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Interview: "Öffnet eure Herzen und schaut auf die Welt!"

Das Gespräch führte Aladdin Sarhan25. November 2005

Die deutschen Auslandsvertretungen in Ägypten bemühen sich, einen Dialog zwischen Europa und der arabischen Welt anzuregen. Über die Chancen dieses Austauschs sprach der Botschafter Martin Kobler mit DW-WORLD.

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Martin KoblerBild: DW

DW-WORLD: Ein ägyptischer Intellektueller sagte mit großer Begeisterung, die deutschen Auslandsvertretungen in Ägypten seien in den vergangenen Jahren "Leuchttürme des interkulturellen Dialogs am Nil geworden". Wieso genießen sie so ein hohes Ansehen?

Martin Kobler: Ich glaube, das ist relativ einfach zu beantworten: Weil wir über ein ganzes Bündel von Maßnahmen des interkulturellen Dialogs verfügen. Da ist zunächst einmal das Verständnis für die andere Kultur, aber auch die Vielzahl von Kontakten, die wir zu islamischen Organisationen, zu Scheich Al-Azhar, zum Mufti, aber ebenso zum koptischen Papst haben. Interkultureller Dialog bedeutet für mich nicht nur, den Kontakt zu den Chefs des christlichen und des muslimischen Ägypten zu halten. Deswegen gehe ich sehr gerne in die Universitäten. Dort betreibe ich den praktischen interkulturellen Dialog - und das nicht nur in Kairo.

Was bedeutet praktischer Dialog?

Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass man mit den Menschen spricht, um zu wissen, was sie denken. Ich muss schon sagen, dass die Diskussionen, die man hier führt, von einer erstaunlichen Offenheit sind. Man kann konfrontativ mit Studenten, aber auch mit anderen debattieren. Darüber hinaus können wir sehr offen mit der politischen Elite Ägyptens über Fragen des interkulturellen Austausches diskutieren.

Man sagt dem Westen nach, dass er nur mit der Elite in den jeweiligen arabischen Gesellschaften das Gespräch sucht. Stimmt das?

Das ist eine sehr wichtige Frage und wir sehen das Problem. Man muss natürlich mit den Eliten in den Ländern reden; auch mit den religiösen Eliten. Man darf aber die breite Wirkung dieser Gespräche nicht vergessen. Neben dem Dialog setzen wir auch sehr stark auf die Presse. Wir haben hier in Kairo das German Information Center für die arabische und islamische Welt eingerichtet. Es handelt sich dabei um eine virtuelle Veranstaltung; eine Homepage, die über deutsche Politik sehr zeitnah Auskünfte gibt und in die sich jeder einklicken kann.

Was erwarten Sie in dem Dialog von Arabern und Muslimen?

Wir würden uns von arabischer Seite mehr Einsicht wünschen, dass klare Positionen zum Terrorismus gefunden werden müssen. Es ist vielleicht ein interkulturelles Problem, dass manche Selbstmordattentäter als "Märtyrer" bezeichnet werden. Denn Märtyrer ist ein Begriff, der in der islamischen Welt positiv besetzt ist. Die religiösen Autoritäten Ägyptens haben sich ganz klar und dezidiert gegen Terror ausgesprochen. Aber es muss den Menschen auch von Seiten der Moscheen klar gemacht werden, dass es nicht im Interesse des Islam und auch nicht durch den Islam gerechtfertigt ist, Selbstmordattentate, zu begehen.

Viele Intellektuelle fordern, dass die religiösen Eliten auch ihre Anhänger für den interkulturellen Dialog mobilisieren. Wie sehen Sie das?

Ich sehe das auch so. Ägypten hat 100.000 Moscheen, es gibt also keinen Mangel an Kommunikationsmöglichkeiten. Wir kommen uns in vielen Gebieten näher, wie zum Beispiel in der Wirtschaft, in Medien, Jugendaustausch, Schulen, … Oft funktioniert das Ganze hervorragend. Aber manchmal verhärten sich die Positionen. Die beste Lösung dafür ist, mit den Menschen in Kontakt zu bleiben.

Was kann der einzelne dazu beitragen?

Ich möchte jedem empfehlen, vor allem auch den jungen Leuten, die Herzen zu öffnen, auf die Welt zu schauen, sich nicht zu verengen, sich nicht zu verhärten. Ich weiß, dass es Probleme zwischen dem Westen und der arabischen Welt gibt. In der globalisierten Welt des 21. Jahrhunderts finde ich es sehr wichtig, die neuen Technologien zu nutzen, die Freiheit des Denkens zu bewahren und Toleranz mit Andersdenkenden zu üben.