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Internethetze und ihre Folgen

Christoph Ricking31. Juli 2015

In der Flüchtlingsdebatte ist besonders im Internet der Ton rau – teilweise schrecken Menschen vor rassistischen Aussagen nicht zurück. Doch welche Kommentare sind strafbar und wie sollte man damit umgehen?

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Deutschland Feuerwehrfest in Feldkirchen
Internetkommentar zu diesem Foto eines Flüchtlingsmädchens: "Flammenwerfer währe (sic!) da die bessere Lösung."Bild: Facebook/FF-Feldkirchen/Martin Peneder

Es war ein teures Facebook-Posting für einen 25-jährigen gelernten Koch aus den bayerischen Tettenweis bei Passau. Auf die Bitte um Sachspenden für Flüchtlinge in dem sozialen Netzwerk antwortete der junge Mann in tiefstem Bayerisch: "I hätt nu a Gasflasche und a Handgranate rumliegen für des Gfrast [bayerisch: Nichtsnutz]. Lieferung frei Haus." Das Amtsgericht in Passau bewertete die Aussage als Volksverhetzung und verurteilte den Mann Anfang der Woche zu einer Geldstrafe von 7500 Euro. Strafmildernd wirkte sich das Geständnis des Verurteilten aus. "Ich entschuldige mich, das war großer Blödsinn. Ich würde so etwas nicht mehr machen", sagte der Mann vor Gericht.

Nicht alle rassistischen Kommentare sind Volksverhetzung

In der aufgeheizten Flüchtlingsdebatte hat sich in den letzten Monaten der Ton verschärft – besonders in sozialen Netzwerken nehmen Rassisten immer häufiger kein Blatt vor den Mund. Doch nicht alle rassistischen Kommentare erfüllen automatisch den Tatbestand der Volksverhetzung, erklärt der Rechtsanwalt Udo Vetter, der die Webseite "lawblog.de" betreibt. "Eine Volksverhetzung liegt nur unter ganz engen Voraussetzungen vor, wenn zum Beispiel krasse Gewalt gegen einzelne Bevölkerungsgruppen, ethnische Gruppen oder ähnliches gefordert werden, oder wenn die Menschenwürde Einzelnen abgesprochen und mit Füßen getreten wird", so Vetter. Hinzu kommt: Solche Äußerungen müssen öffentlich – also beispielsweise in offenen Facebook-Gruppen - stattfinden.

Doch selbst, wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, aus eigener Motivation verfolgen die Behörden Hass-Kommentare bei Facebook nicht. "Nach meiner Kenntnis gibt es keine Dienstanweisungen und auch kein Personal, um zum Beispiel soziale Netzwerke auf volksverhetzende Äußerungen aktiv zu kontrollieren", sagt Vetter. Allerdings sei jede Polizeibehörde verpflichtet, offline wie online Strafanzeigen und Hinweise entgegen zu nehmen.

"Es gibt im Internet die Möglichkeit, anonym Anzeige zu erstatten und dann müssen die Behörden tätig werden", sagt der Kölner Anwalt für Medienrecht, Christian Solmecke. "Problematisch ist jedoch, dass die Behörden chronisch unterbesetzt sind. Insofern wird weniger getan als getan werden müsste."

Rechte Proteste gegen das Flüchtlingslager in Freital
Durch teilweise rassistische Proteste gegen ein geplantes Asylheim erlangte das sächsische Freital Berühmtheit. Das Blog "Perlen aus Freital" sammelt rassistische Sprüche im Netz.Bild: picture-alliance/AP Photo/J. Meyer

Aktivisten zeigen Volksverhetzer an

Der Blog "Perlen aus Freital" sammelt rassistische und volksverhetzende Kommentare in sozialen Netzwerken und veröffentlicht sie - häufig mit Klarnamen, Link zum Facebookprofil und Arbeitgeber des Urhebers.

Die Gruppe "Glorious Bastards" aus Österreich geht noch weiter. Die Mitglieder haben es sich zur Aufgabe gemacht, Internethetze, die unter Klarnamen gepostet wird, bei den Behörden anzuzeigen. Aufsehen erregten die "Glorious Bastards" mit der Veröffentlichung des Hetzkommentars eines Auszubildenden von Porsche. Die Freiwillige Feuerwehr des österreichischen Ortes Feldenkirchen hatte bei 36 Grad eine Art Badespaß organisiert und die Kinder eines Flüchtlingsheims pitschnass gespritzt. Unter das Foto eines lachenden Flüchtlingsmädchen aus Syrien, das die Erfrischung sichtlich genießt, schrieb der 17-Jährige: "Flammenwerfer währe (sic!) da die bessere Lösung." Porsche zog schließlich eine für den Azubi bittere Konsequenz: Der junge Mann wurde fristlos entlassen. "Wir lehnen jegliche Art der Diskriminierung strikt ab. Dieser Vorfall hat uns daher zum Handeln gezwungen", sagte ein Porsche-Sprecher auf Anfrage der österreichischen Zeitung "Kurier".

"Wir durchforsten einschlägige Seiten, machen Screenshots von dem gesamten Chatverlauf, sichern das alles ab mit einer Html-Sicherung und melden es an den Verfassungsschutz", erklärtz der Administrator der "Glorious Bastards", der anonym bleiben will, die Arbeitsweise der Gruppe im ARD-Morgenmagazin. Auch der deutsche Verfassungsschutz würde sich über solche Anzeigen freuen, berichtet das TV-Magazin.

Verfolgung von Straftaten oder Denunziation?

Doch wo verläuft die Grenze zwischen der Hilfe bei der Aufklärung einer Straftat und Denunzierung? Sollte auch in Deutschland eine Gruppe wie die "Glorious Bastards" Netzrassisten anzeigen? "Wenn die Aussagen wahrlich volksverhetzend sind, ist das sicherlich ganz sinnvoll. Polizei und Staatsanwaltschaft können ja nicht überall sein", sagt Medienrechtler Solmecke. "Was nicht passieren darf ist, dass das Ganze zu einer Prangerwirkung führt."

Skeptisch ist diesbezüglich auch Strafrechtler Udo Vetter. "Ich sehe hier die Gefahr, dass sich Nichtjuristen, die eine andere politische Meinung haben ,sich sozusagen zu Hilfssheriffs ernennen und dann die Strafverfolgung, aus ihrer Sicht sicherlich ehrenwert, aber möglicherweise mit der falschen Intention, vorantreiben", so Vetter.

Wenn künftig unbequeme Meinungen von Andersdenkenden wechselseitig mit Strafanzeigen geahndet würden, führe das letztendlich zur Überlastung der Justiz und einem Verlust der Grundrechte, die für alle gelten, egal welcher politischen Meinung, sagt Vetter. "Ich habe große Bedenken, dass das Strafrecht das geeignete Mittel ist, den gesellschaftlichen Diskurs in Deutschland zu regulieren." Das Strafrecht, so Vetter, müsse immer das letzte Mittel sein.