1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Internationale Pressestimmen der vergangenen Woche

Hans-Bernd Zirkel6. Juli 2002

Streit um Internationalen Strafgerichtshof

https://p.dw.com/p/2T18

Meistkommentiertes Thema dieser Woche war in der europäischen Tagespresse die Drohung der USA, die UN-Friedensmission in Bosnien zu blockieren, sollten die an UN-Einsätzen beteiligten US-Soldaten keine Immunität vor dem Internationalen Strafgerichtshof erhalten.

Das niederländische unabhängige ALGEMEEN DAGBLAD aus Den Haag bedauerte:

"Die USA bestimmen zunehmend einseitig, was gut ist für die Welt, und sie lehnen kategorisch ab, dass sich die Völkergemeinschaft selbst ein Urteil darüber bildet. Sie nehmen es dabei hin, dass sie sich so von anderen Ländern entfremden, auch von ihren Partnern im NATO-Bündnis. (...) Die alleine übrig gebliebene Weltmacht scheint zu vergessen, dass die Voraussetzungen für Friede und Sicherheit nicht nur in Washington definiert werden und dass sie Partner braucht, um ihr Ziel zu erreichen."

Der Kommentator der britischen Wirtschaftszeitung THE FINANCIAL TIMES meinte:

"Es ist zutiefst betrüblich mit anzusehen, wie die USA versuchen, die Geburt einer UN-Institution für die Verteidigung der Menschenrechte zu verhindern. Denn das wäre in Wahrheit das Ergebnis der gegenwärtigen US-Bemühungen, amerikanische Soldaten außerhalb der Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs zu stellen. Die EU darf ihre Prinzipien jetzt nicht aufgeben. Sie hat sich zu Recht zur Etablierung des Gerichts bekannt. Die US-Drohung kann diese Überzeugung nicht ändern. Wenn sie bedeutet, dass sich die USA aus den Friedensmissionen zurückziehen, dann muss es so sein. Die Gerechtigkeit hat einen Preis."

Auch die in Madrid erscheinende linksliberale spanische Tageszeitung EL PAIS riet der Europäischen Union, in dieser Frage standfest zu bleiben:

"Wenn die Unterzeichnerstaaten der Erpressung Washingtons nachgeben sollten, würde der neue Gerichtshof an Glaubwürdigkeit verlieren und Entwicklungspotenzial einbüßen. Die Europäische Union hat diesbezüglich eine gemeinsame Position, die es zu verteidigen gilt und für die geworben werden muss. In einer Welt Besorgnis erregender Ereignisse ist dieses Tribunal ein Zeichen der Hoffnung. Es darf nicht zugelassen werden, dass die USA diese Hoffnung zunichte machen."

In der Pariser Tageszeitung LES ECHOS war zu lesen:

"Die Weltmacht USA hält sich selbst für den 'hellsten Leuchtturm der Freiheit und des Fortschritts in der Welt'. Kann sie sich dann erlauben, in dieser Weise zwischen Gerechtigkeit und Frieden zu entscheiden? Ist es in ihrem eigenen Interesse, gegen den Internationalen Strafgerichtshof zu Felde zu ziehen und die Friedenstruppen in Kosovo, Sierra Leone, Zypern, Osttimor oder gar in Libanon und Palästina zu schwächen?"

Die Zeitung LUXEMBURGER WORT stellte fest:

"Die Weltmacht Amerika muss erkennen, dass sie nicht allein durch Machtpolitik bestehen kann, sondern selbst sie im weltweiten Krieg gegen den Terror auf Verbündete angewiesen ist. Nicht zuletzt sind sie die eifrigsten Verfechter für Verfahren gegen Terroristen und ihre Helfer wie Osama bin Laden oder Saddam Hussein. Dazu sind politische Kompromisse erforderlich.(...) Ein Blankoscheck für US- Soldaten wäre jedoch ein falsches, ja fatales Signal. Selbst eine Weltmacht darf nicht über dem Völkerrecht stehen. Gerade für ein kleines Land wie Luxemburg ist es von vitaler Bedeutung, dass Recht vor Macht geht."

Selbst in US-Zeitungen wurde das Verhalten der eigenen Regierung kritisiert. So hieß es in der WASHINGTON POST:

"Die Bush-Regierung vermischt übertriebenes Misstrauen gegenüber dem Internationalen Gerichtshof mit einer ungerechtfertigten Zerschlagung friedenserhaltender Maßnahmen. Damit schadet sie aber nicht nur dem Interesse der USA an einem stabilen Balkan, sondern liefert den Kritikern eines US-Unilateralismus auch noch einen Propaganda-Sieg."

Der Kommentator der NEW YORK TIMES schrieb:

"Schlimm genug, dass die Rgierung Bush versucht, den Internationalen Strafgerichtshof zu unterminieren. Sie sollte es aber vermeiden, außerdem auch noch die internationalen Friedensmissionen zu beschädigen."

Und die Zeitung THE BOSTON GLOBE kommentierte:

"Niemand verlangt, dass Präsident Bush die Bildung des Strafgerichtshofs freudig begrüßt. Aber man kann von seiner Regierung durchaus erwarten, dass sie von diesem arroganten und selbstgerechten Feldzug absieht, der nur dazu führt, dass wertvolle Verbündete verprellt werden und der Status der USA als führende Weltmacht untergraben wird."

Zum Schluss die Schweizer NEUE ZÜRCHER ZEITUNG mit folgendem Rat:

"Die Europäer sollten von ihrem surrealen Rechtsrigorismus lassen und auf amerikanische Einwände eingehen, die Amerikaner sich sichtbar bequemen, Abstriche an ihrem übertrieben wirkenden Souveränitätsverständis zuzulassen. Man ist aufeinander angewiesen. Kein Gerichtshof kann Europa retten, wenn es wieder ernst gelten sollte, und Amerika braucht seine vetrauten Alliierten mehr denn je. Einfache Erkenntnisse sind billig zu haben; je schneller sie aber in praktische Politik umgesetzt werden, desto besser."