1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Internationale Pressestimmen der vergangenen Woche

Hans-Bernd Zirkel16. Juni 2002

Parlamentswahlen in Frankreich / Präsidentschaftswahl in Afghanistan / Welternährungsgipfel in Rom

https://p.dw.com/p/2QQW

Deutsche Themen oder Ereignisse wurden in der europäischen Tagespresse in dieser Woche nicht kommentiert. Im Mittelpunkt des Interesses standen vielmehr die Parlamentswahlen in Frankreich, die Präsidentschaftswahl in Afghanistan und der Welternährungsgipfel in Rom.

Zu den französischen Parlamentswahlen war in der britischen Wirtschaftszeitung FINANCIAL TIMES zu lesen:

"Wenn die Ergebnisse der ersten Runde (an diesem) Sonntag bestätigt werden, wird Frankreich in den nächsten fünf Jahren eine solide konservative Mehrheit haben. Die aufgezwungene Kohabitation zwischen einem rechten Präsidenten und einer linken Regierung wird der Vergangenheit angehören. Präsident Jacques Chirac hat jetzt keine politischen Entschuldigungen mehr dafür, die überfälligen Reformen des höchst zentralisierten Systems durchzuführen. Er hat jetzt die Gelegenheit zur Korrektur. Er hat die Macht. Jetzt muss er den Mut aufbringen."

Die römische Tageszeitung LA REPUBBLICA kommentierte:

"Der rechte Wind, der über Europa weht, hat auch Frankreich erfasst. Aber es handelt sich um einen gemäßigten Wind. Gleichzeitig ist nämlich die extreme Rechte neutralisiert und eingedämmt worden. Le Pen, der schwarze Mann, ist kleiner geworden. So weit, dass er nicht allzu sehr den zweiten Durchgang wird stören können."

Das niederländische unabhängige ALGEMEEN DAGBLAD meinte:

"Der Trend deutet auch in Frankreich unzweideutig auf eine Rechtsentwicklung hin, wie sie sich schon in den Niederlanden gezeigt hat. Nach einer Periode, in der linke Parteien in mehreren europäischen Ländern der Politik ihren Stempel aufdrücken konnten, zeichnet sich jetzt überall eine deutliche Verschiebung zur anderen Seite ab. Das erwartet möglicherweise auch den deutschen Bundeskanzler Schröder, wenn er im Herbst für die Arbeit seiner rot-grünen Koalition Verantwortung ablegen muss."

Die liberale österreichische Tageszeitung DER STANDARD sieht eine Gefahr für den Euro-Stabilitätspakt, die er wie folgt begründete:

"Bekommt die Regierung (an diesem) Sonntag wirklich ihre absolute Mehrheit, kann sie an die fünfprozentige Einkommenssteuersenkung herangehen, die Chirac den Wählern versprochen hat. Angesichts des hohen Defizits im Pariser Budget lässt sich damit freilich ein früheres Versprechen des Präsidenten nicht mehr einhalten. Er hat es auf dem EU-Gipfel von Barcelona im März seinen Partnern in Euroland gegeben: Auch Frankreich solle bis 2004 in die Nähe eines ausgeglichenen Haushalts kommen."

Beim Thema Afghanistan waren sich die meisten Kommentatoren einig, dass die Wahl Hamid Karsais zum neuen Präsidenten des Landes nur wenig mit Demokratie zu tun hatte. So hieß es in der spanischen Zeitung EL PAIS:

"Die USA haben ihren Willen in Afghanistan durchgesetzt. Das Ergebnis der Loja Dschirga stand schon vorher fest. (...) Die große Versammlung der Stammesführer war nur ein Chor, der seine Zustimmung gab, und kein Forum für eine Debatte. Wer einigermaßen realistisch ist, kann so etwas wie Demokratie in Afghanistan nicht erwarten. Es ging nur darum, ein neues Regime zu etablieren, das aus dem Krieg
der USA gegen Osama bin Laden hervorgegangen war."

Die niederländische konservative Zeitung TELEGRAAF bemerkte:

"Auf der Schulter von Hamid Karsai ruht jetzt eine schwere Last. Davon muss er sich vor den Augen seiner Völker schnell und gründlich befreien. Die meisten Kilos liefern die Vereinigten Staaten, die erst einmal tief aufatmen, weil 'ihr Mann' vorläufig an der Macht ist. Die Loja Dschirga, die ihn (...) zum Präsidenten wählte, fühlt sich betrogen. Es gab nur die eine Wahlmöglichkeit. Das Konzept der Loja Dschirga wurde den Interessen der USA angepasst."

Und schließlich stellte die liberale österreichische Tageszeitung DER STANDARD fest:

"Dass die Vorgänge in Afghanistan mit Demokratie nicht viel zu tun haben, mussten die Vertreter der Zivilgesellschaft, allen voran die Frauen, schon im Vorfeld der Loja Dschirga erfahren.
Realistischerweise muss man jedoch eingestehen, dass die Tatsache, dass sie in der afghanischen Politik auch in den nächsten Jahren nicht zum Zug kommen werden, nicht das größte Problem des Landes sein wird. Wenn es so wäre - wie schön für Afghanistan."

Mit dem Welternährungsgipfel in Rom befasste sich die französische Tageszeitung LIBERATION aus Paris:

"Um Hunger und Elend zu bekämpfen, sind die Rezepte mancher Nichtregierungsorganisationen nicht geeignet. Sie predigen den Verzicht auf den globalen Warenaustausch und auf technische Hilfen, etwa genetisch veränderte Pflanzen. Das hilft nicht weiter. Aber auch der jetzige Zustand ist nicht akzeptabel. 815 Millionen Menschen sind dazu verurteilt, allmählich an Hunger und Mangelernährung zu Grunde zu gehen. Das ist eine doppelte, moralische und geostrategische Herausforderung. Den Terroristen ist der Hunger völlig gleichgültig. Aber sie reden dennoch viel über das Elend dieser Erde, um weitere Anhänger zu rekrutieren. Der 'Krieg gegen den Terrorismus' muss deshalb auch eine Krieg gegen den Hunger sein."

Der Kommentator der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG schrieb:

"Die von der FAO präsentierten allgemeinen Forderungen haben wenig zu tun mit der eigentlichen Kernkompetenz der Organisation. Die FAO wurde 1945 ins Leben gerufen und mit der Aufgabe betraut, die Produktivität der Agrarwirtschaft von Entwicklungsländern und die Bedingungen der Landbevölkerung zu verbessern. (...) Auf dieses Know-how sollte sich die FAO konzentrieren und sich nicht - wie das
andere multilaterale Organisationen tun - in politischen Großkämpfen aufreiben. Was die Kritiker einer Institution wie der Weltbank nahe legen, nämlich sich auf ein bescheideneres Programm zu besinnen, sollte auch von der FAO beherzigt werden."

Zum Schluss noch einmal die spanische Zeitung EL PAIS, die bemängelte:

"Der Hunger wird in der westlichen Welt von denen, die nicht darunter leiden, als etwas wahrgenommen, das so unvermeidlich ist wie eine Naturkatastrophe. Allein aus diesem Grund sind Treffen wie der Welternährungsgipfel in Rom zum Scheitern verurteilt. Die Tatsache, dass drei Milliarden Menschen unterernährt sind und 800 Millionen an Hunger leiden, weckt so wenig Interesse, dass sich kaum
ein Regierungschef aus den reichen Ländern zum Gipfel bemüht."