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Internationale Pressestimmen der vergangenen Woche

Hans-Bernd Zirkel21. Juni 2003

Militaereinsatz im Kongo / Deutsch-tschechische Beziehungen / Drogen-Vorwuerfe gegen Michel Friedman

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Die Kommentatoren der europaeischen Tagespresse beschaeftigten sich in dieser Woche mit verschiedenen deutschen Themen. So ging die russische Tageszeitung KOMMERSANT aus Moskau auf die Beteiligung Deutschlands und Frankreichs am Militaereinsatz der Europaeischen Union im Kongo ein, Zitat:

"Die Friedensmission werden die Franzosen anfuehren, die sich seit dem Irak-Krieg von den USA in allen internationalen Fragen an den Rand gedraengt fuehlen. Zum Einsatz kommen auch die Deutschen, die in der Irak-Frage ebenfalls viel verloren haben. Paris und Berlin werden im Kongo die erste Geige spielen. Damit wollen beide unter Beweis stellen, dass sie im Konzert der Grossen noch mit dabei sind und im vereinten Europa weiterhin den Ton angeben. Das irakische Oel hat man verloren, nun geht es um die Diamanten Afrikas."

Tschechische Zeitungen befassten sich mit dem aktuellen Stand der deutsch-tschechischen Beziehungen, die wegen des Festhaltens der Regierung in Prag an den so genannten Benesch-Dekreten vor allem nach Ansicht der CDU/CSU-Opposition belastet sind. Die Dekrete bildeten die rechtliche Grundlage fuer die Enteignung und Vertreibung der Sudetendeutschen nach dem Zweiten Weltkrieg.

Dazu die linksliberale Tageszeitung PRAVO:

"Die juengste Aussage von Bundeskanzler Gerhard Schroeder, die Dekrete des frueheren Praesidenten Edvard Benes seien ein Ergebnis des nationalsozialistischen Ueberfalls auf die Tschechoslowakei gewesen, ehrt die Logik der Zeitgeschichte. Mit den Dekreten sollte eine Wiederholung der tragischen Kriegserfahrung verhindert werden. Sein 1999 gegebenes Wort, dass die rot-gruene Regierung keine Forderungen an Prag stellen wird, haelt Schroeder - trotz des Drucks einiger Oppositionspolitiker, die hartnaeckig Ansprueche vortragen. Schroeders Worte sind aber nicht nur nach Prag gerichtet, sondern auch nach Muenchen: als Erinnerung, dass deutsche Aussenpolitik in Berlin gemacht wird."

Der Kommentator der ebenfalls in Prag erscheinenden, konservativen Zeitung LIDOVE NOVINY meinte, die deutsch-tschechische Versoehnung sei ein weiter Weg und schrieb:

"Zwar sehen sowohl die tschechische Regierung als auch Bundeskanzler Gerhard Schroeder in der EU-Erweiterung eine Hilfe, historische Schwierigkeiten zwischen Nachbarn zu ueberwinden. Ein grosser Unterschied ist trotzdem dabei: Waehrend Prag glaubt, in die EU wie in einen Garten paradiesischer Harmonie einzutreten, spricht der Kanzler von einem Zuruecktreten strittiger Fragen in den Hintergrund. Schroeder ist Realist. Und in Tschechien verschwindet die Angst vor einer moeglichen Rueckgabe enteigneten Eigentums wohl auch nicht in Kuerze. Die Phrase von einem Ende des Versoehnungsweges hilft also nur, Illusionen zu verbreiten."

Ein weiteres Kommentarthema waren die Drogen-Vorwuerfe gegen den Vizepraesidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Michel Friedman. Dazu die britische Zeitung THE INDEPENDENT aus London:

"Wenn er verurteilt wuerde, waere das Schlimmste, was Friedman befuerchten muesste, eine Bewaehrungsstrafe. Aber sein Ansehensverlust waere enorm. Es waere fast sicher, dass seine Doppelkarriere als eines der fuehrenden Mitglieder der juedischen Gemeinschaft und als Talkshow-Gastgeber dann vorbei waere. Seine Fernsehshow hat sich als Riesen-Erfolg erwiesen. Friedmans konfrontativer Stil und seine undeutsche, dandyhafte Erscheinung haben ihn zu einer Hassfigur der extremen Rechten werden lassen. Einige Medienberichte spekulieren darueber, dass die Kokainvorwuerfe ein Versuch der Rechten sein koennten, ihm etwas anzuhaengen."

Die russische Tageszeitung KOMMERSANT kommentierte:

"Der Skandal um Michel Friedman hat ein Tabu gebrochen. Erstmals seit dem Zusammenbruch des Hitler-Systems wird in Deutschland oeffentlich in den Medien Kritik an einem Funktionaer juedischen Glaubens geuebt. Der Skandal koennte sich sehr negativ auf die juedische Gemeinschaft in Deutschland auswirken. Gelingt es Friedman nicht, seine Unschuld unter Beweis zu stellen, ist sowohl seine Karriere als TV-Moderator als auch als Politiker zu Ende."

Die daenische Tageszeitung INFORMATION aus Kopenhagen meinte:

"Essen, Alkohol, Drogen, Frauen - einige Politiker, und darunter bestimmt nicht die schlechtesten, schaffen ihren Job offenbar nur mit Hilfe von Stimulanzien. Intrigen, Ehrgeiz, Enttaeuschungen und das stets praesente Interesse der Medien verschleissen die Fachkraefte enorm. Man koennte die Faelle von Missbrauch als persoenliche Bankrotterklaerung einstufen. Aber so einfach liegt die Sache nicht. Die Gesellschaft hat ein Problem, wenn herausragende Repraesentanten psychisch ausser Kontrolle geraten oder direkt gedopt sind. Nicht dass Politiker unbedingt besser sein muessen als ihre Waehler. Aber wenn sie ihre Arbeit nicht ohne diskrete Hilfsmittel schaffen, wer dann? Irgendwann waren diese Politiker ganz normale Menschen. Dann bekamen sie Macht. Mit ihr kamen die Konkurrenten. Die Politiker lernten Furcht und Einsamkeit kennen, gegen die ihre innere Ueberzeugung nicht laenger als Treibstoff bei der Arbeit ausreichte. (...) Stattdessen beginnt das heimliche Leben vor dem Kuehlschrank, in der Bar, auf der Toilette oder in fremden Hotelzimmern. Die Politiker entfernen sich vom Volk. Gleichzeitig versuchen sie sich selbst davon zu ueberzeugen, dass sie fressen, saufen oder koksen muessen, weil sie eine wichtige Mission haben, die nur sie erfuellen koennen."