1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Internationale Pressestimmen der vergangenen Woche

Ulrike Quast9. August 2003

Sommerloch/ Wahldmodalitäten für den Bundespräsidenten/ Maut für Lastwagen/ Deutsch-italienische Verhältnis/ Waldbränden

https://p.dw.com/p/3xdu

Die europäische Tagespresse widmet sich im politischen 'Sommerloch' den unterschiedlichsten deutschen Themen. Die französische Tageszeitung DERNIERES NOUVELLES D'ALSACE kommentiert die Konjunkturaussichten im Nachbarland:

"Der neuerliche Anstieg der Arbeitslosigkeit in Deutschland dämpft die schwachen Hoffnungen auf einen Aufschwung, die nach der Veröffentlichung mehrerer Wirtschaftsindikatoren aufgekommen waren. (...) Da hatten die Experten mitten im heißen August einen Pendelausschlag registriert. (...) Der Kanzler ergriff sofort die Gelegenheit und stellte fest, das Land sei auf dem richtigen Weg, nämlich dem des Aufschwungs, der sich 2004 bestätigen dürfte. Und er warnte vor jedem Versuch, den Reform-Elan seines Teams bremsen zu wollen. In der Tat: Seit Gerhard Schröder sein breites Reformprogramm 'Agenda 2010 ' gegen den linken Flügel seiner Partei und die Gewerkschaften durchsetzte, seit die Gesundheitsreform mit Hilfe der Opposition in die Wege geleitet wurde und vor allem, seit er die Vorziehung der Steuerreform (...) auf 2004 ankündigte, hat er die psychologischen Bedingungen für einen Aufschwung geschaffen.", soweit DERNIERES NOUVELLES D'ALSACE.

Die österreichische Zeitung DER STANDARD beschäftigt sich mit den Wahldmodalitäten für den Bundespräsidenten in Deutschland und in Österreich und rät der Bundesrepublik zu einer Änderung des Wahlmodus:

"In Deutschland und Österreich wird im Mai 2004 ein neuer Bundespräsident gewählt. Seit einigen Wochen läuft in beiden Ländern ein Ränkespiel nach gleichem Muster ab: Diejenigen, die wollen, zieren sich, ihren Wunsch offen auszusprechen. Diejenigen, die politisch nichts mehr zu verlieren haben, freuen sich, für dieses Amt genannt zu werden. Wer abgeschoben werden soll, wird ins Spiel gebracht. Genau darin liegt die Crux: Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber hat sein Nichtinteresse damit begründet, dass er als Bundespräsident politisch nichts bewirken könne. Die Macht der Staatsoberhaupts ist vor allem eine symbolische, auch wenn Österreichs Bundespräsident auf dem Papier mehr Befugnisse hat.
In Österreich gibt es auch eine Direktwahl, was demokratiepolitisch ein Vorteil ist. In Deutschland bestimmen dagegen die Mehrheitsverhältnisse in der Bundesversammlung, wer Bundespräsident wird. So steht schon vor der Wahl fest, welche Partei ihren Kandidaten durchbringt. Dies schränkt die Mitbestimmungs- möglichkeiten der Bürger beträchtlich ein, auch wenn von den Parteien Äbte und Fußballtrainer in die Bundesversammlung entsandt werden - aber nicht nach dem Kriterium der Unabhängigkeit, sondern nach jenem der Berechenbarkeit. Es wäre höchst an der Zeit, den Wahlmodus in Deutschland zu ändern.", so der STANDARD.

Der Zank um die geplante Maut für Lastwagen auf deutschen Autobahnen ist dem LUXEMBURGER WORT nochmals einen Kommentar wert:

"Lobenswert ist sicher die Absicht, einen Teil des Schwertransportes auf Schiene und Flussschifffahrt zu verlagern, und niemand wird abstreiten wollen, dass Lastwagen Straßen und Umwelt stärker schädigen als Personenwagen. Doch gibt es auch eine Kehrseite der Medaille. Während Handel und Transport von Anfang an vor den Folgen dieser Maßnahme warnten, regte sich in Gesellschaft und Konsum bislang kaum jemand über die Mehrkosten für den verkehrsbelastenden und sowieso von der Mehrzahl der Autofahrer ungeliebten Schwertransport auf. Die Wenigsten denken daran, dass die hier entstehenden Ausgaben mit Sicherheit auf die Konsumenten abgewälzt werden. (...) Wie viele Transportbetriebe können sich diese Kostensteigerung leisten? Von der nachfolgenden Mehrbelastung der Konsumenten ganz zu schweigen. Wo bleibt der freie Warenverkehr in Europa, wenn jedes Land mit gleichem Recht dieselben Regeln einführt?", fragt das LUXEMBURGER WORT.

Das durch die Ausfälle des italienschen Regierungschefs Silvio Berlusconi belastete deutsch-italienische Verhältnis und die jüngsten Aussagen des Ministerpräsidenten zu Deutschland betrachtet die französische Zeitung LE JOURNAL DU CENTRE':

"Silvio Berlusconi, der mit einer Entgleisung eine Eiszeit in den deutsch-italienischen Beziehungen hervorgerufen hat, hält sich 'fast für einen Deutschen' - wegen seiner Vorliebe für die Arbeit. Um seinen ganzen Repekt für das Land Goethes und Wagners zum Ausdruck zu bringen, legt er noch nach: Der aus Mailand stammende Silvio der Großartige betont, dies sei die Stadt, in der am härtesten gearbeitet werde. Der Ministerpräsident ist nicht zu bremsen. (...) Nach seinem Vergleich eines deutschen Europaabgeordneten mit einem Nazi-Kapo schätzt der 'Meister', die Beziehungen zwischen beiden Ländern 'könnten nicht besser sein'. Wie in der guten alten Zeit. Der Tenor freut sich schließlich, dass der Bundeskanzler Ende August zu einem Musikfestival nach Italien kommen wird, nachdem er seine Ferien auf der Halbinsel nach der berühmten Entgleisung abgesagt hatte. Es lebe der italienische Belcanto.",

Auch DE VOLKSKRANT aus den Niederlanden befasst sich mit Berlusconi:

"Es ist die Mischung von Macht, Milliarden, Medien und Massen, mit der Berlusconi die politische Ordnung herausfordert, nicht nur in Italien, sondern auch in der Europäischen Union, deren Ratsvorsitzender er bis Ende des Jahres ist. (...) Die Demokratie ist anfällig für Geschäftsleute, die den Wähler ansprechen und von der Krise bei den bestehenden politischen Parteien profitieren. Wenn sich aber zeigt, dass Berlusconi die Politik wirklich als Fortsetzung seiner Geschäfte mit anderen Mitteln sieht, muss man vor allem auf ein anderes Merkmal der Demokratie vertrauen, nämlich auf ihre korrigierende und selbstreinigende Kraft. Das bedeutet Vertrauen auf das gesunde Urteil der italienischen Wähler.", kommentiert DE VOKSKRANT.

Abschließend die spanische Zeitung EL PAIS zu den verheerenden Waldbränden im derzeit hitzegeplagten Europa:

"Das Ausmaß der Feuersbrunst zeigt, dass mehr zur Verhinderung von Waldbränden getan muss. Die gegenseitige Hilfe, die sich die Staaten beim Kampf gegen die Flammen leisten, ist ermutigend. Aber sie sollte im Normalfall gar nicht erst notwendig sein. Die modernen Gesellschaften neigen dazu, sich lieber mit den Folgen gelegentlicher Katastrophen abzufinden als wirksame Vorbeugemaßnahmen zu treffen. Die Prävention ist eine systematische Aufgabe, die viele Jahre und erhebliche Mittel in Anspruch nimmt. In einem Ausnahme-Sommer wie diesem folgt nun die Quittung für die kollektive Passivität. Die Flammen vernichten nicht nur unser nationales Erbe, sondern auch die Harmonie der Umwelt, in der wir leben."