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Internationale Pressestimmen der vergangenen Woche

Hans-Bernd Zirkel9. November 2002
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Die Kommentatoren der europäischen Tagespresse beschäftigten sich in der vergangenen Woche weniger mit deutschen, als vielmehr mit internationalen Themen. Im Vordergrund stand die Reaktion Europas auf die Wahlen in den USA und in der Türkei. So schrieb die niederländische Zeitung DE VOLKSKRANT zum Wahlerfolg der Republikaner von US-Präsident George W. Bush bei den Kongresswahlen:

"Die Welt von Bush ist übersichtlich. (...) Er unterscheidet
messerscharf zwischen Freund und Feind, Gut und Böse. Zudem ist er ein Mann starker moralischer Überzeugungen. Dies alles spricht die Amerikaner an. (...) Für Europa gilt das nicht. Was die Amerikaner als übersichtlich und deutlich ansehen, auch in moralischer Hinsicht, ist für die Europäer simpel, plump und moralistisch. Aus dieser Perspektive muss man den Erfolg von Bush bei den Kongresswahlen als aufschlussreich bewerten. Er symbolisiert die breite Kluft, die sich zwischen beiden Seiten des Atlantischen Ozeans aufgetan hat. Man muss fürchten, dass dies vor allem Europas Problem ist. Und dieses Problem ist sicher nicht kleiner geworden, da Bush sich jetzt gestärkt fühlen muss, noch mehr als vorher zu tun, was er sagt und woran er glaubt."

Die österreichische Zeitung DIE PRESSE aus Wien meinte:

"Global gesehen verheißt der Bush-Sieg nicht unbedingt Gutes. Der Präsident, und vor allem die maßgeblichen Männer hinter ihm, werden nun noch ungenierter als bisher in aller Welt militärisch und politisch mitmischen wollen - natürlich immer unter dem Siegel der Terrorbekämpfung. Die Verachtung für das in den Augen Bushs pazifistisch angehauchte Europa wird sicher nicht kleiner werden.
Und daß Bush nun, mit gestärktem Rücken, in der Frage des
Internationalen Strafgerichtshofes einlenken wird, ist so gut wie ausgeschlossen; noch weniger beim Klimaschutz, wo Bush sich ja mit Unterstützung der Industrie seit langem erfolgreich wehrt, effektive Maßnahmen zu setzen."

Die Mailänder Tageszeitung CORRIERE DELLA SERA urteilte kurz und knapp:

"Europa muss sich nur eines wünschen: Dass Amerika in dem Wahlergebnis keine neuen Gründe findet, sich einzuigeln. Der Atlantik ist schon viel zu breit."

Die britische Zeitung THE DAILY TELEGRAPH stellte fest:

"Präsident Bush hat jetzt das einzige Mandat, das für ihn zählt: das des amerikanischen Volkes. (...) Die Linie, die von vielen Europäern vertreten wird - man kann Amerika irgendwie mögen und trotzdem seinen politischen Zielen in militanter Weise entgegenarbeiten - wirkt nun zunehmend fadenscheinig. Ebenso absurd ist die Idee, dass Mr. Bush eine Art Dummkopf ist."

Ein weiteres Kommentarthema war der überwältigende Wahlsieg der islamischen Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung bei der Parlamentswahl in der Türkei. Skeptisch reagierte die französische Tageszeitung LIBERATION aus Paris:

"Der Triumph der Islamisten wird die Entscheidung (ob die Türkei in die EU aufgenommen werden kann) nicht leichter machen. Man kann berechtigterweise einige Zweifel an den liberalen, demokratischen und pro-europäischen Überzeugungen der 'gemäßigten' Islamisten haben. (...) Man sollte sich davor hüten, diese Islamisten in den Himmel zu heben, man sollte sie aber auch nicht von vornherein
verteufeln."

Dem stimmte das österreichische Massenblatt KURIER zu, denn:

"Insgesamt birgt der Sieg der runderneuerten Islamisten für das Land am Bosporus, aber auch für Europa Chancen. Zum einen hat die Regierung auf Grund der klaren Mehrheitsverhältnisse vier Jahre lang Zeit, die Türkei aus der Wirtschaftskrise zu führen, die die Menschen gegen das bisherige Polit-Establishment aufgebracht hat.
Zum anderen kann sie beweisen, dass sich Islam und Demokratie nicht ausschließen."

Dazu noch einmal der DAILY TELEGRAPH aus London:

"Was ihre islamische Orientierung betrifft, verdienen es (die
Wahlgewinner), beim Wort genommen zu werden. Ihre Taten, ob hinsichtlich der Wirtschaft, der EU, des Iraks, Zyperns oder Israels, werden bald zeigen, wes Geistes Kind sie sind. Die Verbündeten der Türkei geben ihnen erst einmal eine Chance."

Zum Schluss noch eine Zitat aus der polnischen Zeitung
RZECZPOSPOLITA zum Kurzbesuch von Bundeskanzler Gerhard Schröder in Warschau:

"Die Mannschaft Schröders ist die einzige politische Equipe in Deutschland, die den Beweise gebracht hat, dass sie die Sensibilität Polens in Fragen wie der Entschädigung (ehemaliger Zwangsarbeiter) oder dem Problem der Vertriebenen versteht. Um so mehr kann man Verständnis und Unterstützung in Angelegenheiten erwarten, die im
gleichen Maß die Interessen beider Seiten betreffen. (...) Ein
starkes Deutschland ist im Interesse Warschaus, ein politisch stabiles Polen als Mitglied des zusammenwachsenden Europas mit der Perspektive schneller wirtschaftlicher Entwicklung ist im Interesse Berlins. Dieses Verständnis deutsch-polnischer Beziehungen ist ein taugliches Modell nicht nur für Berlin und Warschau."