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Internationale Pressestimmen der vergangenen Woche

Hans-Bernd Zirkel10. August 2002

Debatte um einen möglichen Angriff auf Irak

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Die Kommentare der europäischen Tagespresse wurden in dieser Woche von einem Thema beherrscht: der Haltung Europas und insbesondere der Haltung Deutschlands zu Plänen der USA für einen Militärschlag gegen Irak.

Nicht zuletzt in einem Interview des Deutsche-Welle-Fernsehens hatte Bundeskanzler Gerhard Schröder eine deutsche Beteiligung an einem Krieg gegen Irak abgelehnt. Dazu meinte die konservative dänische Tageszeitung BERLINGSKE TIDENDE aus Kopenhagen:

"Wer schon jetzt, lange bevor jemand wirklich weiß, wie eine US- Aktion wirklich aussieht, sehr bestimmt von der Anwendung militärischer Mittel gegen den Despoten Saddam Hussein und sein Terror unterstützendes Regime Abstand nimmt, hilft ihm in Wirklichkeit bei dem, was er selbst derzeit eisern verfolgt. Saddam Hussein will die öffentliche Meinung im Westen spalten und damit Zeit sowie Ruhe zur Fortsetzung des Kurses gewinnen, zu dem höchstwahrscheinlich die Entwicklung von Massenvernichtungswaffen gehört."

Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG ging auf die Äußerung des Kanzlers ein, die SPD werde in ihrer Wahlkampagne einen 'deutschen Weg' einschlagen:

"Dabei ging Schröder - bewusst oder unbewusst - das Risiko einer Fehlinterpretation seiner Worte ein. Seine Kritiker jedenfalls bezogen die Erwähnung des 'deutschen Weges' auch auf die Außenpolitik. Nachgerade übereinstimmend wird Schröder von Politikern aller Parteien daher an Deutschlands europäische Verpflichtungen erinnert. Auch Fischers Eintreten für eine gemeinsame europäische Haltung gegenüber dem Irak wird jetzt in denselben Zusammenhang gestellt. Das Medienecho ist einhellig negativ. Schröders 'nationale Töne' werden, obwohl sie nicht zum ersten Mal laut werden, jetzt stärker als früher beanstandet. Der Berliner Regierungschef muss sich gar an Deutschlands Alleingänge und dessen Sonderrolle im 19. Jahrhundert erinnern und sich bescheinigen lassen, im Eifer des Wahlkampfes auf Abwege geraten zu
sein."

Das sei alles nur Wahlkampf meinte die niederländische,
sozialdemokratisch orientierte Zeitung DE VOLKSKRANT:

"Es gibt nur eine echte Erklärung für die scharfe Veränderung des Tons in Deutschland: Die deutschen Wähler drohen, in sieben Wochen die rot-grüne Regierung wegzuschicken. (...) Die Absicht ist klar:
Unter Kriegsdrohung präsentiert sich Schröder als ein Kanzler des Friedens. Und damit unterstellt er, dass der politische Gegner Deutschland leichter in ein Irak-Abenteuer stürzen würde. (...) In Wirklichkeit sind sich Regierung und Opposition in den letzten Jahren immer über das militärische Auftreten und Treue zum amerikanischen Bundesgenossen einig gewesen. Auch zum Thema Irak sind die Positionen nicht so unterschiedlich, wenn man die Wahlkampfrhetorik außer Acht lässt."

Die konservative französische Tageszeitung LE FIGARO aus Paris verwies darauf, dass die Außenpolitik nicht nur in Deutschland von innenpolitischen Zwängen und Rücksichtnahmen beherrscht werde:

"In London muss Tony Blair der Tatsache Rechnung tragen, dass ein Angriff auf den Irak in seiner eigenen Partei am stärksten abgelehnt wird. In Deutschland schlägt Gerhard Schröder pazifistische Saiten an und versucht so, traditionell sozialdemokratische Wählerschichten zu mobilisieren, die von seiner Wirtschaftspolitik enttäuscht sind.
Und in Moskau will Wladimir Putin, dem Vorwürfe wegen des
Einschwenkens auf Washingtons Linie nach dem 11. September gemacht werden, sich durch Distanz in der Irak-Frage wieder eine weiße Weste zulegen."

Die konservative britische Zeitung DAILY MAIL forderte
Premierminister Tony Blair auf, US-Präsident George Bush die europäischen Sorgen deutlich zu machen:

"Der deutsche Kanzler Gerhard Schröder, der zur Zeit um seine Wiederwahl wirbt, hat eine deutsche Rolle bei jedweder Aktion ausgeschlossen. Brüssel ist zutiefst besorgt über mögliche Militäraktionen der USA. Und in Großbritannien bringt jeder Tag neue Hinweise darauf, dass die britische Öffentlichkeit dem militaristischen George Bush nicht traut. Wer kann es den Leuten verübeln? Ist es ein Wunder, dass sogar dem Premierminister selbst Zweifel kommen? Er muss seine Bedenken dem Weißen Haus deutlich machen. Blair hat sich in der Vergangenheit als zuverlässiger Verbündeter erwiesen, und damit hat er sich das Recht erworben, Bush
zur Vorsicht aufzufordern. Er sollte ein offener und ehrlicher
Freund sein."

Letztendlich aber - so die in Moskau erscheinende russische
Tageszeitung NESAWISSIMAJA GASETA - werde Europa treu an der Seite der USA stehen:

"Deutschland setzt sich für den Irak ein. Aber sollte der Krieg doch beginnen, wird Europa Washington dennoch seine Unterstützung zusichern. (...) Es ist bekannt, dass die meisten Verbündeten der USA deren Irak- Pläne nicht gutheißen (...). Doch was auch immer die Amerikaner im Persischen Golf tun werden, für die Europäer stellt das die Partnerschaft mit Washington nicht in Frage."

Was aber kann Europa bewirken, fragte der Kommentator der liberalen dänischen Tageszeitung POLITIKEN aus Kopenhagen und stellte resigniert fest:

"Die harte Wirklichkeit aber ist die, dass die Bush-Administration der europäischen Skepsis ziemlich gleichgültig gegenüber steht. Wir werden nicht um Mitwirkung gebeten. Da macht auch die Mitteilung eines Kanzlers Schröders, er werde keine Truppen stellen, von der Natur der Sache her keinen sonderlich starken Eindruck."