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Internationale Pressestimmen der vergangenen Woche

25. Januar 2003

40 Jahre Elysee-Vertrag / Parlamentswahl Niederlande

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Die internationale Presse richtete ihr Augenmerk in dieser Woche vor allem auf den 40. Jahrestag der Unterzeichnung des deutsch- französischen Freundschafts-Vertrages.

Zunächst zwei Kommentare aus Frankreich: "Hätte es den 40. Jahrestag des Elysee-Vertrages nicht gegeben, man hätte ihn erfinden müssen", betonte LE MONDE aus Paris:

"Frankreich und Deutschland erneuerten ihre Absicht, gleichzeitig Motor und Experimentierfeld Europas zu sein. Sie wollen mit gutem Beispiel vorangehen und gemeinsam eine Integration vorantreiben, zu der die übrigen Mitgliedsländer der Europäischen Union noch nicht bereit sind. Sie erklärten sich bereit, eine Art 'Avantgarde' zu bilden, falls der Rest der Truppe nicht nachfolgen sollte. Das war schon vor 40 Jahren der gemeinsame Ehrgeiz von Charles de Gaulle und Konrad Adenauer. Ihre Nachfolger im Amt werden den gleichen Weg beschreiten".

"Jacques Chirac und Gerhard Schröder wissen, dass sie der Europäischen Union neuen Schwung verleihen müssen", meinte auch LE FIGARO:

"Allerdings reicht es nicht aus, neue Institutionen zu schaffen, um den Alten Kontinent von seiner trübsinnigen Stimmung zu befreien. Es wird sich erst etwas ändern, wenn Europa die politische und militärische Verantwortung übernimmt, die seinem wirtschaftlichen Gewicht entspricht".

Die tschechische Tageszeitung LIDOVE NOVINY bemerkte:

"Funktioniert der französisch-deutsche Motor, funktioniert auch der Motor der Europäischen Union - sagt man. Und in den vergangenen Tagen lief der Motor mit voller Umdrehungszahl: Paris und Berlin schlugen die Direktwahl eines 'Europa-Präsidenten' vor und begannen mit dem Formen einer 'europäischen Diplomatie'. Dabei zeigt sich:
Wenn die Einheit Europas das Ziel sein soll, ist eine Einigung Deutschlands und Frankreichs der einzige gangbare Weg."

Anders die Einschätzung der Wiener Zeitung DIE PRESSE, die die neu erwachte Liebe zwischen Berlin und Paris aus der Sicht des kleinen EU-Landes Österreich kommentierte:

"Für den Bürger drohen durch die politische Dominanz des deutsch- französischen Monopols ähnliche Konsequenzen wie durch den Zusammenschluss zweier großer Supermarktketten: Sie werden zum Opfer einer neuen Vormacht, die Vielfalt, Qualität und Preis diktiert. Einziger Unterschied ist, dass es hier nicht um den Wettbewerb der besten Waren wie Zahnpasta und Lebensmittel geht, sondern um den Wettbewerb von Interessen und Gedanken. Frankreich und Deutschland bereiten ein neues Monopol in Europa vor - eines der Macht."

Die Zeitung BERLINGSKE TIDENDE aus Dänemark analysierte den gemeinsamen Widerstand Deutschlands und Frankreichs gegen einen Irak-Krieg:

"Die Herren Schröder und Chirac haben einen gefährlichen Kurs eingeschlagen. Es besteht zwar kein Zweifel, dass die beiden führenden europäischen Politiker weite Teile der Bevölkerung hinter sich haben. Das macht es aber weder klüger noch richtiger, eine militärische Lösung für das Problem Irak von vornherein auszuschließen. Man spielt vielmehr die besten Karten komplett in die Hand einer Person: Saddam Hussein. Die amerikanische Enttäuschung über Deutsche und Franzosen ist deshalb verständlich."

Kritik übte auch die britische TIMES, vor allem an der deutschen Haltung:

"Als Adenauer und de Gaulle den historischen Freundschaftsvertrag zwischen ihren Völkern unterzeichneten, hätte niemand gedacht, dass sich Deutschland 40 Jahre später als das schwächere NATO-Mitglied herausstellen würde. Die Erklärung des deutschen Kanzlers, dass Berlin gegen jede UNO-Resolution stimmen werde, die die Anwendung von Gewalt gegen den Irak autorisiert, ist nicht hilfreich. Es ist eine verächtliche Zurückweisung derjenigen, die über zwei Generationen hin die deutsche Sicherheit garantiert haben. Es ist ein egoistischer Versuch Schröders, seine stark angegriffene Position im Inland wieder zu festigen und es ist für Bagdad ein krasses Signal westlicher Uneinigkeit".

'Wenig neues' in den Erklärungen Deutschlands und Frankreichs konnte die italienische Zeitung LA REPUBBLICA entdecken:

"Man weiß, dass Berlin um keinen Preis einen Krieg will. Und dass Paris zudem nicht unter amerikanischer Flagge kämpfen mag. Aber die Feierlichkeit des Anlasses und vor allem der donnernde Applaus der deutsch-französischen Abgeordneten auf offener Szene haben der deutsch-französischen Position Gewicht verliehen, lassen sie als definitiv und unverrückbar erscheinen."

Themenwechsel. Mit dem Ausgang der Parlamentswahl in den Niederlanden befasste sich die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG aus der Schweiz:

"Der große Unruhestifter des vergangenen Jahres, die rechtspopulistische Liste Pim Fortuyn, ist von den Wählern deutlich in die Schranken gewiesen worden. Die Niederländer haben den etablierten Parteien eine zweite Chance gegeben. Diese müssen nun zeigen, dass sie sie zu nutzen verstehen. Wenn die Bevölkerung jetzt sieht, dass sie mit ihren Anliegen ernst genommen wird, ist das Gewitter der letzten Monate nicht umsonst gewesen. Verleitet das Wahlresultat aber die politischen Führer nur dazu, nach überstandenem Sturm zum Courant normal überzugehen, wird das Gespenst des im Mai ermordeten Populisten Fortuyn früher oder später zurückkommen."

Auch die russische Zeitung ISWESTIJA beschäftigte sich mit dem schlechten Abschneiden der rechtspopulistischen 'Liste Pim Fortuyn':

"Eines ist klar: Dem Kabinett werden keine Vertreter der Liste Pim Fortuyn mehr angehören. Die Erfahrungen in der Arbeit mit den Ultrarechten im vergangenen Jahr waren zu schlecht. Sie zerstritten sich mit ihren eigenen Ministern, führten sich dreist und verantwortungslos auf und ruinierten die Regierung innerhalb von drei Monaten."

Und die in der dänischen Hauptstadt Kopenhagen erscheinende Tageszeitung POLITIKEN stellte fest:

"Klarer Wahlsieger in den Niederlanden wurden die Sozialdemokraten, die vor einem Jahr fast ausgelöscht worden waren. Jetzt sind sie parlamentarisch fast wieder in alter Stärke da. Das ist in hohem Maß Verdienst des Ein-Mann-Heeres Wouter Bos als neu gewähltem Parteichef. Es kann gut sein, dass viel Zeit vergeht, ehe die Niederlande eine neue Regierung bekommen. Mit der wahrscheinlichen Konstellation des Christdemokraten Balkenende als Ministerpräsident und den Sozialdemokraten als Partner wäre Holland wieder zurück in der politischen Mitte."