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Kampf gegen Zensur

Julia Mahncke1. Dezember 2012

Weltweit werden Journalisten an der Veröffentlichung von kritischen Berichten gehindert. "Reporter ohne Grenzen" will solche Artikel und Videos nun über eine Internetplattform an der Zensur vorbeischleusen.

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Arabischer Übersetzer schwärzt Teile einer Zeitung für Guantanamo-Häftlinge (Foto: John Moore/Getty Images)
Bild: John Moore/Getty Images

Verbotenes macht neugierig. Videos oder Bilder, die ein Geheimnis bleiben sollen, verbreiten sich im Internet deshalb oft rasend schnell: Die Oben-ohne-Fotos von Kate Middleton, der Ehefrau des britischen Kronprinzen William, machten innerhalb weniger Stunden die Runde im Netz. Dieses Prinzip will die Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG) nun für journalistische Inhalte nutzen.

"Wir waren der Ansicht, dass es eine Plattform geben muss, auf der Geschichten veröffentlicht werden können, die in den Ländern, in denen sie eigentlich veröffentlicht werden sollten, der Zensur unterliegen", sagt Matthias Spielkamp, ROG-Vorstandsmitglied in Deutschland, im Gespräch mit der Deutschen Welle. Dabei geht es ausdrücklich um recherchierte Beiträge von Journalisten, die aufgrund mangelnder Pressefreiheit nicht in der Zeitung, im Fernsehen oder Radio veröffentlicht werden. Die Internetseite solle keine Plattform für große Datensätze und offizielle Dokumente werden, wie etwa Wikileaks, und auch kein Platz für reine Sensationsgeschichten, so Spielkamp. Finanziert wird das Projekt mit Hilfe der Europäischen Union, der Stadt Paris und durch Spenden.

Screenshot wefightcensorship.org
Neben journalistischen Inhalten gibt es auch Tipps, wie Nutzer im Internet anonym bleiben könnenBild: wefightcensorship.org

Zensierte Autoren unterstützen

Eine der ersten Veröffentlichungen kommt aus Marokko: Omar Brouksy darf dort nicht mehr offiziell als Journalist arbeiten. Die Regierung entzog ihm Anfang Oktober die Akkreditierung, weil der Reporter in einem Artikel die Rolle des Königshauses während einer Wahl im Land kritisch beleuchtet hatte. Sein Text ist aber weiterhin im Internet zu lesen. ROG verbreitet ihn auf Wunsch des Autors auf "wefightcensorship.org". Auch Jean-Claude Nékims Geschichte thematisieren die Macher der Seite. Der Herausgeber einer bekannten Zeitung im Tschad lieferte sich nach der Veröffentlichung eines regierungskritischen Artikels eine Schlacht mit der Justiz. Die Zeitung wurde von den Richtern verboten, der umstrittene Text steht auf "wefightcensorship".org. Auch die Hintergründe zu jedem zensierten Text sind erläutert.

Über ein Kontaktformular kann jeder in seinem Land zensiertes Material an das Portal senden. Dies geschieht anonym. ROG versichert, dass die Identität des Absenders technisch nicht zurückverfolgt werden kann. Gesendete Dokumente werden verschlüsselt. Die Redaktion möchte zwar wissen, wer sich hinter dem Text verbirgt. Zum Schutz des Autors kann dieser aber gegenüber der Öffentlichkeit anonym bleiben. "Die Redaktion überprüft, ob die Geschichte Hand und Fuß hat, wie glaubwürdig sie ist", schildert Spielkamp den Prozess. Sollten die Artikel nicht auf Englisch oder Französisch vorliegen, werden sie übersetzt und sowohl als Text als auch in einer Datei zum Herunterladen online gestellt. So ist die Duplizierung der Inhalte einfach, auch zum Kopieren der ganzen Website werden Nutzer eingeladen. Leser können die Berichte nicht nur per Mausklick über die üblichen sozialen Netzwerke weiterempfehlen, sondern auch direkt aus einer Liste mit über 100 regionalen Diensten wählen.

Internetcafé in Islamabad, Pakistan (Foto:B.K. Bangash/AP/dapd)
Beim Versenden der Berichte sollen die Absender keine Spuren hinterlassenBild: AP

Mehr Sicherheit als der eigene Blog

Das Netz bietet bereits vielfältige Möglichkeiten für Journalisten und Bürger, Informationen auf eigene Faust zu verbreiten. Yoani Sánchez aus Kuba ist zum Beispiel trotz heftiger Zensur in ihrem Land eine erfolgreiche Bloggerin. Sie schafft es regelmäßig technische Schranken zu umgehen. Ihr Bekanntheitsgrad schützt sie mittlerweile ein Stück weit vor den Konsequenzen ihrer Rebellion in Textform.

Matthias Spielkamp ist ehrenamtliches Vorstandsmitglied von Reporter ohne Grenzen (Foto: Reporter ohne Grenzen)
Matthias Spielkamp von Reporter ohne GrenzenBild: Reporter ohne Grenzen

Spielkamp, selbst Blogger, warnt allerdings vor dem Alleingang: "Es ist für Journalisten in autoritären Ländern oft ziemlich gefährlich, eigene Plattformen zu gründen." Darüber hinaus ließen sich Betreiber über Texte und andere Spuren im Netz identifizieren. Das Team von "wefightcensorship.org" soll hingegen Anonymität bieten - sowohl den Autoren als auch Protagonisten, die im Artikel vorkommen - bürgt aber gleichzeitig mit für die Glaubwürdigkeit der Berichte. "Das ist ein Balanceakt", räumt Spielkamp ein. "Man muss bei jeder Geschichte abwägen: Ist das für uns glaubwürdig? Können wir das so veröffentlichen oder nicht?"