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Internet "im Sinne der Partei"

Shi Ming10. September 2004

Die autokratische Führung in Peking betrachtet das Internet mit gemischten Gefühlen: Motor der Modernisierung oder demokratisierende Gegenmacht, die bekämpft werden muss? Eine neue Internet-Strategie soll helfen.

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Bleibt leider die übliche Frage: Erwünscht oder nicht erwünscht?

Mehr als 87 Millionen Chinesen gehen offiziellen Meldungen zufolge regelmäßig online. Damit steht die Volksrepublik mit der Zahl der Internet-Nutzer weltweit an zweiter Stelle hinter den USA. Peking fördert diese Entwicklung, um die Modernisierung des Landes voranzutreiben. Gleichzeitig versucht die chinesische Führung jedoch, die Kontrolle über die Informationen zu behalten.

Cyberspace selber füllen

Auf der jüngsten Nationalkonferenz über die Entwicklung des Internets forderte das politische Peking, dass die Partei in die Offensive gehen müsse. Das heißt: Die Partei dürfe nicht länger abwarten, bis irgendetwas im Internet auftaucht und dann verboten werden muss. Stattdessen will sie den Cyberspace mit eigenem Inhalt ausfüllen. So erhalten zehn Webseiten, die die Gunst der Partei genießen, immense Zuschüsse für die Berichterstattung rund um die Uhr. Und jene Diskussionsforen, die Themen im Sinne der Kommunistischen Partei erfolgreich unters Volk gebracht haben, werden bevorzugt. Sie bekommen etwa größere Kapazitäten oder professionelle Schreiber, ausgestattet mit Parteibuch und üppigen Honoraren.

Die Generalprobe der neuen Internetoffensive der Machthaber war ein Riesenerfolg. Während der 14-tätigen Olympischen Spiele in Athen deckten allein die amtlichen Websites im Sekundentakt alle Nachrichten und Berichte ab. Bereits eine Woche vor Beginn des Weltsport-Events waren Parteisoldaten in den Diskussionsforen in Position gegangen. Mal thematisierten sie, wie jede chinesische Goldmedaille das ganze Volk glücklich macht. Mal sinnierten andere bezahlte Meinungsführer, dass aus dem Medaillenrausch kein schädlicher Nationalismus erwachsen dürfe.

Ganze zwei Wochen lang wurden im Internet kritische Themen wie soziale Konflikte oder Kritik an der Korruption ausgeklammert. Selbst das sensible Thema, dass China den Erzrivalen Japan gegen alle Mitbewerber mit der Erneuerung der Eisenbahnnetze beauftragt hat, ging im Olympiafieber der amtlichen Schreiber fast unter.

Wer schreibt "im Sinne der Partei"?

Geleitet von der neuen Internetstrategie sind unter den Parteischreibern Grabenkämpfe ausgebrochen, denn anders als bisher konnte sich die Machtzentrale auf der Nationalkonferenz nicht darauf einigen, was es bedeutet, "im Sinne der Partei" zu schreiben. Kaum war die Internetkonferenz zu Ende, hieß es zum Beispiel bei einem Parteischreiber, dass man den neu erstarkten Militarismus in Japan nicht auf die leichte Schulter nehmen soll. Dafür wurde er von Chinas Nationalisten als Prophet bejubelt. Doch zwei Stunden später reflektierte ein anderer Parteischreiber in einem weiteren Diskussionsforum, wie viel die Chinesen noch von Japan lernen müssen, um wirklich als eine starke Nation aufzuerstehen. Und auch er bekam Zuspruch - von Befürwortern der Globalisierung innerhalb der Kommunistischen Partei.

In nur wenigen Tagen haben die Parteischreiber verschiedener Couleur bei allen möglichen Themen grundverschiedene Ansichten geäußert. Und das ganz unabhängig davon, ob es sich um Bauernprobleme, soziale Konflikte oder um Kritik an der Korruption handelte. Für die Parteizentrale ist es daher offenbar eine schier unlösbare Aufgabe zu bestimmen, welche Autoren im Sinne der Partei oder zu deren Ungunsten schreiben - und wie sie dafür sanktioniert werden sollen. Denn in Wahrheit hat auch die Parteiführung verschiedene Fraktionen.

Erfreut zeigt sich darüber immerhin die Übersee-Opposition, die bislang am meisten unter den Repressalien der chinesischen Internetpolitik zu leiden hatte. Einer ihrer berühmten Web-Autoren merkte fast hoffnungsvoll an: "Ja, so beginnt jede Demokratie."