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Internationale Pressestimmen der vergangenen Woche

Christoph Schmidt25. August 2007

Irak-Einsatz/Vietnamkrieg

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'Geschichte wiederholt sich nicht' - dieser Historikerweisheit mag sich US-Präsident George W. Bush nicht anschließen. Auf einem Veteranentreffen in Kansas City verglich er am Dienstag den US-Einsatz im Irak mit dem Vietnamkrieg - und zog daraus seine eigenen Schlüsse. Amerikas Rückzug 1975 habe verheerende Folgen für die Menschen in Vietnam und Kambodscha gehabt, so Bush. Diesen Fehler dürfe die Supermacht im Irak nicht wiederholen. In der ausländischen Presse wird die Geschichtsinterpretation des Präsidenten kritisch kommentiert.

Die italienische Zeitung LA REPUBBLICA schreibt:

'Bush liest die Geschichte andersherum. Nicht die amerikanische Invasion in Indochina war das Problem, sondern der Rückzug. Wenn sich die amerikanische Präsidentschaft gezwungen sieht, dieses Gespenst auszugraben - das sie viereinhalb Jahre lang zu vertreiben versucht hat - dann liegt das daran, dass laut Bush der Kern des Krieges gegen den Terrorismus der gleiche ist, wie beim Krieg gegen kommunistische Regimes. Das ist eine Schwindel erregende Verallgemeinerung, die zeigt, mit welcher Verzweiflung momentan Propaganda betrieben wird.'

Die BASLER ZEITUNG aus der Schweiz hält die Sicht des Präsidenten für geschichtsvergessen und makaber:

'Wer die Gräuel der Nachkriegszeit im früheren Indochina aufrechnet, der darf diejenigen des Krieges nicht verschweigen. Bushs Geschichtsklitterung verhöhnt die Opfer des Massakers von My Lai 1968 und all jene, die das von den USA eingesetzte Entlaubungsmittel Agent Orange noch heute entstellt. Anders als ihr derzeitiger Präsident bedauert in den USA eine Mehrheit der Bevölkerung, dass der Krieg damals nicht früher zu Ende ging. Ebenfalls eine klare Mehrheit will das Irak-Abenteuer endlich beenden.'

In den SALZBURGER NACHRICHTEN aus Österreich heißt es zur Gleichsetzung von Irak und Vietnam:

'Die politischen Rahmenbedingungen sind ebenso wenig vergleichbar wie die militärischen Voraussetzungen. Kein Wunder. Während seine Altersgenossen gezwungen waren, in Vietnam die freie Welt zu verteidigen, saß Bush dank väterlichen Einflusses sicher im Cockpit eines Flugzeugs der Nationalgarde zu Hause. Doch dem Präsidenten geht es nicht um ein korrektes Bild der Vergangenheit oder der Gegenwart. Er will sich nicht der Debatte stellen, wie der Militäreinsatz der USA im Irak Sinn ergibt. Da flüchtet er lieber in den schiefen Vergleich.'

Die spanische Zeitung EL MUNDO glaubt:

'Der Countdown für den Abzug der US-Truppen aus dem Irak läuft bereits. Das Problem liegt nicht bei der Regierung in Bagdad, sondern beim US-Präsidenten und dessen Beratern, die Fantasien von einem freien und demokratischen Irak verbreiten. Es ist unglaublich, dass der Präsident die Folgen der Intervention ignoriert. Dazu gehören die Massaker und ethnische Säuberungen im Irak, das Geschenk eines strategischen Sieges für den Iran und die Gefahr eines Krieges zwischen Sunniten und Schiiten.'

Und der DAILY TELEGRAPH aus Großbritannien meint:

'In der Hitze der Wahlkampf-Propaganda senden die USA verwirrende Signale über ihre Verpflichtungen im Irak. Bush und sein Nachfolger werden eine schlüssige Strategie für den Abzug der Truppen vorlegen müssen. Es ist wahrscheinlich, dass die Folgen einer Niederlage im Irak sehr viel ernster sind als damals in Vietnam. Denn Südostasien ist kein Opfer des Domino-Effekts geworden, nachdem Saigon gefallen war. Ein Irak, der im Bürgerkrieg versinkt, verspricht, eine wesentlich größere Bedrohung für den Westen und die Sicherheit zu sein.'