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Internationale Pressestimmen der vergangenen Woche

Hans-Bernd Zirkel 31. August 2002

TV-Duell / Irak-Debatte

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In den europäischen Tageszeitungen fanden in der vergangenen Woche zwei Themen besondere Beachtung: die ablehnende deutsche Haltung zu den Kriegsdrohungen der USA gegen Irak und das Fernsehduell zwischen Bundeskanzler Gerhard Schröder und seinem Herausforderer Edmund Stoiber.

Zu diesem Rededuell war in der linksliberalen britischen Zeitung THE GUARDIAN zu lesen:

"Die erste Fernsehdebatte zwischen den Kandidaten für die deutsche Kanzlerschaft ist nach allgemeiner Einschätzung unentschieden ausgegangen - und das ist für den Kandidaten der Rechten, Edmund Stoiber, ein besseres Ergebnis, als erwartet worden war."

Die TIMES aus London bemerkte:

"Obwohl sich Schröder beim Ausnutzen des Hochwassers als sehr geschickt erwiesen hat, könnte die gestiegene Zustimmung für ihn so schnell wieder abebben wie das Flutwasser. Stoiber hat unbarmherzig die Dinge angesprochen, die der SPD das größte Unbehagen bereiten: eine Arbeitslosigkeit von über vier Millionen und eine träge Wirtschaft."

Auch der konservative FIGARO aus Paris sah den CSU-Kanzlerkandidaten im Vorteil:

"Stoiber ist (...) seinem negativem Image entkommen, er war schnell und mündlich brillant. Schröder blieb Schröder, aber ein bisschen weniger gut und oft in der Defensive."

Die italienische Zeitung CORRIERE DELLA SERA stellte fest:

"Dem bayerischen Ministerpräsidenten sind praktisch keine Schnitzer unterlaufen und allein das ist für ihn bereits ein sehr gutes Resultat. Die Stärke des Kanzlers war es hingegen, sich erneut als Staatsmann zu profilieren, der die Aufgabe hat, das Land in einer sehr schwierigen Zeit zu führen."

Die unabhängige französische Tageszeitung LE MONDE urteilte:

"Eingezwängt in sehr strikte Regeln hat die Debatte (...) keinem der beiden Kontrahenten Aufwind gegeben. Sie hat den Partnern Deutschlands auch keinerlei Hinweise darauf gegeben, wie die Wahl ausgehen könnte. Bevor die Berliner Regierung nicht gewählt ist, wird sich in Europa nichts Entscheidendes bewegen."

Kritik kam von der konservativen österreichischen Zeitung DIE PRESSE aus Wien:

"Das deutsche Fernsehduell hat die Quoten einiger Sender vergrößert, den Durchblick auf Deutschlands Zukunft jedoch nicht. Weder der nervöse Herausforderer noch der überhebliche Amtsinhaber konnten den Eindruck vermitteln, im wichtigsten Staat Europas stehen Staatsmänner zur Auswahl, auf die man sich verlassen kann. Männer, die Deutschland aus seiner schlimmsten Nachkriegskrise steuern können. Hinter den von Beratern aller Kreativität entkleideten Positionen und gedrechselten Sätzen sind die Visionen ausgeblieben. Deutschlands Parteiendemokratie hat durch die Mutation zur Show nicht an Qualität gewonnen."

Das ganze sei eben nur ein Schaukampf gewesen, kommentierte das österreichische Massenblatt KURIER:

"Schröder punktet gegen Stoiber. Stoiber behauptet sich gegen Schröder. Nein, ganz anders, das erste TV-Duell der deutschen Kanzlerkandidaten endete unentschieden. Oder doch nicht? Betrachtet man die Umfrage-Ergebnisse verschiedener deutscher Institute, so wird lediglich klar, dass nichts klar ist. Oder anders ausgedrückt: Einen eindeutigen Gewinner der Konfrontation bietet die versammelte Meinungsforschung nicht. Was zumindest für SPD und CDU/CSU recht praktisch ist. Kann doch jede der beiden Parteien jetzt locker behaupten, dass ihr Spitzenkandidat vorn liegt. Und da macht es auch gar nichts aus, dass inhaltlich nur wenig Neues geboten wurde. Denn Schaukämpfe brauchen keine Sieger. Nur Zuschauer. Und davon gab es genug."

Themenwechsel: Der britische GUARDIAN befasste sich auch mit der ablehnenden Haltung der Bundesregierung zur Irak-Politik der USA und schrieb:

"Anders als Stoiber es gern hätte, ist die drängende Frage dieses Jahrzehnts nicht die alte nach Deutschlands Rolle in Europa, sondern die nach dem Verhältnis eines sich vereinigenden Europas zu den Vereinigten Staaten. (...) Die Stimme Deutschlands als größter Industrienation, die auf Atomwaffen verzichtet hat, sollte großes Gewicht haben. Weite Teile der deutschen Wählerschaft unterstützen Schröder dafür, dass er in der Irak-Frage eine deutliche Sprache spricht. Wenn es ihnen gelingen sollte, Schröder an der Macht zu halten, werden wir allen Grund haben, diesen Deutschen dankbar zu sein."

Dagegen merkte die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG aus der Schweiz kritisch an:

"Alles, woran man sich halten kann, sind die Worte der Herren Bush, Cheney und Rumsfeld, die alle unisono besagen, es sei keine Entscheidung über eine Militäraktion gefallen. Auch hat ein größerer Aufmarsch, der sichtbar wäre, nicht eingesetzt. (US-Präsident George W.) Bush wiederholt zudem für jeden, der ihm wirklich zuhören will, er sei ein geduldiger Mann - was er ja auch vor dem Schlag gegen die Taliban in Afghanistan bewiesen hatte. Dennoch glaubt (Bundeskanzler Gerhard) Schröder, aus höherer Einsicht vor Abenteuern und Fehlern der Supermacht warnen zu müssen, und der neue Verteidigungsminister (Peter Struck) sieht sich veranlasst, auf deutsche Souveränität zu pochen, als ob diese von den Amerikanern unter Beschuss geraten wäre."