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Internetauktionen: Wie, wann und warum?

23. Mai 2005

Auf Auktionsmärkten wie ebay spielt Fairness keine Rolle, damit man kann dort nicht überleben. Dennoch - oder deshalb: Kontrolle ist gut, Vertrauen besser. Der Wirtschaftswissenschaftler Axel Ockenfels erklärt, warum.

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Von Kalifornien um die WeltBild: AP


DW-WORLD: Wer bietet bei Internetauktionen wie, wann und warum?

Axel Ockenfels: Das sind drei große Fragen auf einmal. Was wir zum Beispiel beobachtet haben, ist, dass Gebote bei ebay sehr spät reinkommen: Die ebay-Community nennt das "Snipen". Das heißt, Bieter warten bis zu den letzten zehn Sekunden, bis sie bieten. Auf der amazon-Auktionsplattform passiert das praktisch nie. Das hat etwas mit den Prinzipien zu tun, nach denen diese Aktionshäuser funktionieren.

Ebay hat ein scharfes festes Ende, während amazon-Auktionen immer weiter verlängert werden, wenn spät geboten wird. Die Konsequenz ist, dass man sich sehr genau überlegen muss, wie man solche Auktionen designt, also wie man sie gestaltet. Kleine Änderungen im Format und in den Regeln der Auktion können immense Auswirkungen haben auf das Bietverhalten, auf die Erlöse und auf die Effizienz der Auktion.

Zum Beispiel?

Wenn Sie auf ebay sehr spät bieten und wenn das sehr viele tun, dann herrscht ziemliches Chaos auf dieser Auktion. Der Preis explodiert in den letzten Sekunden, es gibt viele Bieter, die am Ende gar nicht mehr durchkommen, weil ihr Gebot zwei Sekunden zu spät reinkam. Und in diesem Chaos passiert es häufig, dass Leute eine Auktion gewinnen, die gar nicht die höchste Wertschätzung für das angebotene Gut haben. Und das ist etwas, das man von einer Auktion normalerweise nicht möchte: Sowohl Verkäufer als auch Käufer wollen, dass das Gut derjenige bekommt, der am meisten zu zahlen bereit ist. Aber das wird durch eine Regel, wie ebay sie mit dem "festen Ende" eingeführt hat, nicht sichergestellt.

Ist ebay also ein "ungerechtes" Auktionsumfeld – sowohl für die Anbieter als auch für die Käufer?

Ob es ungerecht ist, weiß ich nicht, aber es sagen viele. Im Prinzip kann ja jeder spät bieten, insofern haben Sie Waffengleichheit. Aber es ist natürlich richtig: Viele Leute fühlen sich ungerecht behandelt, wenn sie am Ende "ausgesniped" werden und dann nicht mehr die Zeit haben, darauf zu reagieren. Auf der anderen Seite gibt ebay Ihnen mit dem automatischen Bietagenten die Möglichkeit, bereits früh zu bieten, um diese Sniper zu umgehen.

Was hier unfair ist und was nicht, ist schwer zu sagen. Aus ökonomischer Sicht ist klar, dass hier möglicherweise die Effizienz der Auktion gefährdet ist. Auf der anderen Seite muss man als Ökonom aber auch zuerkennen, dass gerade diese Regel erheblich zum Unterhaltungswert von ebay beiträgt: Weil der Preis am Ende so schnell in die Höhe geht, macht es einfach Spaß zuzuschauen. Das haben Sie bei amazon zum Beispiel nicht. amazon-Auktionen sind am Ende todlangweilig.

Gibt es einen Unterschied in der Käuferbewertung und Preisentwicklung je nachdem, ob das Gut für 1 Euro oder 60 Euro Startwert ausgewiesen ist?

Auch dazu gibt es sehr viele Studien, die klar zeigen, dass ein kleiner Startpreis für den Verkäufer die bessere Strategie ist. Das ist eine Sache, die auch die Auktionstheorie nicht prognostizieren kann, denn hier spielen psychologische Effekte eine Rolle: Mit einem kleinen Startpreis ziehen Sie viele Leute an, die sich dann überbieten. Mit einem hohen Startpreis schrecken Sie viele Leute ab. Das sind Dinge, die man mit "Homo-Oeconomicus"-Modellen auch nicht ohne weiteres erklären kann, die aber sehr eindeutig sind, wenn Sie sich die Daten von ebay anschauen. Erfahrene Verkäufer von ebay wissen das und setzen keinen hohen Startpreis.

Wie sollten professionelle Auktionen aufgebaut sein und wie sollte sich ein professioneller Bieter verhalten?

Das Schöne ist, dass es dazu keine eindeutige Antwort gibt. Es kommt hier auf den Einzelfall an. Wir haben in Köln gerade ein hochmodernes Labor eingerichtet, wo wir Auktionsformate "im Windkanal" testen können. Wir können Auktionsplattformen 1:1 nachstellen und unter sehr kontrollierten Bedingungen beobachten, wie es funktioniert, warum es funktioniert, was passiert, wenn man hier oder da ein bisschen dran dreht. Ebay hat zum Beispiel zwei sehr clevere Schachzüge gemacht mit der Preisregel und der Einführung des Feedback-Forums, also eines Reputationssystems.

Wieviel Psychologie und Ethik verträgt der Online-Auktionsmarkt? Lesen Sie weiter auf der zweiten Seite.

Es sieht so aus, als hätten es nicht nur ebay und die Ökonomen geschafft, sondern auch die Psychologen. Das Internet ist ein anonymer Raum, das Reputationssystem bei ebay manipulierbar. Es hängt unter anderem davon ab, ob ich überhaupt willens bin, eine Bewertung abzugeben …

Ich glaube nicht, dass es so stark von der Psychologie abhängt. Ich bin jemand, der sehr stark auch an monetäre Anreize glaubt. Das ist das, was wir in unseren Experimenten immer wieder sehen: Menschen reagieren auf Anreize nicht immer völlig rational, aber Anreize sind wichtig. Das Feedback-Forum von ebay schafft genau diese Anreize, vertrauenswürdig zu sein.

Wenn Sie nicht vertrauenswürdig sind, bekommen Sie schlechtes Feedback und das schadet Ihnen in der Zukunft. Es ist natürlich richtig: Das Feedback-Forum von ebay ist manipulierbar und es gibt dort auch Probleme. Deshalb ist es auch eines meiner Hauptarbeitsgebiete herauszufinden, wie man diese Online-Reputationssysteme stabilisieren kann. Wie kann man Verkäufern noch bessere Anreize geben, sich vertrauenswürdig zu verhalten? Wie kann man den Bietern Anreize geben, nicht vertrauenswürdige Verkäufer zu meiden?

Braucht man also eine neue Art von Wirtschaftsethik?

Ich denke, es ist wichtig, die Wirtschaftsethik nicht aus dem Sinn zu verlieren. Eine Plattform wie ebay auf ethisch-psychologischen Aspekten aufzubauen, ist aber eine sehr gefährliche Sache. Denn es gibt viele Leute auf ebay, die intrinsisch vertrauenswürdig sind, das wissen wir aus unseren Studien. Aber die alleine können ebay nicht tragen, Sie brauchen Anreize für die Egoisten unter uns, sich ebenfalls vernünftig verhalten.

Wenn so eine Plattform wie ebay manipulierbar wäre und wenn Sie die Vertrauenswürdigkeit anderer systematisch ausbeuten könnten, dann würde es Leute geben, die das tun. Wenn Bösewichte in diese Plattform reinkommen könnten, dann würden die sie zugrunde richten. Insofern müssen Sie darauf bauen, dass Sie ein vernünftiges, robustes, stabiles System haben, das nicht strategisch manipulierbar ist.

Mit anderen Worten: Eine Internetauktionsplattform funktioniert im Wesentlichen basisdemokratisch?

Es ist basisdemokratisch, ohne Zweifel, aber Sie sollten nicht nur auf die Voten der einzelnen Bieter etwas geben, sondern Sie sollten auch als "Firma Ebay" mit starker Hand Ihre Community in die Richtung führen, in die Sie sie haben wollen. Unsere Forschungen geben Firmen wie ebay Handlungsempfehlungen, wie man das zum Wohle aller machen kann.

Die Fragen stellte Ingun Arnold