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Probleme internnationaler Interventionen

Kersten Knipp13. März 2013

Internationale Interventionen werfen ganz eigene Probleme auf, erklärt der Politologe Christian Mölling im DW-Interview. Oft fallen die ursprünglichen Ziele den unterschiedlichen Interessen der Beteiligten zum Opfer.

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Christian Mölling (Foto: SWP)
Bild: SWP

DW: Herr Mölling, ob am Horn von Afrika, in Somalia, im Kongo, in Libyen, im Libanon und nun in Mali: Die westlichen Staaten setzen bei militärischen Missionen im Ausland seit geraumer Zeit verstärkt auf die Zusammenarbeit mit lokalen Streitkräften. Was sind die Motive dieser Kooperation?

Christian Mölling: Der Vorteil liegt aus Sicht der Bundeswehr zunächst einmal darin, dass viel weniger Personal in den Einsatz gehen muss. Das heißt viel weniger Risiken für ihre eigene Soldaten. Und es macht nachher dann auch den Rückzug einfacher.

Gibt es darüber hinaus denn weitere, etwa strategische oder kulturelle Vorteile?

Die Überlegung, dass man durch die Zusammenarbeit mit lokalen Partnern eine höhere Legitimation und bessere Informationen erhält, ist ausgesprochen theoretisch. Denn man muss, wenn man etwa an Afghanistan denkt, auch die Risiken bedenken. So muss man sich auf andere verlassen und darauf vertrauen können, dass die von den Partnern gelieferten Informationen auch richtig sind. Auch, wenn man nicht richtig einschätzen kann, ob die Kooperationspartner lokal angesehene Größen und legitimiert sind, hat man ein Problem.

Global werden die meisten militärischen Einsätze im Verbund durchgeführt. Die westlichen Staaten arbeiten miteinander und holen auch lokale Partner mit ins Boot. Wie beurteilen Sie dieses Prinzip?

Bei einem internationalen Einsatz - einem militärischen ebenso wie einem zivilen - arbeitet man mit vielen anderen Akteuren zusammen. Koordinierung ist zwar die erste Voraussetzung für alles Weitere. Zugleich stellt sie aber auch die größte Schwierigkeit eines solchen Einsatzes dar. Denn sämtliche beteiligten Akteure verfolgen eigene Ziele. Diese Ziele gilt es zu koordinieren und zum Ausgleich zu bringen. Das heißt aber auch, dass man sehr viele Kompromisse eingehen muss.

Bestimmte Akteure wollen nicht mitspielen, da sie ganz andere Ziele verfolgen. Oder sie sehen einen Vorteil darin, für gewisse Zeit mit einem internationalen Partner zusammenzuarbeiten, dann aber aus dieser Zusammenarbeit auszuscheren.

Das heißt, die internationalen Interventionen, wie wir sie seit einigen Jahren erleben, sind längst nicht so effektiv wie man vermuten könnte?

Zumindest haben wir uns in der Vergangenheit hinsichtlich der Frage, wie sich militärische oder zivile Interventionen steuern lassen, einigen Illusionen hingegeben. Denn diese Möglichkeiten sind recht begrenzt. Zum einen setzen die lokale Bevölkerung und die politischen Partner vor Ort einer internationalen Intervention Grenzen. Zum anderen liegt es an den internationalen Partnern selber. Alle Beteiligten erhalten von ihren jeweiligen Institutionen oder Regierungen - etwa von den UN, der NATO oder aus Paris, Berlin oder London - spezifische Zielvorgaben. Diese stehen zu denen der anderen Beteiligten oft in Widerspruch und damit einer Zusammenarbeit im Wege. Finden die Einsätze aber in weiter Ferne - etwa in Afghanistan - statt, haben die zivilen oder militärischen Führer vor Ort hinreichende Freiheiten. Denn ihre Entscheidungen werden nicht jeden Tag zurück in die Hauptstädte gemeldet. So können die Verantwortlichen vor Ort durchaus pragmatische Konzepte entwickeln. Sie sagen einfach: 'OK, wir machen das jetzt einfach.'

Welchen Stellenwert haben Maßnahmen jenseits des rein Militärischen - etwa Versuche, die sozialen Umstände in einer Konfliktsituation zu verbessern und sie dadurch gar nicht erst eskalieren zu lassen?

Sie sind ein sehr wichtiges Instrument. Übersetzt heißt es aber, dass man viel Geld investiert. Bringt das dann nichts, setzt man oft auf eine militärische Option. Das ist eine recht brachiale Methode, denn so ersetzt man eine nicht mehr funktionierende Ordnung durch eine andere. Das ist wie ein intensivmedizinischer Einsatz: Man kann ihn nicht allzu lange fahren. Darum muss man sich relativ früh überlegen, wie man das Militär wieder rausholt, um dann tatsächlich eine politische und gesellschaftliche Lösung zu erzielen. Der dann folgende Wiederaufbau ist eine sehr langwierige und selten angemessen durchdachte Angelegenheit. Bei den entsprechenden Diskussionen stellt man dann fest, dass man über den Zukunftsstatus eines Landes oder einer Region ganz unterschiedliche politische Vorstellungen hat. Unter Umständen lässt sich dann keine Einigung erzielen. In solchen Fällen bleibt oft das Militär vor Ort, und zwar sehr lange. Doch das Militär kann eigentlich nichts mehr bewirken. Stattdessen verschlimmert es die Situation nur noch.

Wie groß sind die Möglichkeiten, diplomatisch auf Regierungen in Krisenregionen einzuwirken und sie zu Reformen zu bewegen?

Man muss in der Lage sein, den Konfliktparteien vor Ort eine bessere und günstigere Alternative anzubieten. Die müssen aus den angebotenen Lösungen einen wie auch immer gearteten politischen oder ökonomischen Gewinn ziehen können. Kann man den nicht bieten, werden die hehren Ideen und Ziele von Menschenrechten, Gleichberechtigung und dergleichen nicht weiterhelfen. Denn viele Partner vor Ort sagen, dass sie das nicht interessiert. Sie weisen dann darauf hin, dass sie den jeweiligen Konflikt um bestimmter Ziele willen weiterführen wollten - weil sie etwa bestimmte Rohstoffquellen oder Handelsrouten für Drogen oder Waffen sichern wollen. Das, so ihr Argument, sei für sie meist viel attraktiver als das, was man ihnen sonst anbieten könne. Erst wenn man in der Lage sei, sie auszuzahlen und aus dem Konflikt herauszukaufen, werde das Angebot für sie interessant.

Hinzu dürfte der Umstand kommen, dass man mit teils dubiosen Partnern zu tun hat.

Ja. Egal, mit wem man verhandelt - man verhandelt mit Leuten, die wahrscheinlich in irgendeiner Weise schon Blut an Ihren Händen haben. Damit muss man umgehen können. Das muss man auch zuhause vermitteln können. Man muss erklären können, dass man mit gewissen Kräften verhandeln muss, weil es keine anderen Möglichkeiten der Intervention gibt. Ansonsten muss man sich ganz aus dem Konflikt zurückziehen - mit all den Konsequenzen, die das hat. Man muss sich von Anfang an darüber klar werden, dass man aus vielen Konflikten nicht mit einer blütenweißen Weste herausgehen kann.


Christian Mölling ist Politologe bei der Stiftung Wissenschaft und Politik. Seine Forschungsschwerpunkte sind u.a. die Verteidigungspolitik der Europäischen Union und zivil-militärische Fähigkeitenentwicklung