerkenswert ist, dass die EU 50 Jahre überhaupt überlebt hat, ohne auseinander zu brechen. Aus den ersten 6 sind 27 Mitglieder geworden und die Warteschlange vor der Eingangstür ist lang. Wir Briten ziehen es allerdings vor, halbdrinnen und halbdraussen zu sein. Wir brauchen das so genannte Rettungsboot der EU nicht. In London wird mehr Geld verwaltet als in der gesamten Euro-Zone zusammengenommen. Eine verstärkte Integration in Europa kann uns nichts bringen, was wir nicht auch auf andere Weise erhalten könnten."

Die französische Zeitung LA DAUPHINÉ LIBÉRÉ weist auf die Symbolik des Gipfeltreffens hin:

"Während die Staats- und Regierungschefs in Berlin die Erklärung verabschieden und wieder Dynamik in die Europäische Union bringen wollen, kommt aus der Erinnerung all das wieder hoch, was aus der deutschen Hauptstadt ein Sinnbild der Ruinen und des Wiederaufbaus gemacht hat. Der einst brennende Reichstag im neuen Licht der Glaskuppel, die das Gebäude jetzt hat. Die Bomben und der Fall der Mauer. Das aus all dem hervorgehende Europa sollte sich in dieser Stadt, die es empfängt, neue Orientierungspunkte setzen."

Die TIROLER TAGESZEITUNG ist skeptisch:

"Dass die riesig aufgeblähte EU Gefahr läuft, sich zu übernehmen und/oder sich zu blockieren, ist leider Tatsache. Die Kluft zwischen europäischen Vordenkern, die in Richtung EU-Superstaat drängen, und dem Empfinden der kleinen Bürger wurde in den letzten Jahren nicht kleiner, ganz im Gegenteil: Das zeigten die herben Abstimmungsniederlagen zur EU-Verfassung in Frankreich und Holland."

LA REPUBBLICA aus Italien geht auf folgenden Vorschlag ein:

"Eine Europa-Armee muss her. Gemeinsame Streitkräfte der Europäischen Union könnten eine neue Idee sein, um die Union 50 Jahre nach der Gründung durch die Römischen Verträge wieder in Schwung zu bringen. Kurz vor dem Gipfel in Berlin, der das halbe Jahrhundert Europas feiert, macht Bundeskanzlerin Merkel als EU-Ratsvorsitzende und 'mächtigste Frau der Welt' Vorschläge, durch die die EU erneut gemeinsam einen Satz nach vorne machen soll - nach dem Stabilitätspakt, dem Euro und der Erweiterung der Union. Und gleichzeitig fordert sie eine effizientere Europäische Kommission, die klare Aufgaben haben soll."

Themenwechsel. Vor vier Jahren sind die amerikanischen Truppen in den Irak einmarschiert. Das französische Blatt LA CHARENTE LIBRE schreibt anläßlich des Jahrestages:

"Am 19. März 2003 verkündete Bush der Welt voller Stolz, dass er begonnen hatte, was er einen Kreuzzug des Guten gegen das Böse nannte. Nun hat der gleiche George Bush seine Großartigkeit eingebüßt. Es ist ein Präsident, der in seinem eigenen Land angeschlagen ist. Die Demokraten dominieren heute den Kongress und dies ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass sich die USA im Irak verstrickt haben."

Die schwedische Zeitung DAGENS NYHETER analysiert die Lage wie folgt:

"Der gemeinsame Nenner lautet Resignation, wenn der Krieg im Irak nun in sein fünftes Jahr geht. Im Land selbst, in den USA und im Umfeld, dass feststellen mußte, wie sich alle Warnungen vor der Invasion auf schreckliche Weise erfüllt haben. Die Suche nach Lichtblicken und der Optimismus wirken künstlich. In Wahrheit ist eine humanitäre, wirtschaftliche und politische Katastrophe eingetreten."

Die spanische Zeitung EL PERIODICO sieht Parallelen zwischen dem Irak und Afghanistan. Zitat:

"In beiden Ländern ist der Wiederaufbau gescheitert, weil es an Mitteln und am politischen Willen gefehlt hat. Eine Stabilisierung im Irak und ein Abzug der Truppen werden nur möglich sein, wenn für die Konflikte im Nahen Osten eine regionale Lösung gefunden wird."

Die Tageszeitung MAGYAR NEMZET aus Budapest zieht dieses Fazit:

"In den Kriegen des 21. Jahrhunderts kämpft nicht mehr die Jugend einer bedrohten Nation gegen Invasions-Heere, sondern sie sind die Folge, dass Politiker durch Taktieren und durch Allianzen einem Problem vorbeugen wollen. Bombardierungen werden 'vorbeugende Schläge' genannt, obwohl es simple Angriffshandlungen sind, dieser Begriff also nur ein geschmackloses Spiel mir Wörtern darstellt. Was geschehen wäre, wenn im Irak alles beim alten geblieben wäre, wissen wir nicht. Sicher ist aber, dass sich für dieses Land kaum eine traurigere Zukunft vorstellen lässt als die gegenwärtige Lage."

Und der STANDARD aus Wien stellt abschließend die Frage:

"Wie es weitergeht? Solange sowohl arabische Sunniten als auch Schiiten glauben, den Konflikt gewinnen zu können, wird er weitergehen. Die Sunniten haben einige strategische Vorteile, die Schiiten sind die Mehrheit. Und der Interessen- und Machtabgleich zwischen ihnen geht eben nicht nach westlichen Vorstellungen ab. Zwar pflegt US-Präsident Bush hin und wieder noch das Wort 'Demokratie' im Zusammenhang mit dem Irak in den Mund zu nehmen. Aber auch Washington hat die Wunschliste längst neu zusammengestellt: stabil, verteidigungsfähig und keine Gefahr gegen die Nachbarn und ein Staat für alle Iraker soll er sein, der Irak."