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Künstlertreff im Grünen

9. Januar 2011

Die Gegend ist berühmt, trotzdem würde so mancher Künstler wohl nie hierher gefunden haben gäbe es nicht die "Villa Waldberta". Ein Künstlerhaus, das seit den 1980er Jahren Stipendiaten aus aller Welt anzieht.

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Das Künstlerhaus "Villa Waldberta" in der Nähe von München mit einer Skulptur im Vordergrund (Foto: Villa Waldberta)
Bild: Villa Waldberta

Die Aussicht ist großartig. Vom Turm der Villa schweift der Blick über den Starnberger See, theoretisch kann man von hier Deutschlands höchsten Berg, die Zugspitze, bewundern. Doch heute ist er aufgrund des Nebels nicht zu sehen, bedauert Eric Dupont. Er ist Schriftsteller, 40 Jahre alt und lebt eigentlich in Montreal in Kanada. Seit September vergangenen Jahres ist er als Stipendiat in der Villa Waldberta. Damals konnte man noch auf der Dachterrasse sitzen, jetzt ist es zu kalt.

Manche Dinge erfährt man nur vor Ort

Stipendiat Eric Dupont auf den Münchner Wiesn (Foto: Archiv Villa Waldberta)
Lokale Kultur: Eric Dupont auf dem OktoberfestBild: Archiv Villa Waldberta

Gut dreißig Stipendiaten leben und arbeiten alljährlich ein bis drei Monate in der Villa Waldberta im beschaulichen Feldafing. Die Gegend ist berühmt: Kaiserin Sisi verbrachte die Sommermonate im nahe gelegenen Possenhofen, König Ludwig II ertrank im Starnberger See, und Thomas Mann fand in seinem Haus in Feldafing, in seinem "Villino", die nötige Ruhe zum Schreiben.

Die Abgeschiedenheit in der Villa Waldberta ist allerdings nicht jedermanns Geschmack. Eine Künstlerin hielt die Ruhe nicht aus und verließ das Haus bereits nach wenigen Tagen wieder. Eric Dupont hingegen gefällt es hier. Seit seiner Ankunft hat er bereits zweihundert Seiten seines neuen Romans geschrieben, die Recherche hier vor Ort war sehr ergiebig, wie er sagt. "Ein Teil meines Romans spielt in Ostpreußen und hier habe ich Leute getroffen, die damals in Ostpreußen gewohnt haben. Und die haben mir Sachen erzählt, die natürlich direkt ins Buch reinkommen, zum Beispiel ostpreußische Witze."

Doch er ist natürlich nicht nur zum Arbeiten hier, er fand auch Zeit das Münchner Oktoberfest zu besuchen. Sein Fazit: "Das bayrische Bier ist das beste der Welt."

Ein Haus mit einer wechselhaften Geschichte

Das Künstlerhaus "Villa Waldberta" (Foto: Villa Waldberta)
Villa Waldberta - ein Haus mit einer langen Geschichte...Bild: Villa Waldberta

Das prachtvolle Gebäude mit seinen Türmen, Balkonen und Terrassen für Künstler zu öffnen, war ganz im Sinne von Alfred und Bertha Koempel. Die Deutsch-Amerikaner kauften das 1901 erbaute Haus im Sommer 1925, um es als Sommerresidenz zu nutzen und tauften die "Villa Waldbert" in "Villa Waldberta" um. Die kunstsinnigen Koempels waren vermögend und einflussreich. In ihrem New Yorker Haus, in dem 1919 die Steubengesellschaft zur Pflege des Deutsch-Amerikanertums in den USA gegründet worden war, trafen sich bedeutende Persönlichkeiten aus Kultur, Politik und Wirtschaft. Auch die Villa Waldberta, in der die Koempels bis zum zweiten Weltkrieg ihre Sommer verbrachten, entwickelte sich bald zu einem kulturellen Treffpunkt. Der kosmopolitische Geist, der damals herrschte, prägt das Haus bis heute.

Prachtvolles Eingangstor der "Villa Waldberta" (Foto: Villa Waldberta)
Prachtvolles EingangstorBild: Villa Waldberta

Als 1933 die Nationalsozialisten in Deutschland die Macht ergriffen, hatte die künstlerisch-kosmopolitische Zeit in der Villa Waldberta bald ein Ende. Das Haus wurde konfisziert und von der Wehrmacht übernommen. Nach dem Krieg, als die Lager für "Displaced Persons" in Feldafing überfüllt waren, fanden viele in der Villa Waldberta eine Unterkunft. Bis zu siebzig Menschen lebten zeitweise in den vierzehn Zimmern.

Erst 1953 erhielt Bertha Koempel, inzwischen verwitwet, ihren Sommersitz zurück. Villa und Park ließ sie aufwendig renovieren. 1965 dann, ein Jahr vor ihrem Tod, vermachte sie das Haus der Stadt München mit der Auflage, Anwesen samt Inneneinrichtung "als Denkmal früherer und heutiger Wohn- und Besitzkultur" zu bewahren. Während der olympischen Sommerspiele 1972 in München residierte der damalige Bundeskanzler Willi Brandt in der Villa Waldberta. Er empfing dort nicht nur die internationale Politprominenz, sondern erhielt am 5. September 1972 auch die Nachricht von der Geiselnahme und Ermordung israelischer Athleten.

Stetiger Austausch und Kontakt

Villa Waldberta: Veranstaltung auf der Wiese vorm Haus (Foto: Villa Waldberta)
Die Menschen aus dem Ort sollen mit einbezogen werdenBild: Villa Waldberta

Fünf individuell und großzügig eingerichtete Appartements stehen im Haus für die Stipendiaten zur Verfügung. Es sei ein bisschen wie der Aufenthalt in einem Sanatorium, sagt der Schriftsteller Eric Dupont augenzwinkernd und schaut aus dem Fenster seines Arbeitszimmers hinunter auf den großen Park. Ihn begeistern nicht nur die Villa und ihre Umgebung, sondern auch, dass jede Wohnung mit einem Computer und Drucker ausgestattet ist. Das habe er in noch keinem Künstlerhaus erlebt.

Betreut werden Villa und Gäste von Karin Sommer vom Kulturreferat München. Ihr es wichtig, dass das Haus nicht nur international, sondern auch interdisziplinär ist. Und damit auch die Feldafinger wissen, wer in ihrer Nachbarschaft zeitweilig wohnt, hat sie den "etwas anderen Heimatabend" ins Leben gerufen. Hier werden neben Kunst und Literatur auch Speisen und Musik aus den jeweiligen Heimatländern der Stipendiaten vorgestellt – denn Karin Sommer und ihrem Team ist an Zusammenarbeit und Nachhaltigkeit gelegen. Bislang haben sie damit Erfolg gehabt.

Autorin: Susanne von Schenck
Redaktion: Petra Lambeck