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Internationale Pressestimmen der vergangenen Woche

Beatrice Hyder21. April 2007

Amoklauf von Virginia / Omon-Einsatz in Moskau und St. Petersburg

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Gewalt prägte die vergangene Woche: Zunächst verprügelten am vergangenen Wochenende russische Sonderpolizisten Demonstranten und auch deutsche Journalisten, dann sorgte am Montag ein südkoreanischer Amokläufer im US-Bundesstaat Virginia für Entsetzen. Er erschoss an einer Universität 32 Studenten und Lehrkräfte und anschließend sich selbst. Die meisten ausländischen Zeitungen kritisierten angesichts von 192 Millionen Schusswaffen in den USA erneut die laxe Waffengesetze dort.

So auch der TAGESANZEIGER aus der Schweiz:

"Solange jedem amerikanischen Bürger, gleichgültig wie psychisch instabil er sein mag, das Recht auf Schusswaffenbeseitz zusteht und eine Pistole auf einfachste Weise erstanden werden kann, werden sich solche Schreckenstaten wiederholen."

Der niederländische DE VOLKSKRANT schreibt:

"Für viele Amerikaner ist und bleibt das Recht auf Waffen ein Glaubensbekenntnis, das ein wesentliches Merkmal ihrer Nation ausdrückt. Es ist verbunden mit einer (oft romantisierenden) Wahrnehmung eines reinen, selbtständigen Lebens in der Pionierzeit."

Die britische Zeitung THE INDEPENDENT meint:

"..das so genannte 'Recht zum Tragen' (von Waffen) ist in vielen Teilen der USA heilig. Besonders im Süden wird es als Garant für persönlicher Freiheit angesehen und als notwendige Begrenzung der zentralisierten Macht. 'Gewehre töten keine Menschen', pflegen die Unterstützer der US-Waffenlobby zu sagen. 'Menschen töten Menschen'."

Das französche Blatt LIBÉRATION schreibt:

"Die (vom US-Regisseur) Michael Moore (in seinem Film 'Bowling for Columbine') kritisierte übermächtige Lobby National Rifle Association beherrscht das Denken genauso wie die Abgeordneten in Washington. Man sagt, in Frankreich ende alles mit einem Lied. Im Land von John Wayne, Charlton Heston und George Bush endet jede Wut, jeder Herzensschmerz, jeder Streit zwischen Nachbarn und Dealern und jede Depression mit einer Schießerei."

Die Wiener Tageszeitung KURIER meint, die Ursachen zu kennen:

"In einer Gesellschaft, die sich ständig über - vielfach eingebildete - 'Feinde' definiert, bei deren Nachrichtensendungen selbst ein seelisch gesunder Mensch bald Gefahr läuft, in Paranoia zu verfallen, mag ein Massaker an einer Universität zwar schockieren, aber verwundern muss es nicht. Wer Waffen verherrlicht und perfekt ist im Kreieren von Feindbildern, entsprechenden Computer-Spielen und TV-Sendungen, dessen Kinder leben gefährlich. Nicht nur im Irak, auch auf dem Uni-Campus."

Der französische FIGARO redet den Europäern dagegen ins Gewissen:

"Sie vergessen.., dass ein Massaker wie das von Virginia Tech im Jahre 2002 in Erfurt 18 Tote gefordert hat, dass ein anderer Amokläufer im Jahre 1996 im schottischen Dunblane 16 Schüler und einen Lehrer getötet und dann Selbstmord begangen hat...Der mörderische Wahnsinn hat leider keine Grenzen."

Themenwechsel. Am vergangenen Wochenende gingen Sondereinheiten der russischen Polizei in Moskau und St. Petersburg gewaltsam gegen Demonstranten der Opposition unter Führung des früheren Schachweltmeisters Garri Kasparow wie auch gegen deutsche Journalisten vor.

Die BASLER ZEITUNG schreibt dazu:

"Der Kreml hat seine Lektion aus den friedlichen Revolutionen in Georgien und der Ukraine gelernt, als nach dreisten Wahlfälschungen Protestdemonstrationen schnell anschwollen und die dortigen Regierungen zu Fall brachten. Er will Proteste so klein wie möglich halten und Normalbürgern Angst einjagen. Das mag kurzfristig aufgehen. Langfristig war dieses Verhalten noch selten eine gesunde politische Strategie."

Die italienische Zeitung LA REPUBBLICA äußert ihr Unverständnis, da die Ausgangslage in Russland nicht mit der in Georgien und der Ukraine vergleichbar sei:

"...Derjenige, der Russland gegenwärtig in der Hand hat, (ist) kein taumelnder Autokrat wie es seinerzeit in Kiew oder Tiflis der Fall war. In Moskau liegt die Macht in den Händen von Wladimir Putin, und der ist in keinster Weise im Wanken begriffen oder in Misskredit gebracht. Putin ist sogar sehr populär, zwischen 70 bis 80 Prozent der Russen sind äußerst zufrieden, von ihm regiert zu werden."

Ähnlich äußert sich die in Wien erscheinende PRESSE. Sie fragt provokant:

"Sind die Mächtigen in Moskau schon völlig durchgeknallt? Wenn dieses Häuflein der Bürger- und Menschenrechtler, Liberalen, Nationalbolschewisten und Anarchisten den Putinisten einen solchen Schrecken einjagt, dass man eine ganze Polizeiarmee gegen sie losschickt, dann ist es um ihre Machtbasis schlecht bestellt...Dann hat der Kreml mit dieser Machtdemonstration seine eigentliche Schwäche gezeigt."

Auch der französische FIGARO stellt fest:

"Mehr Russen trauern dem Sowjetregime hinterher, als eine Demokratie nach westlichem Muster wollen. Der von Wladimir Putin verkörperte starke Staat würde bei einer Volksabstimmung mit großer Sicherheit große Zustimmung erfahren. Die Freunde Kasparows werden also bei der Mehrheit ihrer Mitbürger keine Popularität gewinnen, weil ihre Kundgebungen unterdrückt werden."

Die in Moskau erscheinende MOSKOWSKI KOMSOMOLEZ fasst das Vorgehen der Sonderpolizei so zusammen: "Wer genug Kraft hat, braucht keinen Verstand." Das Blatt schreibt weiter:

"Wieder einmal haben es unsere Regierenden geschafft, aus dem Nichts gewaltige Probleme aufzutürmen und diese dann 'heldenhaft' aus dem Weg zu räumen. Wieso durfte das Häuflein Dissidenten nicht seinen Marsch veranstalten? Das hätte wohl kaum zu einer Jahrhundertkatastrophe geführt. Im Gegenteil: Nur die wenigsten hätten die Proteste überhaupt zur Kenntnis genommen."