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Internationale Pressestimmen der vergangenen Woche

Bernhard Kuemmerling7. April 2007

Freilassung britischer Soldaten im Iran / Verfassungskrise in der Ukraine

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Die vom Iran nach fast zweiwöchiger Gefangenschaft freigelassenen britischen Marinesolsaten und der Konflikt zwischen London und Teheran steht im Mittelpunkt der Kommentare der internationalen Presse. Ein weiteres Thema ist die Verfassungskrise in der Ukraine.

Der INDEPENDENT aus Großbritannien meint zur Freilassung der britischen Marinesoldaten:

«Welchen Unterschied ein Tag ausmacht. Am Mittwoch, als Irans Präsident die Freilassung der britischen Marineangehörigen bekannt gab, war Premierminister Tony Blair voll kleinlautem Lächeln und Dankbarkeit für das iranische Volk. Waren die Soldaten zurück auf britischem Boden, fielen die Hemmnisse und der Iran saß wieder auf der Anklagebank. Falls der Premierminister - so scheint es - gehofft hat, das diplomatische Remis in einen moralischen Sieg umzuschreiben, so hat er dabei versagt zu überzeugen.»

In der italienischen Zeitung LA REPUBBLICA heißt es:

«Die 'Krise der Seeleute' endet mit einem Handschlag zwischen dem iranischen Präsidenten und den gefangen genommenen britischen Marineangehörigen (...), die vor laufenden TV-Kameras live freigelassen wurden. Ein Medien-Coup, der seine Wirkung für Ahmadinedschad nicht verfehlt. Der definiert die Freilassung als 'Geschenk ans britische Volk'. Gesten und Worte, die es dem Präsidenten erlauben, sich dem Westen und der islamischen Welt als vernünftiger Mann zu präsentieren, der gleichzeitig seinen Prinzipien treu bleibt. Tatsächlich ist die Bilanz dieser kleinen Seeschlacht, die sich zwischen den Ufern der Schatt el Arab und denen der Themse abgespielt hat und die Regierungen der halben Welt beschäftigt hat, aber viel komplexer, als sie auf den ersten Blick erscheint.»

LA PRESSE DE LA MANCHE aus Frankreicht stellt fest: «Man kann hoffen, dass der Iran sich der Exzesse seines Präsidenten bewusst wird, die die internationalen Beziehungen vergiften. Umso besser, wenn seine Entscheidung, die Geiseln nach Hause zu schicken, ein Zeichen der Entspannung sein soll. Man mag denken, dass ein Teil der iranischen Führer der Paukenschläge Mahmud Ahmadinedschads müde ist. Das einfachste und sicherste Mittel, keine lästigen Geiseln freilassen zu müssen, die dem Iran eine schlechte Presse verschaffen, ist es, erst gar keine Geiseln zu nehmen. Was die Atomfrage angeht: Niemand, der den Frieden aufrechterhalten will, kann Atomwaffen in der Hand eines Landes hinnehmen, dessen Verhalten völlig unvorhersehbar ist.»

Und im STANDARD aus Österreich ist zu lesen:

«Die 15 Soldaten waren die Opfer in dieser Affäre - wirklich vorgeführt von Teheran wurden der britische Premier Tony Blair und sein Kriegskabinett. Für Blair war der unrühmliche Ausgang dieser Patrouillenfahrt im Persischen Golf eine weitere Schlappe zum Ende seiner Amtszeit. Der Krieg im Irak, in den er sein Land vor vier Jahren führte, ist unpopulär. Dem Sinnstifter des Feldzugs, als der Blair immer wieder mit fast messianischem Gehabe auftrat, glaubt man nicht mehr. In dieser Stimmung wurde das Tauziehen mit dem Iran, das die Regierung ohnehin nur verlieren konnte, erst zum Desaster.»

Themenwechsel. In der Ukraine hat der Machtkampf zwischen Staatspräsident Viktor Juschtschenko und Regierungschef Viktor Janukowitsch zu einer Verfassungskrise geführt.

Die französische Zeitung LE FIGARO kommentiert:

«Präsident Juschtschenko hat lieber dem Drängen seiner Rivalin im Demokratenlager Julia Timoschenko nachgegeben, als passiv seiner eigenen Entmachtung zuzuschauen. Die Muse der 'Orangenen Revolution' hofft, mit Neuwahlen in der Bevölkerung die Bewegung auszulösen, die das Land vor zwei Jahren so in Atem gehalten hat. Und am Ende der Hauptnutznießer zu sein. Es ist ein riskantes Manöver der Person, die damals ohne zu zögern das Orangene Lager geschwächt hat, um sich dem Staatschef entgegen zu stellen. Es zeigt, in welchem Ausmaße seit der Einführung der Demokratie persönliche Ambitionen das politische Spiel in der Ukraine beherrschen."

In der russischen Wirtschaftszeitung WEDOMOSTI heißt es:

«Die Entscheidung von Präsident Viktor Juschtschenko ist keine Amtsanmaßung. Vielmehr hat der Staatschef damit den Weg für groß angelegte Verhandlungen freigemacht. Gleichzeitig hat Juschtschenko Regierungschef Viktor Janukowitsch zu verstehen gegeben, dass dessen Macht nicht grenzenlos ist. Auch wenn es überrascht, hat Juschtschenko reale Chancen, die Partie zu gewinnen. Während Oppositionsführerin Julia Timoschenko mit ungestümem Elan kämpft, liebt Regierungschef Viktor Janukowitsch Kaderspiele. Dagegen erweist sich die Kompromissbereitschaft des Präsidenten in der derzeitigen Situation als vorteilhaft."

Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG aus der Schweiz schreibt:

«Ob die von Präsident Juschtschenko angeführten Gründe für die vorzeitige Parlamentsauflösung tatsächlich verfassungskonform sind, muss das Verfassungsgericht entscheiden. (...) Aber werden die Konfliktparteien in Kiew den Entscheid des Verfassungsgerichts auch dann anerkennen, wenn er gegen ihre Interessen ausfällt? Auch das ist im flächenmäßig größten Land Europas mit seinen noch schwachen demokratischen Traditionen alles andere als gesichert."

Abschließend noch ein Blick in die ungarische Zeitung:NEPSZABADSAG: «Es wäre schiere Dummheit, alle Probleme der Ukraine darauf zu reduzieren, dass Juschtschenko sich Richtung NATO und Janukowitsch Richtung Putin orientiert. Das Grundproblem ist, dass die gewählten Volksvertreter der Ukraine so viele Jahre nach dem Systemwechsel (...) nicht fähig waren, die Befugnisse der Gewalten im Staat klar abzugrenzen. (...) Das Wesentliche: Die zwei Orientierungen (nach Osten und nach Westen) der Ukraine kann man kaum ändern, wohl aber kann und soll man die demokratischen Defizite durch allgemeinen Konsens im Interesse der Zukunft abschaffen."